Politik | Eppan
"Das ist eine andere SVP"
Foto: Privat
Salto.bz: Herr Mayr, wie kann ein kritischer Mensch für die SVP bei Wahlen als Spitzenkandidat antreten?
Wolfgang Mayr: Ich darf eine Gegenfrage stellen: Ist es ein Verrat, wenn man bei einer demokratischen Wahl antritt, bei der die Bürger zwischen vier oder fünf Kandidaten entscheiden können?
Sie wurden bisher eindeutig dem alternativen und grünen Lager zugerechnet. Deshalb darf man sich über diesen politischen Frontenwechsel zumindest wundern. Oder?
Für mich stellt sich die Frage, welche Front ich hier gewechselt haben soll. Als Journalist in die Politik? Vielleicht ist das der Frontenwechsel.....
Mit Verlaub, Sie gehörten 1988/89 immerhin zu den Gründern der damaligen Eppaner Grünen Liste?
Ja, und darauf bin ich auch stolz. Ich habe den Funktionären der SVP auch offen gesagt, dass ich auch heute noch an all das glaube, was wir damals gefordert haben. Basisdemokratisch und ökosozial. Also ich habe meine Überzeugungen nicht über Bord geworfen.
Sie sagen, die SVP hat sich seitdem verändert?
Ja. Die Eppaner SVP ist nicht mehr dieselbe wie vor 30 Jahren. Zumindest mit den Menschen, mit denen ich zu tun hatte, das heißt die Wahlkampftruppe und die Gemeinderatsfraktion, das sind aufgeklärte und aufgeschlossene Menschen des 21. Jahrhunderts. Also ich kann hier keine alte Volkspartei erkennen.
Die Eppaner SVP ist nicht mehr dieselbe wie vor 30 Jahren.
Der amtierende Bürgermeister Wilfried Trettl ist in Eppan sehr beliebt, die SVP hat bei den vergangenen zwei Gemeinderatswahlen deutlich gegen die Bürgerliste verloren. Dazu kommt mit Felix von Wohlgemuth ein starker grüner Bürgermeisterkandidat. Ist Ihre Kandidatur nicht ein aussichtsloses Unterfangen?
Es ist in einer Demokratie immer so, dass man gegen seine Mitkonkurrenten gewinnen muss. Der amtierende Bürgermeister hat durch sein Amt einige Bonuspunkte. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Entscheidungen und Bereiche, wo man ihn angreifen kann. Das ist die Demokratie. Es gibt mehrere Möglichkeiten, und am Ende gewinnt man oder man verliert.
Sie wollen Eppaner Bürgermeister werden?
(lacht) Ich kandidiere für das Amt des Bürgermeisters.
Um möglicherweise am Ende Vizebürgermeister oder Referent zu werden?
Nein. Angenommen, es geht sich nicht aus und es kommt wieder zu einer ähnlichen Koalition zwischen der Bürgerliste und der SVP, wie sie derzeit besteht, dann werde ich sicher nicht in den Gemeindeausschuss gehen. Ich werde für die SVP aber im Gemeinderat sitzen. Denn das bin ich meinen Wählerinnen und Wählern schuldig.
Weil Sie als RAI-Journalist weiterarbeiten wollen?
Ja. Ich werde danach als Gemeinderat tätig sein und sonst weiterhin meinem Job nachgehen. Genauso wie auch Sie persönlich es in Eppan zehn Jahre lang gemacht haben.
Wenn jemand der Meinung ist, ich sei ein Verräter, dann werde ich damit leben können.
Verstehen Sie den Vorwurf, dass sich das Regime in Ihrem Fall wieder einmal einen kritischen Geist eingemeindet hat?
Nein. Denn ich bin nicht eingemeindet worden. Ich wurde gefragt, ob ich das machen möchte. Danach habe ich mir mehr als einen Monat Bedenkzeit erbeten und verschiedenste Gespräche geführt. Am Ende habe ich mich dann für die Kandidatur entschieden. Also wenn schon, dann ist es eine freiwillige Eingemeindung. Ich habe mich freiwillig der SVP angeschlossen.
Es ist auch bekannt, dass man innerhalb der Eppaner SVP mehr streitet als arbeitet. Keine Angst, hier verheizt zu werden?
Ich habe die Eppaner SVP völlig anders kennengelernt. Als eine Gruppe von Menschen, die sehr viel miteinander machen, die viel gemeinsam arbeiten und in verschiedenen Arbeitsgruppen wirklich gute Ideen entwickeln. Etwa in den Bereichen Mobilität oder Raumordnung.
Auch für die Gemeinderatswahlen gilt in den öffentlichen Medien die Par-Condicio-Regelung. Die RAI ist hier besonders streng. Das heißt: Sie werden in den nächsten Wochen aus dem Äther verbannt?
Ich glaube, diese Regelungen treten einen Monat vor der Wahl in Kraft. Zudem muss man abklären, ob ich überhaupt hier hineinfalle. Nachdem ich keine aktuelle politische Berichterstattung mache, muss man schauen, was die Hausordnung und das Gesetz hier vorschreiben.
Die ersten Reaktionen nach dem Bekanntwerden Ihrer Kandidatur?
Großteils sehr positiv, mit einigen wenigen kritischen Stimmen. Aber es passt.
Auf Facebook werden sie als „Verräter“ oder „Wendehals“ beschimpft?
Das sind die üblichen Schreier. Das gehört dazu, und ich möchte diese unqualifizierten Äußerungen nicht weiter kommentieren. Was mich aber schon trifft: Da unterstellen mir einige, die ich nicht kenne und die auch mich nicht kennen, ich würde nur kandidieren, um irgendwelche Geschäfte zu machen. Die Vorwürfe werden anonym gemacht. Ich finde das wirklich unappetitlich. Aber was soll’s. Wenn jemand der Meinung ist, ich sei ein Verräter, dann werde ich damit leben können.
Was würden Sie als Erstes umsetzen, wenn Sie Bürgermeister von Eppan werden?
Die Nutzung der Mercanti-Kaserne ist eine brennende Frage. Es geht hier mitten im Dorf um viel Grund und Boden. Mich würde interessieren, was die „Michaeler“ (Bewohner von St. Michael – Anmerkung des Autors) wollen. Ob man dort das Zivilschutzzentrum will oder ob es eine Naherholungszone werden soll. Das muss man endlich klären. Dazu kommt die Mobilität. Das Tram-Referendum in Bozen ist zwar in die Hosen gegangen, aber dennoch soll man über eine S-Bahn Bozen-Kaltern und vielleicht weiter ins Unterland nachdenken. Wenn es anderswo funktioniert, warum soll es bei uns nicht gehen?
Eppan verkommt immer mehr zum Bettendorf für die Landeshauptstadt. Damit steigen die Wohnungs- und Mietpreise in den Himmel?
Das ist für mich eine der entscheidenden Fragen. Mir geht es um leistbares Wohnen. Viele junge Menschen können sich eine Wohnung in Eppan nicht mehr leisten. Der Druck aus Bozen ist einfach zu hoch. Das heißt, die Gemeindepolitik muss sich fragen, was man hier konkret tun kann. Allgemein geht es mir aber auch darum, alles, was gut war, zu erhalten. So wie es Alexander Langer immer gesagt hat: „Macht weiter, was gut war“.
Die Frage ist, was ist in Eppan gut?
Dass man den Montiggler Wald schützt und nicht als stille Landreserve sieht, die man jederzeit opfern kann. Oder dass man die wunderschöne Kulturlandschaft weiterhin erhält und nicht jedes Jahr mehr zubetoniert.
Die grüne Bürgerliste „Pro Eppan/Per Appiano“ ist in Eppan traditionell sehr stark. Würde ein Bürgermeister Wolfgang Mayr die Zusammenarbeit mit der Opposition suchen?
Ja logisch. Im Gemeinderat geht es um Sachpolitik, und da bedarf es doch keiner brutalen Frontenstellung. Mir scheint es sinnvoller, dass man sich im Vorfeld von Entscheidungen zusammensetzt, auch hart diskutiert und am Ende nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner findet, sondern wirklich eine Lösung, die man gemeinsam umsetzen kann.
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Der Wähler in den Gemeinden
Der Wähler in den Gemeinden möchte mehr "Macher" und weniger "Ratscher".
Aber leider ist landesweit das Angebot zur Auswahl wohl eher umgekehrt.
Lieber Wolfgang,
Lieber Wolfgang,
die Abschiedsworte von Alexander Langer im Zusammenhang mit Eppaner SVP-Kommunalpolitik zu gebrauchen - oder treffender, zu missbrauchen - finde ich sehr, sehr unangemessen (und jetzt bin ich noch nett!).
LG Felix
Liebe Eppaner,ihr werdet doch
Liebe Eppaner,ihr werdet doch hoffentlich nicht eine Fahne im Wind wählen?
Ich finde die Bezeichnungen
Ich finde die Bezeichnungen "Verräter" usw. als komplett unangemessen. Ich betrachte es hingegen als wunderbar und bereichernd wenn gemäßigte und kompetente Persönlichkeiten - oder Menschen mit einem gewissen Weitblick - sich der Wahl stellen ... auch in der SVP. Ich wünsche Herrn Mayr viel Glück.