Gesellschaft | Editorial

Salto generazionale

Auch an der Spitze von Salto.bz kommt es am Jahresanfang zu einem Wechsel. Lisa Maria Gasser wird die Redaktionsleitung übernehmen.
Tastatur
Foto: upi
Ich habe es schon zu oft gehört. 
Fast immer sind es ältere oder alte Männer in Führungspositionen, die darüber fabulieren, dass man den Jungen eine Chance geben müsse und dass es Zeit wäre, den Stab zu übergeben. Der Ton ist überzeugend und sehr oft ist es auch ehrlich gemeint.
Wirklich umgesetzt wird dieses Vorhaben dann aber nur selten. Das Sesselkleber-Gen in uns allen scheint eben stärker zu sein als Einsicht und Vernunft.
Es geht aber auch anders.
Mit Ende 2019 lege ich die Direktion und die Chefredaktion von Salto.bz zurück. Mit 2020 wird Lisa Maria Gasser die Redaktionsleitung und die presserechtliche Verantwortung für diese Onlineplattform übernehmen.
Das Sesselkleber-Gen in uns allen scheint eben stärker zu sein als Einsicht und Vernunft.
Es ist ein Schritt, der weder aus Verbitterung, Zorn oder aus irgendwelchen Unstimmigkeiten erfolgt, sondern aus Überzeugung. Der Wechsel ist seit langem geplant und mit dem Herausgeber, dem Verwaltungsrat und der Redaktion abgesprochen.
Als ich vor über drei Jahren die Redaktionsleitung übernahm, hatte ich ein klares Konzept vor Augen. Mein Ziel war es, Salto.bz redaktionell Struktur zu geben. Es ging mir darum, Arbeits- und Verwaltungsabläufe zu implementieren, wie sie in normalen Redaktionen zum Alltag gehören. Die Hierarchien sollten flach bleiben, aber die Verantwortung klar definiert sein. Jede/r gute Journalist/in oder jeder junge/r Enthüller/in braucht einen Chefredakteur, der oder die einem auch dann den Rücken frei hält, wenn man einen Fehler gemacht hat (so wie es uns allen manchmal passiert).
Nicht nur für mich war diese Aufgabe eine Herausforderung. Auch für den Herausgeber, die Geschäftsleitung und vor allem die Redaktion. Ich erlaube mir mit Stolz zu sagen, dass dieses Wagnis – auch durch die überzeugte Unterstützung von Demos 2.0-Präsidenten Max Benedikter und Salto-Geschäftsführer Uli Gutweniger – mehr als nur aufgegangen ist. Heute hat Salto.bz fünf festangestellte Berufsjournalistinnen und -journalisten und drei angestellte Mitarbeiter in der Verwaltung.
Vor allem aber zeigen uns die Klick- und Userzahlen und die Rückmeldungen, dass Salto.bz inzwischen zu einem ernstzunehmenden Player auf dem Südtiroler Medienmarkt geworden ist. Das ist für mich und uns alle die größte Genugtuung.
 
Schon bei der Übernahme der Redaktionsleitung habe ich meinen Herausgeber gesagt, dass ich mich nur als „Übergangslösung“ sehe. Ich habe deshalb immer nur eine einjährigen Leitungsauftrag angenommen und diesen mehrmals verlängert. Gleichzeitig habe ich insistiert, dass man eine Person für diese Rolle sucht, die geeigneter ist.
Ich bin 55 Jahre alt und ohne Computer aufgewachsen. Als ich meine ersten journalistischen Versuche unternahm, wurden Zeitungen noch „gesetzt“. Ich glaube, etwas von Journalismus zu verstehen und es ist mir in den vergangenen 30 Jahren gelungen, ein Netz von herausragenden Informanten und Informantinnen aufzubauen, die meinen beruflichen Status maßgeblich mitgeprägt haben.
Was den Online-Journalismus anbelangt, komme ich aber aus der Steinzeit. Jeder Neunjährige kennt sich heute besser aus als ich.
Auch ich habe viel bei Salto.bz gelernt. Dennoch ist mir diese virtuelle Welt in allzu vielen Punkten noch immer in vielen Bereichen fremd.
So kann und will ich etwa nicht verstehen, wie man „anonymen Wixern“ (ja, das ist eine bewusste Beschimpfung und die Helden der Tastatur – laut ihren Pseudonymen sind es vorwiegend Männer – werden sich dazu sicher noch ausgiebig zu Wort melden), denen sogar die Zivilcourage abgeht, die eigenen Belanglosig- und Stumpfsinnigkeiten mit Klarnamen zu unterzeichnen, soviel Platz, Beachtung und Geduld schenken kann.
Ich sehe mich als Kind der Aufklärung. Dort gehen Freiheit und Verantwortung Hand in Hand. Mein Credo: Wer für seine Meinungsäußerung eine virtuelle Online-Burka reklamiert, sollte lieber den Beichtstuhl benutzen als die Kommentarfunktion.
Sie sehen: Ich bin für diese Welt wirklich zu alt.
 
 
Salto.bz ist das jüngste Produkt am Südtiroler Pressehimmel und es bedarf allein deshalb einer jungen Redaktionsleitung. Es braucht einen Direktor und eine Chefredakteurin, die in dieser neuen Welt aufgewachsen und online-affin sind.
Der Herausgeber hat in Absprache mit der gesamten Redaktion jetzt Lisa Maria Gasser dafür ausgewählt, und Lisa hat sich entschieden, diese Herausforderung anzunehmen.
Die 30-jährige Seiserin hat ihre journalistische Laufbahn vor Jahren bei Salto.bz als Sommerpraktikantin begonnen. Sie kennt als zentrales Mitglied der Redaktion damit alle Sonnen- und Schattenseiten des Projekts und sie ist Teil der Mann- und Frauschaft, die Salto.bz zu dem gemacht hat, was es heute ist. Lisa Maria Gasser gehört – wie auch diese Onlineplattform – einer anderen Generation an und allein das wird Salto.bz frischen Wind einhauchen.
Dass mit Lisa eine junge Frau die Redaktionsleitung übernimmt, freut mich ganz besonders. Denn eine weitere Chefredakteurin tut der männerdominierten Führungsetage der Südtiroler Medienlandschaft nur allzu gut.
Ah, endlich ist der Franceschini weg!
Es wird jetzt sicher Einige im Land geben, die aufatmen werden: Ah, endlich ist der Franceschini weg!
Ich muss diese Neujahrsfreuden aber leider enttäuschen. Denn der Franceschini wird weiterhin für Salto.bz arbeiten. Als Redakteur. Mit einem einzigen Unterschied.
Durch den Wegfall der Leitungsaufgabe werde ich wieder mehr Zeit für die Recherche und das Schreiben haben. Und ich versichere Ihnen, dass ich diese Zeit zu nutzen weiß.
In diesem Sinne Ihnen und Salto.bz ein gutes und spannendes neues Jahr.