Gesellschaft | Erfahrungsbericht-"Ich bin lesbisch"

Laura: langhaarig, weiblich, lesbisch

Sie küssen sich, wenn niemand hinschaut. Sie berühren sich heimlich, damit wir SüdtirolerInnen nicht erschrecken. Laura Barretta erzählt ihre Geschichte, die ganz normal ist. Und doch ganz besonders.

Laura Barretta ist 32 Jahre alt, von Beruf Graphikerin. Ihr Coming-Out hatte sie mit 24 Jahren. Aufgewachsen in München, wo anders sein nicht auffällt, anonym sein, schützt, wo lesbisch sein keine Krankheit ist, „ja, das hat mich stark gemacht, und offen“, sagt Laura.

Kurz nachdem sie ihre Zelte hier in Südtirol aufgeschlagen hatte, das war 2005, kam es zu einem Erlebnis. Sie beschreibt es als „cruciale“, ein entscheidender Moment. „Ich war in einer Diskothek mit meiner Freundin. Wir haben uns geküsst, das Normalste für mich. In der Diskothek waren auch Fotografen, sie haben uns fotografiert und das Foto auf eine Webseite gestellt. Das Foto war monatelang das Meist angeklickte.“ Doch damit nicht genug. In der Uni zeigte man mit dem Finger auf sie, und sagte „ah, das bist ja du, la lesbica più bella dell'università.“

Über die vielen Arten lesbisch zu sein, lesen Sie im Standard.

Vorsicht beim Küssen
Mit Rollenbildern brechen. Als lesbische Frau. Als lesbische Frau, die ein feminines Äußeres hat. „Ich habe lange Haare." Laura macht eine Pause, die das untermauern soll, was sie eben gesagt hat. Lange Haare. Pause. Dann führt sie doch selbst aus: "Normalerweise stellen sich Leute, Lesben anders vor.“ Kurze Haare, korpulenter Körperbau, "Killerlesben“ eben. Mit diesem Bild ist Lauras Auftreten nicht kompatibel. Frau muss sich anpassen, in Südtirol, Mann auch. „C'è molta gente non dichiarata. Perché si vede, che l'omosessualità viene trattata come una vergonga. Molte persone sentono questo.“ Die Ablehnung, das Nicht-Annehmen, das sei ständig spürbar. Für schwule Männer mehr, als für lesbische Frauen. „Wenn Mädchen Händchen haltend durch die Stadt gehen, sich durchs Haar streichen, ja wenn sie sich beim Treffen küssen, all das fällt den Leuten weniger auf, als wenn es zwei Männer machen.“ Ist lesbisch sein also einfacher?

„Sì, è più facile per le donne. Io comunque me ne frego“, sagt Laura entschlossen. „Essendo cresciuta in una città ho la libertà dentro.“ Doch die Freiheit hat Grenzen, das weiß Laura seit sie Südtiroler Boden betreten hat. Hier herrschen andere Gesetze: „A Monaco baciavo la mia ragazza anche in strada, qui sto più attenta. Valuto la situazione, se posso baciare o no.“

„A Monaco baciavo la mia ragazza anche in strada, qui sto più attenta. Valuto la situazione, se posso baciare o no.“

Wie Knödlessen
Das Outing vor ihren Eltern? Laura lacht und erinnert sich. „Per mia mamma era come se dicessi: 'Oggi mangiamo i canderli agli spinacci. Molto normale. Mio padre invece era molto più curioso. Mi faceva delle domande esplicite, voleva capire. Anche le mie esperienze sessuali lo interessavano.“ Die Rückendeckung durch ihre engsten Angehörigen sind für Laura, die als Vizepräsidentin für den Verein Centaurus tätig ist, wesentlich.  Über alles sprechen können, sich nicht verstecken müssen, auch bei ihrer Arbeitsstelle handhabt sie es so: Normal reden, über ihr Leben. Das normal ist. „Se vado a mangiare una pizza con la mia ragazza, dico che sono stata a mangiare una pizza con la mia ragazza. Non mi nascondo. Non dico delle bugie. Questo secondo me è il comportamento più saggio nei confronti degli altri.“

Die Beratungshotline für lesbische Frauen in Südtirol läuft heiß. Immer mehr Mädchen und Frauen holen sich Hilfe. Die Saffo-Frauen sind am Donnerstag Abend von 20 bis 22 Uhr telefonisch zu erreichen unter: 0471 97 63 42 oder per E-Mail: [email protected]

Und ja, natürlich, so offen ihre Eltern auch reagiert haben, „c'era lo shoc iniziale.“ Mit dem Outing bricht eine Welt aus Vorstellungen zusammen: Die Tochter vor dem Traualtar, ein netter Schwiergersohn, das Aufwachsen-Sehen der Enkelkinder. „Si parte ancora dal presupposto che una persona è eterosessusale.“ Für Laura stellt sich die Frage der Heirat momentan nicht, ihr Leben stimmt gerade so. Doch, dass die Rechte für Homosexuelle und lesbische Paare hierzulande nicht gleich sind, das ist ein Fakt. Und dann sagt Laura etwas, das in Homosexuellen Kreisen verbreitet ist: „Se io dovessi avere dei figli, non vorrei farli crescere in Italia. Io come persona adulta posso difendermi da certi pregiudizi. Ma un figlio.....“

Laura weiß, die Grenzen in Südtirol sind eng gesteckt. Noch sind sie akzeptabel für sie, doch wie lange noch?