Politik | Landesverwaltung

Der unerwünschte Coach

Eine Klausur der Agentur für Bevölkerungsschutz wurde einen Tag vorher von ganz oben abgesagt. Der Grund: Man hat mit Hanspeter Staffler den falschen Referenten gewählt.
Staffler, Hanspeter
Foto: salto
Rudolf Pollinger wird der 29. Oktober 2019 noch lange im Gedächtnis bleiben. An diesem Tag erlebte der Direktor der Agentur für Bevölkerungsschutz etwas, was selbst jeden katastrophenerprobten professionellen Zivilschützer aus den Socken wirft.
Am Dienstagvormittag erhielt Pollinger einen Anruf des Direktors des Ressort Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus und Bevölkerungsschutz, Klaus Unterweger. Die rechte Hand von Landeshauptmannstellvertreter und Landesrat Arnold Schuler redete nicht lange um den heißen Brei herum. Unterweger erteilte dem Abteilungsdirektor eine Dienstanweisung: Die für den Tag danach geplante Klausurtagung der Führungskräfte der Agentur im Haus der Familie am Ritten könne und dürfe nicht stattfinden.
Pollinger musste deshalb den 18 geladenen Führungskräften einen Tag vor dem Termin zerknirscht mitteilen, dass die seit Monaten geplante Klausurtagung abgesagt ist. Zeitgleich musste er aber auch jenen Mann informieren, der die Teamsitzung am Ritten leiten sollte und der der eigentlich Grund für die Intervention von ganz oben und die Absage war: Hanspeter Staffler, ehemaliger Generaldirektor der Landesverwaltung und seit einem Jahr grüner Landtagsabgeordneter.
 
 
Schaut man sich den Hintergrund dieser geplatzten Klausurtagung genauer an, so kann man das Ganze als Posse innerhalb der Landesverwaltung abtun. Oder als Fallbeispiel wie das System Südtirol auch 2019 immer noch funktioniert.


Die Agentur

 
Die Landesagentur für Bevölkerungsschutz wurde mit 1. Jänner 2016 gegründet. Sie ist eine eigene vom Land abhängige Körperschaft, die der Südtiroler Landesregierung und dem für den Zivilschutz zuständigen Landesart untersteht. In der Agentur wurden verschiedene Institutionen, Abteilungen und Ämter – wie das Amt für Zivilschutz, die Wildbachverbauung, das Hydrographische Amt, aber auch die Berufsfeuerwehr, der Brandschutz und die Landeswarnzentrale  – unter einen Dach zusammengelegt.
Obwohl sich diese Bündelung als durchaus sinnvoll erwiesen hat, sind die verschiedenen Bereiche der Agentur, die vorher jahrzehntelang als eigenen Einheiten tätig waren, auch nach dreieinhalb Jahren organisch noch nicht ganz zusammengewachsen.
 
 
Deshalb denkt der Direktor der Agentur, Rudolf Pollinger, seit längerem an ein Teambildungs-Programm und ein Teamcoaching der Führungskräfte nach. Es geht dabei auch um die Festlegung einer gemeinsamen Strategie. Dabei sollte auch ein Mann eine Rolle spielen, der dafür eigentlich prädestiniert ist: Hanspeter Staffler.
 

Der Coach

 
Der heute 53jährige Malser Staffler studierte an der Boku in Wien Forstwirtschaft und trat 1996 in den Südtiroler Landesdienst ein. 2002 wurde er Direktor des Amtes Wasserschutzbauten und fünf Jahre später zum Direktor der Abteilung Brand- und Zivilschutz. Nach seiner Promotion wurde Hanspeter Staffler 2014 zum Generaldirektor der Südtiroler Landesverwaltung befördert.
Bereits 2011 hat der durchaus ehrgeizige Abteilungsdirektor an der Freien Universität Berlin (FU) einen Lehrgang als Businesscoach abgeschlossen. In den vergangenen Jahren folgte ein weiterer Abschluss an der FU als Teamcoach.
Hanspeter Staffler Schwierigkeiten als Generaldirektor hat salto.bz detailliert nachgezeichnet. Von der Politik fallen gelassen und von höchster Beamtenstelle angefeindet, beendet der Generaldirektor vorzeigt seinen Auftrag und wechselte die Seiten. Staffler kandidierte bei den Landtagswahlen 2018 für die Südtiroler Grünen und wurde in den Landtag gewählt. Dort ist der ehemalige Generaldirektor seinen früheren politischen Vorgesetzten – aber auch der Führungsspitze der Landesverwaltung - jetzt ein Dorn im Auge.
 

Stafflers Bedingungen

 
Rudolf Pollinger und Hanspeter Staffler haben fast zwei Jahrzehentelang zusammengearbeitet und man schätzt sich. Deshalb dürfte der Agenturdirektor Staffler im Frühjahr gefragt haben, ob er für die Führungskräfte der Agentur ein Teamcoaching machen würde.
Staffler besitzt dafür alle formalen Voraussetzungen. Vor allen aber kennt er als langjähriger Amts-, Abteilungs- und Generaldirektor nicht nur das gesamte Ambiente, sondern auch die meisten Amtsdirektoren persönlich. Staffler kennt dabei auch die Probleme und Schwachstellen in der Agentur.
Nach Informationen von salto.bz hat der amtierende grüne Landtagsabgeordnete lange überlegt, ob er den Auftrag annehmen kann. Hanspeter Staffler wollte eigentlich nicht mehr für die Landesverwaltung arbeiten. Doch in diesem Fall machte er eine Ausnahme.
 
 
Gleichzeitig stellte er aber drei klare Bedingungen. Alle Führungskräfte der Agentur müssen bei dem Teambildungsprozess mitmachen, es soll eine Klausur an einem Ort stattfinden, wo man in Ruhe arbeiten kann und er könne einen ehemaligen inzwischen, pensionierten Mitarbeiter der Personalabteilung als Assistenten beiziehen.
Zudem fixierte der Ex-Generaldirektor noch eine weitere Forderung, die nicht verhandelbar sei: Er übernehme den Auftrag nur kostenfrei. Das heißt ohne Honorar und Entschädigung.
 

Die Absage

 
Rudolf Pollinger und seine engsten Mitarbeiter organisierten daraufhin die Klausurtagung für Mittwoch, den 30. Oktober am Ritten. Da der Agenturchef die Landespolitik und die hohe Landesverwaltung kennt, hielt er den Namen des Coachs bewusst bis zum allerletzten Moment im diskreten Kreis zurück. „Es sollte auch eine Überraschung für die Mitarbeiter sein“, sagt einer aus dem Kreis.
Doch Anfang dieser Woche sickerte der Name Hanspeter Staffler durch. Und die Politik reagierte umgehend mit einem amtlichen Bann.
Hanspeter Stafflers Rolle wird dabei gleich doppelt abgelehnt. Zum einen gehe es nicht an, dass ein im Streit gegangener ehemaliger Generaldirektor in der Landesverwaltung wieder mitmische. Und zum  anderen ist es undenkbar, dass ein oppositioneller Landtagsabgeordneter auch noch Teambildung für Führungskräfte des Landes betreibe. „Das ist politisch inakzeptabel“, begründete Ressortdirektor Klaus Unterweger dann auch die Absage im Telefonat mit Rudolf Pollinger.
Wer nicht das richtige Parteikartl hat, darf in diesem Land nicht einmal gratis für die Landesverwaltung arbeiten.
Man muss sich das Ganze auf der Zunge zergehen lassen.
Ein Mann, der vor 14 Monaten noch oberster Verantwortlicher für 14.000 Landesangestellte war, ist plötzlich als Seminarleiter und Coachs „politisch inakzeptabel“.
Damit wird eines klar: Wer nicht das richtige Parteikartl hat, darf in diesem Land nicht einmal gratis für die Landesverwaltung arbeiten.