Der Allround-Theatermacher
Es ging wie ein Lauffeuer durch die Medien: Rudi Ladurner ist tot.
Als „Pionier der Südtiroler Theater- und Kulturszene“ wird er auf der Webseite der Stadt Meran verabschiedet, mit den Worten des Bürgermeisters Paul Rösch: „Sein Tod ist ein großer Verlust für die gesamte Stadt. Wir werden ihn als großen Theatermacher und als große Persönlichkeit in Erinnerung behalten. Die Meraner Stadtregierung drückt seinen Angehörigen ihr aufrichtiges Beileid aus".
Vor 2 Jahren ungefähr wurde ihm ein Krebsgeschwür in der Gegend zwischen Galle und Pankreas diagnostiziert, eine Krankheit, die schnell und gnadenlos voranschreitet und selbst den tatkräftigsten Menschen all ihre Lebensenergie raubt: am Donnerstag, 19. Dezember 2019, wurde er am Morgen im Bozner Krankenhaus vom Sensenmann abgeholt.
Wer war Rudi Ladurner? Geboren am 9. November 1951 hatte er vor einem Monat seinen 68. Geburtstag gefeiert, viel zu jung um die Bühne des Lebens zu verlassen, aber vor allem die, auf und vor der er oft gestanden und mitgewirkt hatte: die Theaterbühne. Nach seinem Studium der Theaterwissenschaften in Wien war er 5 Jahre Regieassistent am Burgtheater und noch mal 5 hatte er als junger Regisseur frei in verschiedenen Theatern in Österreich und der Schweiz gearbeitet. In den 80er Jahren kam er wieder nach Meran, wo er aufgewachsen war.
„In seiner Heimatstadt fand er zunächst vor allem im Theater in der Klemme mit Franco Marini einen Anknüpfungspunkt“, schreibt Franco Bernard, einer der seit Jugendjahren in der Meraner Theaterszene aktiv ist, in einem Porträt, das 2008 in der Kulturzeitschrift „Cactus“ erschienen war. „Schon bald eröffnete er aber sein eigenes Haus, das Theater in der Altstadt im Kellergeschoß des frisch renovierten Kursaals. Was für Kenner der Meraner Verhältnisse fast wie ein Wunder wirkte, war nicht etwa das Ergebnis politischer Nähe zur Mehrheitspartei. Rudi zählt sich selbst zur Linken. Der Schlüssel zum Erfolg lag in seiner Glaubwürdigkeit, seiner Professionalität, in seinem Engagement und seiner Bereitschaft, mit allen zu reden. Wer immer mit Rudi zu tun hatte, musste merken: Diesem Mann geht es um die Sache.“
Mit Rudi Ladurner ist eine Symbolfigur des Aufbruchs gegangen, zudem eine trotz ihrer Ecken und Kanten ungemein liebenswerte Persönlichkeit. Chapeau, Rudi, Du bleibst unvergessen!“
Ja, diesem Mann ging es darum, „etwas“ zu schaffen; nicht umsonst haben die Landtagsabgeordneten der Grünen, Brigitte Foppa, Hans Heiss, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler noch am selben Donnerstag in einer Presseaussendung, die auch auf ihrer Webseite unter einem symbolträchtigen Bild mit geschlossenem blutroten Theatervorhang immer noch zu lesen ist: „Die Nachricht schockiert: Man mag es nicht fassen…. „
Dieser Mann hat Großes geleistet… Mehr darüber erzählt uns nochmal Franco Bernard in seinem Artikel: „Zehntausende Menschen haben sich in der winzigen Arena (des Theaters in der Altstadt, Ndr) gedrängt. Nicht alle wussten, dass hinter vielen Aufführungen im Wesentlichen nur ein Mann stand, der von der Stückauswahl, der Organisation, der Regie bis zum Bühnenbau, zur Beleuchtung und zum anschließenden Reinigen der Klosetts alles selbst besorgte: Rudi, der Mann an der Kassa. Apropos Kassa: Die Eintrittspreise bei Rudi sind unschlagbar sozial. ‚Ich will, dass die Leute sich Kultur auch leisten können!’ Gesund ist so ein selbstausbeuterischer Job natürlich nicht. Rudi kam die ganze Woche nicht aus seinem Keller heraus, aß zu viel, ungesund und unregelmäßig, wurde immer beleibter und blasser. Bis er sich bei Filmaufnahmen ein Bein brach, als er einem Schauspieler etwas vorspielen wollte. Unbeweglichkeit war die Folge, aber die Zwangspause bot auch die Chance zu reflektieren.“ Dies war vor 10 Jahren. Rudi Ladurner blieb jedoch Rudi Ladurner, denn – und hier zitieren wir weiter die von seinem Theaterfreund Bernard geschriebenen Zeilen, setzen sie jedoch für diesen Nachruf in die Vergangenheit - „der Theatermacher spielte seine liebste Rolle selbst, nämlich den Advocatus Diaboli. Niemand schaffte es mit ihm zu diskutieren, ohne sogleich auf schärfsten Widerstand zu stoßen. Nichts mochte Rudi nämlich lieber, als konträre Positionen einzunehmen, als auf lustvollste Weise gestikulierend und in hohem Tonfall zu streiten. Ein Miesepeter? Im Gegenteil: Rudi war einer der freundlichsten und großzügigsten Menschen überhaupt. Wenn Leute zu spät zur Vorstellung kamen und das Theater schon voll war, pflegte er zu sagen: ‚Gehen’S nur hinein, wenn Sie was gesehen haben, zahlen’S danach!’
Das Theater in der Altstadt ist heutzutage „das“ Theater in Meran, denn im Stadttheater Puccini laufen gerade mal Tourneestücke, die von anderen Theatern oder Kulturvereinen organisiert werden. Richtig gutes Theater mit und für die junge (aber auch ältere) Generation, mit frischen, zeitnahen und teils auch von lokalen Autoren stammenden Texten wird in den vor dem nahen Passerwasser isolierten Kellerräumen gemacht. „Gemacht“ – in der besten Tradition des Altmeisters Franco Marini, der genauso unerwartet vor 5 Jahren auch in der Vorweihnachstszeit verstorben war. Kurz nach seinem Jennerwein, das soviel Zeitkritisches in vielen kleinen szenographischen Details gezeigt hatte, wie es bei den besten Avantgardestücken der Fall ist, denn – wie wir wissen - „der Teufel versteckt sich im Detail“… Das Jahresprogramm widerspiegelt(e) die vielen Seiten der Truppe, die sich rund um Rudi Ladurner geschart hatte, erst im November hatten sie ein interessantes Stück zur Persönlichkeit der in Russland ermordeten Journalistin Anna Politkovskaja und Rudi selbst hatte einen Heilig Abend schon mit Erfolg im Monat Mai inszeniert... Noch etwas soll gesagt werden: nicht selten waren sämtliche Vorstellungen schon im Voraus ausverkauft, und nicht nur weil die Räumlichkeiten eher klein sind! „Für das, was der Verstorbene für Südtirols Theater- und Kulturszene geleistet hat – haben auf sehr treffende Weise die Grünen geschrieben – „ ist ‚außerordentlich‘ ein nur schwacher Begriff. Wie Klaus Gasperi und Georg Kaser gehört er zu jenen Pionieren der 1970-er Jahre, die das Theater als Chance erkannt haben, um das enorme kulturelle Potenzial Südtirols in seiner Vielfalt zum Leuchten zu bringen. Dafür hat Rudi Ladurner weder Mühen noch Opfer gescheut und mit dem Theater in der Altstadt 1990 eine bleibende Wegmarke über Meran hinaus gesetzt. Vor allem war er Inspirator für eine jüngere Generation, die er mit Umsicht und Entschiedenheit aufgebaut hat.
Liebe Frau Reiter,
Liebe Frau Reiter, liebes Salto-Team
Als Tochter eines guten Freundes vom Rudi bin ich etwas erstaunt über den pietätlosen Ausdruck "vom Sensenmann abgeholt". Das ist weder respektvoll noch sehr eloquent.
Vielleicht möchten Sie diese Stelle noch ändern?
Mit freundlichen Grüßen
Mara Stampfl