Wirtschaft | Zwischenruf

Verantwortung & klingende Kassen

Handelskammerpräsident Michl Ebner vermischt seine Privatinteressen und sein Amt, so als ob nichts wäre. Auch das macht das Coronavirus deutlich. Update: Ebners Antwort.
Ebner, Michl
Foto: Handelskammer Bz
Der Aufschrei erfolgte am vergangenen Samstag.
Am Donnerstagabend ließ das deutsche Robert-Koch-Institut die Bombe platzen: Südtirol wurde gemeinsam mit den roten Zonen in der Lombardei und dem Veneto zum Risikogebiet erklärt.
Dies ist unnütze Hysterie“, polterte Michl Ebner 36 Stunden später in einer Stellungnahme über seine Medien. Der Handelskammerpräsident forderte offiziell vom Robert-Koch-Institut, die Lage in Südtirol neu zu bewerten. „Diese Einstufung Südtirols als Risikogebiet entbehrt jeglicher Grundlage, wir fordern eine Neubewertung und haben bereits in diesem Sinne beim Robert Koch Institut interveniert“, informierte der Präsident der Handelskammer Bozen Michl Ebner am vergangenen Samstag die Südtiroler Öffentlichkeit. Unverantwortlich sei es ebenso, dass das deutsche Außenministerium eine Reisewarnung gegen Südtirol-Aufenthalte ausgesprochen habe.
Michl Ebner gefällt sich sichtlich als Herold und Verteidiger der Südtiroler Wirtschaft. Es ist eine Rolle, die er als Handelskammerpräsident mit besonderem Engagement ausfüllt. Periodisch interveniert er gegen die ebenso unsinnigen Nordtiroler Maßnahmen gegen den Transitverkehr, die Südtirols Wirtschaft anscheinend nachhaltigen Schaden zufügen.
Michl Ebners Einsatz gilt der Allgemeinheit. Als Präsident einer öffentlichen Körperschaft, mit Steuergeld wie ein Landesrat bezahlt, dient der Kopf und Besitzer des Athesia-Konzerns natürlich ausschließlich dem Gemeinwohl. Eine edle Geste.
Wäre da nicht die andere Seite. Denn nur wenige Zeitungsseiten weiter findet man am vergangenen Wochenende in den Zeitungen des Athesia-Konzerns ganzseitige Inserate für das Skigebiet Schnals.
 
 
Es hat geschneit und es herrschen perfekte Pistenverhältnisse“, heißt es in dieser Werbung, „Holt die Bretter raus und kommt zu uns nach Schnals“. Die Werbung der Schnalstaler Ski-Arena, die schon Tage vorher gestartet ist, richtet sich dabei zielsicher an die Kinder. „Wir haben das perfekte Angebot für ein paar freie Tage“, heißt in den Annoncen. Bis zum 15. März bekommen Kinder und Jugendliche einen Gratis-Skipass bei den Schnalstaler Gletscherbahnen, zusätzlich einen Gutschein für ein 10-Euro Mittagessen.
Das Angebot gilt aber nur, wenn sie von einem „zahlenden Elternteil“ begleitet werden.
Trotz oder gerade wegen der Meldung des Robert-Koch-Institutes wurde die Werbung am vergangenen Wochenende massiv platziert.
Wenn man weiß, dass die Schnalstaler Skiarena zum Athesia-Konzern gehört, dessen Direktor und Hauptaktionär (über die Familienholding „E & E Holding GmbH“) Michl Ebner ist, dann muss man sich fragen, ob die Intervention des Handelskammerpräsidenten beim renommierten deutschen Seucheninstitut wirklich im Dienst der Allgemeinheit stand. Oder stehen hinter dem Aufschrei der Empörung vielleicht die Privatinteressen und wirtschaftlichen und finanziellen Begehrlichkeiten eines Südtiroler Großunternehmers?
Dass sich niemand diese Frage öffentlich zu stellen getraut, sagt einiges über das System Südtirol aus.
Dass sich niemand diese Frage öffentlich zu stellen getraut, sagt einiges über das System Südtirol aus.
Keine drei Tage später ist alles anders. Alle Liftanlagen und Skigebiete stehen von Amts wegen still. Die Schnalser-Kinderaktion ist damit verpufft. Südtirol ist längst rote Zone. Und der Handelskammerpräsident?
Hat er das Entschuldigungsschreiben an das Robert-Koch-Institut schon aufgesetzt.
Oder zählt er immer noch die Einnahmen aus Schnals?

Update: 17.20 - Der Kommunikationsverantwortliche der Athesia AG, Elmar Pichler Rolle ließ uns folgende Stellungnahme zukommen, die wir gerne veröffentlichen.
 

Das sind die Fakten

 
Die Stellungnahme von Dr. Michl Ebner erfolgte am Samstag, 7. März, und zwar als Reaktion auf die Einstufung Südtirols als Risikogebiet durch das Robert-Koch-Institut - vorgenommen zwei Tage zuvor. Zu dem Zeitpunkt (5. März) hatte es in Südtirol gerade einen (!) bestätigten Corona-Virus-Fall gegeben. Die Einstufung war daher nicht nachvollziehbar.
Was weder die Öffentlichkeit noch Dr. Ebner zu dem Zeitpunkt wussten, war, dass es in einigen vornehmlich touristisch geprägten Gemeinden Südtirols in der östlichen Landeshälfte offensichtlich bereits massive Probleme mit dem Corona-Virus gab.
Derlei Unterstellungen zu verbreiten und Zusammenhänge zu erfinden, ist verantwortungslos. 
Am Samstag, 7. März, am gleichen Tag der Stellungnahme von Dr. Ebner, erließ die Staatsregierung eine Notverordnung. Dort stand unter Artikel 3, Buchstabe g): „Gemeinden und Gebietskörperschaften sowie Sport- und Kulturvereinen wird empfohlen, alternative Angebote für Einzelpersonen, nicht für Gruppen, für Tätigkeiten im Freien anzubieten, unter der Auflage, dass es zu keinen Menschenansammlungen kommt und unter Einhaltung der übrigen Auflagen des Dekretes.“
Wohlgemerkt: Zu diesem Zeitpunkt gab es für die Aufstiegsanlagen in Südtirol, mit Ausnahme von 6 Gemeinden, keine Einschränkungen. Dennoch hatten die Gletscherbahnen, wie andere Bahnen in Südtirol auch, Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet, wie die Reduzierung der Förderleistung, regelmäßige Desinfektionen und die Einhaltung der empfohlenen Mindestabstände.
Als am Sonntagabend, 8. März, der Verband der Seilbahnunternehmer aufrief, alle Südtiroler Aufstiegsanlagen sollten ab Dienstag, 10. März, freiwillig den Betrieb einstellen, stimmten die Schnalstaler Gletscherbahnen am Montag zu, in Absprache mit den übrigen Partnern der Ortler Ski Arena.
Das sind die Fakten.
In einer sehr schwierigen Zeit, in der mitunter die Existenz von Unternehmen und Arbeitsplätzen bedroht ist, derlei Unterstellungen zu verbreiten und Zusammenhänge zu erfinden, ist verantwortungslos.