Gesellschaft | Interview

“Ideologien dürfen nicht herein”

An der Freien Universität Bozen wurden zwei Gäste “in der Nähe von rechtsradikalem Gedankengut” übersehen. Präsidentin Ulrike Tappeiner nimmt Stellung – und Abstand.

Die Stellungnahme ist drei Absätze lang. Um kurz nach 14 Uhr verschickt die Freie Universität Bozen am Freitag folgende Zeilen:

“Die Freie Universität Bozen distanziert sich als pro-europäische und den demokratischen Grundrechten verpflichtete Institution vom Gedankengut und der Person des russischen Philosophen Aleksandr Gel'evič Dugin und des französischen Professors Christophe Réveillard, die zur Tagung vom ‘Istituto Rosmini’ eingeladen wurden.
Die Positionen der obengenannten Gästen der Tagung stehen in scharfem Kontrast zu den Prinzipien von Freiheit, Toleranz und wissenschaftlich fundiertem Denken, die unserer täglichen Arbeit als WissenschaflerInnen und DozentInnen zugrunde liegen. Auch wenn wir für Meinungsfreiheit und gegen die Zensur von anderslautendem Gedankengut sind, halten wir es nicht für angebracht und akzeptabel, dass dieses in den Räumlichkeiten unserer Hochschule verbreitet wird.
Die Freie Universität Bozen bedauert sehr, nicht früher auf die Teilnahme von Dugin und Réveillard an der Veranstaltung aufmerksam geworden zu sein und sieht sich gezwungen, unter diesen Umständen, die Hörsäle für die Tagung am morgigen Samstag nicht zur Verfügung zu stellen sowie die Schirmherrschaft zu entziehen.”

salto.bz hatte am Vormittag über die geplante Anwesenheit von Alexander Dugin berichtet. Der russische Politologe gilt als Neofaschist und intellektueller Vordenker der extremen und Neuen Rechten in Russland. Am morgigen Samstag sollte Dugin bei der Tagung “Die Idee Europas in nicht-vorherrschenden politischen Kulturen: Vorschläge, Projekte und Probleme” über “Russland und Europa: offene oder spaltende Grenzen?” referieren. Veranstalter der Tagung ist das Rosmini-Institut, das seit Langem eine Zusammenarbeit mit der Universität Bozen pflegt.

Mitglied des Instituts ist auch Christophe Réveillard. Der Professor an der Sorbonne in Paris war für den heutigen Freitag um 16 Uhr mit dem Referat “Europa im Plural: die ‘französischen’ Projekte zu Europa” angekündigt – und wurde von der Uni nun auch auf die “schwarze Liste” gesetzt. Réveillards Name taucht unter anderem im Zusammenhang mit einem Gerichtsurteil von 1990 auf, als in Paris fünf junge Männer wegen der Beteiligung an einem Bombenattentat auf ein Pariser Kino zu Freiheits- und Geldstrafen verurteilt wurden. Darauf verweisen unter anderem die Blogger von Brennerbasisdemokratie. Mit dem Anschlag, bei dem 1988 13 Personen verletzt wurden, sollte die Aufführung von Martin Scorseses “Die letzte Versuchung Christi” verhindert werden. Réveillard wurde wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

salto.bz hat bei der Präsidentin der Freien Universität Bozen, Ulrike Tappeiner, nachgefragt.

salto.bz: Frau Tappeiner, die Universität hat mitgeteilt, die Hörsäle für die Tagung des Rosmini-Institutes nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Warum?

Ulrike Tappeiner: Das hängt jetzt davon ab, wie das Rosmini-Institut reagiert. Ich werde mich in Kürze mit dessen Präsidenten treffen. Wenn das Institut diese beiden Referenten zurückzieht, kann der Rest der Konferenz weiter ablaufen. Denn es geht vor allem um diese beiden Referenten.

Im Prinzip ist es so, dass die Freie Universität Bozen natürlich für wissenschaftliche Konferenzen zur Verfügung steht, insbesondere auch zu aktuellen Themen. Und das ist diese Konferenz des Istituto Rosmini sicherlich. Wir haben eine lange Kooperation mit dem Institut, so wie mit andere Forschungsinstitutionen in Südtirol. Immer wieder wurden Konferenzen ausgerichtet und wir haben Räume zur Verfügung gestellt. Nur ist mir dieses Mal gestern (Donnerstag, Anm.d.Red.) Abend zur Kenntnis gebracht worden, dass es diesmal zwei Personen im Kreis der Referenten gibt, die in der Nähe von rechtsradikalem Gedankengut gesehen werden. Und davon distanzieren wir uns. Wir sind eine pro-europäische, den demokratischen Werten verpflichtete Institution und wollen unabhängig von jeglichem politischen Einflüssen agieren können. Solange es eine wissenschaftliche Tagung ist, ist nichts dagegen zu sagen, dass unterschiedliche Positionen wissenschaftlich und professionell diskutiert werden. Dazu stehen wir als Universität. Aber wir wollen nichts mit eindeutigen politischen Stellungnahmen zu tun haben.

Nun war das Programm der Tagung zumindest schon seit einigen Tagen öffentlich bekannt. Wurde da nicht schon vorher genauer hingeschaut?

Wir haben, wie gesagt, eine sehr lange Kooperation mit dem Istituto Rosmini und auch mit anderen Einrichtungen. Die Räume der Universität stehen immer wieder für solche Veranstaltungen zur Verfügung. Wir prüfen im Vorfeld sehr genau, ob wir die Räume zur Verfügung stellen. Im Vorfeld war das Thema dieser Tagung bekannt, es wurde uns auch eine relativ ausführliche Beschreibung des Themas geschickt. Mit dem waren wir alle einverstanden, zu dem Thema stehen wir. Wir hatten aber keine Information zu den Referentinnen und Referenten. Erst ganz kurzfristig wurde uns das genaue Programm mitgeteilt. Und noch einmal: Durch die lange Kooperation ist natürlich auch ein gewisser Vertrauensvorschuss da. Sobald mir die Informationen über die beiden Referenten zur Kenntnis gebracht wurden, habe ich sofort reagiert und bin jetzt auch in Gesprächen mit der Leitung und dem Präsidenten des Istituto Rosmini.

Den Medien wurde das detaillierte Programm der Tagung am 26. September zugesandt. Darauf standen auch die Namen von Alexander Dugin und Christophe Réveillard.

Aber vom Istituto Rosmini, nicht von uns.

Ja. Dennoch stand das Logo der Freien Universität Bozen auf dem Programm.

Wir haben die Information erst sehr sehr kurzfristig bekommen. Und noch einmal: Wenn wir eine Zusage geben, ist es nicht unsere Aufgabe, jede Referentin und jeden Referenten zu kontrollieren. Wir haben zum Beispiel große Kongresse, da kontrollieren wir auch nicht jeden der Referentinnen und Referenten – das liegt nicht in unserem Aufgabenbereich. Wir machen diese Dinge stichprobenartig und sobald uns etwas auffällt, treten wir sofort in Kontakt mit den Ausrichtern. In diesem Fall leider spät, nämlich als die Konferenz schon begonnen hatte. Weil uns selbst das Programm sehr spät zugeschickt wurde.

Christophe Réveillard ist Mitglied des Rosmini-Instituts und hat schon bei vergangenen Tagungen in Bozen referiert. Zuletzt 2018 in der Aula Magna der Freien Universität Bozen. Warum wurde seine Anwesenheit erst heuer beanstandet?

Es ist sicherlich so, dass wir dieses Mal aufgrund des Namens dieses russischen Philosophen Alexander Dugin noch einmal genauer hingeschaut und auch ein bisschen recherchiert haben.

Was wird im Falle von Christoph Réveillard konkret beanstandet?

Dazu möchte ich im Moment nicht Stellung nehmen. Es wurde intern an der Universität recherchiert, mit den entsprechenden Fachkolleginnen und -kollegen diskutiert und wir haben dann beschlossen, beide Namen, in einem Fall eindeutig, in einem anderen Fall aber auch in der Nähe dieser Kreise aufzunehmen.

Fühlen Sie sich als Institution, als Freie Universität Bozen missbraucht, wenn solche Referenten in Ihre Räumlichkeiten eingebucht werden, ohne frühzeitig darüber informiert zu werden?

Ich will jetzt keine Schuldzuweisungen machen, sondern mit dem Istituto Rosmini bzw. dem Präsidenten versuchen, genau zu eruieren – weil wir solche Dinge in Zukunft natürlich vermeiden möchten –, wie es dazu gekommen ist.

Wir haben, sobald wir gemerkt haben, dass hier auch Ideologien verbreitet werden, reagiert. Ich werde natürlich die Hintergründe versuchen zu verstehen – weil wir das in Zukunft vermeiden wollen. Aber noch einmal: Prinzipiell sehe ich unsere Universität schon als einen Ort, wo offen über viele Themen diskutiert werden kann und auch soll. Aber es darf kein ideologisches Gedankengut hineingebracht werden.

In der Stellungnahme teilt die Universität mit, die Schirmherrschaft zu entziehen – für die heurige Tagung? Oder wird jetzt die gesamte Zusammenarbeit aufgekündigt?

Wir werden das jetzt aufarbeiten und sehen, ob wir zukünftig noch weiter zusammenarbeiten. Noch einmal: Ich möchte einfach mit den Betroffenen direkt reden und die Hintergründe erfahren. Unsere Zusammenarbeit war bisher positiv. Das ist jetzt ein Aspekt, der weniger positiv ist – und sollte das Istituto Rosmini diese Referenten zurückzieht, dann bleibt auch die Schirmherrschaft aufrecht. Denn das Tagungsthema per se ist ja etwas sehr richtiges – und unter den restlichen Referenten sind auch ausgewiesene Leute.