Politik | Freiheitliche

„Das fehlende Unrechtsbewusstsein“

Der Obmann der Südtiroler Freiheitlichen, Andreas Leiter Reber, über die Sitzung des FPÖ-Vorstandes in Wien, die Suspendierung Straches und eine Regierungsbeteiligung.
Heinz-Christian Strache
Foto: Screenshot/tvthek.orf.at
Salto.bz: Herr Leiter Reber, Sie durften am Dienstag fünf Stunden lang in der Wiener Josefstadt Mitglied eines Scherbengerichts über Hans Christian Strache sein?
 
Andreas Leiter Reber: Nein, es war kein Scherbengericht in dem Sinn, dass man alles verteufelt was Hans Christian Strache getan hat. Man darf nicht vergessen, er hat diese Freiheitliche Partei in Österreich aufgebaut und auf die größte Zustimmung der vergangenen 40 Jahre gebracht. Dagegen stehen die bekannten Vorkommnisse der letzten Monate. Und vor allem die Vorwürfe, die noch im Raum stehen. Dass nämlich mit Parteigeldern unrechtmäßig, Einkäufe getätigt wurden. Diese Dinge müssen geklärt werden. Deshalb wurde auch die Suspendierung Straches beschlossen. Sollten sich allerdings die Vorwürfe bestätigen oder gar verhärten, dann schließt der Parteivorstand auch einen Ausschluss nicht aus.
 
HC Strache hat dieser Radikallösung vorgebeugt, in dem er sich wenige Stunden vor der Sitzung selbst aus dem Spiel genommen hat?
 
Er hat erklärt, dass er seine Mitgliedschaft ruhen lassen wird. Ich habe den Eindruck, dass er sich nach wie vor schwer tut, die Situation zu akzeptieren. Strache ist von 100 Prozent Politiker, die er jetzt zwei Jahre lang war, der 24 Stunden für die Sache und die Partei gearbeitet hat mit einem Energielevel von 100, plötzlich auf Null gefallen. Das verkraftet er nicht. Deutlich wird das zum Beispiel in seinen Facebook-Postings.
Sollten sich die Vorwürfe gegen Strache bestätigen oder gar verhärten, dann schließt der Parteivorstand auch einen Ausschluss nicht aus.
Ist der Fall Strache – ganz abgesehen von seinen Verfehlungen – nicht auch ein Zeichen, wie schnell in der Politik aus Freunden, Parteikollegen und Speichelleckern, Feinde und Gegner werden?
 
Ich bin überzeugt, dass Strache nach wie vor sehr viele Freunde und viel Anhänger in der Partei hat. Ich sehe hier eine andere Problematik, die ich auch auf der Sitzung in Wien auch angesprochen habe: Das fehlende Unrechtsbewusstsein. Hier sehe ich Parallelen zu anderen Parteien und Bewegungen, die ein Alleinstellungsmerkmal wie Strache haben oder die seit Jahrzehnten allein regieren. Es besteht die Gefahr, dass man den Blick auf demokratische Spielregeln verliert. Ich glaube, dass das sehr vielen wirklich passiert....
 
Sie denken an Matteo Salvini?
 
Es ist auffällig, dass diese Probleme vor allem jene Parteien haben, die sich sehr stark auf eine Person, einen Spitzenkandidaten fokussieren. Manchmal geht hier einfach der Blick auf die Realität verloren. Das ist sicher auch HC Strache zum Verhängnis geworden. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen.
 
Auf der Sitzung am Dienstag wurde auch die Marschroute der FPÖ für die anstehenden Koalitionsverhandlungen festgelegt?
 
Man hat natürlich auch darüber diskutiert. Denn eines muss klar sein: Der Wunderwuzi Sebastian Kurz hat in den letzten Jahre freiheitliche Themen übernommen – vor allem was die Sicherheits- und Immigrationspolitik betrifft. Er fährt dort diesen harten Kurs und hat damit den türkisen Weg eingeschlagen, der sehr erfolgreich ist. Er hat das sehr gut und geschickt gemacht. Kurz hat nach diesem Ergebnis der FPÖ aber ein Problem: Mit wem will er für die nächsten fünf Jahre in Koalition gehen? Oder besser gesagt: Mit wem will er regieren?
 
 
Die FPÖ redet derzeit groß von Opposition. In Wirklichkeit hofft man aber weiterhin an der Regierung zu bleiben?
 
Nein, das stimmt nicht. Das wurde auf der Sitzung gestern ganz klar zum Ausdruck gebracht. Und zwar von allen Bundesländern. Dieses Wahlergebnis ist ganz sicher nicht ein Auftrag der Wählerinnen und Wähler an uns zum Regieren. Auf der anderen Seite kann nach diesem Sonntag keine Partei in Österreich Hurra schreien und sagen, man haben vom Wähler einen Regierungsauftrag erhalten. Weder die Grünen noch die Neos können offen sagen: Wir wollen mit Kurz in die Regierung gehen.....
Kurz hat nach diesem Ergebnis der FPÖ aber ein Problem: Mit wem will er für die nächsten fünf Jahre in Koalition gehen? Oder besser gesagt: Mit wem will er regieren?
Sie sagen: Kurz wird die FPÖ noch brauchen?
 
Ich sage, Kurz wird sich schwer tun. Und ich schaue mit an, wie er mit einem anderen Regierungspartner sein Mitte-Rechts-Programm durchsetzen will. Mit den Grünen? Oder mit der SPÖ? Es wird für alles andere als leicht werden.
 
Herbert Kickl steht aus der Sicht der ÖVP einer Regierungsbeteiligung eher im Weg. Der ehemalige Innenminister wurde gestern zum FPÖ-Clubobmann nominiert. Norbert Hofer zum dritten Nationalratspräsidenten. Will sich die FPÖ mit neuen Gesichtern der ÖVP andienen?
 
Überhaupt nicht. Herbert Kickl ist neben Norbert Hofer sicher eine der beliebtesten freiheitlichen Figuren in Österreich. Gerade dieses Duo mit Hofer, der besonnen ist und immer seine ruhige Art beibehält und einem Kickl, der aufgrund seiner Rhetorik und seiner markigen Aussagen beachtet wird, soll die Freiheitlichen weiterhin vertreten. Die jetzt zugewiesenen Rollen passen perfekt. Auch wenn die FPÖ auf der Oppositionsbank sitzt.
 
Herr Leiter Reber, welchen Sinn macht es, dass Chef der Südtiroler Freiheitlichen bei diesen brisanten innerpolitischen Angelegenheiten im Bundesparteivorstand der FPÖ mitmischt?
 
Wir haben Sitz und Stimme im Vorstand wie alle anderen. Was aber schon klar sein muss: Wir in Südtirol sind eine eigenständige Partei. Für mich ist es aber wichtig, dass wir in Südtirol bei unserem Pendant in Österreich über alle Südtirol-Anliegen informiert sind. Hier ist der direkte Austausch sehr nützlich.
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Michl T. Mi., 02.10.2019 - 17:21

Leiter Reber hat eine interessante Optik..
"Parteien und Bewegungen, die ein Alleinstellungsmerkmal wie Strache haben"
"dass diese Probleme vor allem jene Parteien haben, die sich sehr stark auf eine Person, einen Spitzenkandidaten fokussieren."
Auf der einen Seite sieht er Typen wie Strache als ein Alleinstellungsmerkmal (ein positiv behafteter Begriff in der betriebswirtschaftlichen Strategiebildung v.a. bzgl. Marketing), auf der anderen Seite sieht er es problematisch, wenn ein Personen-Kult aufgebaut wird.
Klassisches Dilemma, um nicht zu sagen ein gordischer Knoten, der jetzt fast wie in der griechischen Sage mit zwei (statt einem) schweren *selbst zugeführten!* Schwerthieben zerschlagen wurde :)
Schauen wir mal wie lange es dauert bis sich der Rosenkranz-Hassprediger der Lega offenbart oder der Faschist Höcke bei der AfD (den darf man jetzt offiziell so nennen :D ) -> https://bit.ly/2ouFHAQ

Mi., 02.10.2019 - 17:21 Permalink