Chronik | Konsequenzen

U-Ausschuss und Rücktritt?

Die Opposition fordert einen U-Ausschuss, um die von salto.bz aufgedeckten Masken-Affäre aufzuklären. Zugleich werden Rücktrittsforderungen gegen Florian Zerzer laut.
Zerzer, Florian
Foto: LPA

Die Enthüllungen von salto.bz über die mangelhaften Masken, die vom Südtiroler Sanitätsbetrieb über die Oberalp Gruppe aus China bezogen und trotz negativer Gutachten deutscher und österreichischer Prüfstellen eingesetzt werden, hat nicht nur für ein weltweites Medienecho gesorgt. Sondern zieht nun erste Konsequenzen mit sich.

Während Vorerhebungen der Staatsanwaltschaft angelaufen sind – aufgrund zweier Anzeigen vom italienischen Verbraucherschutzverbund Codacons und einer nationalen Krankenhausärzte-Gewerkschaft –, fordert die Opposition nun die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Landtag, um alle Hintergründe lückenlos aufzuklären. Der Antrag darauf stammt von Sven Knoll (Südtiroler Freiheit) und wird von Grünen, Freiheitlichen, Team K und Movimento 5 Stelle mitgetragen. “Anstatt die Masken sofort einzuziehen ─ so wie man dies in Österreich gemacht hat ─ werden die fehlerhaften Masken bis heute in den Krankenhäusern verwendet und nun auch noch an Altenheime verteilt. Ärzte und Pflegekräfte, aber auch die Bewohner in den Heimen werden damit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt”, kritisiert Knoll.

Im Fokus der Ermittler und der gesamten Vorgänge steht Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer. Nach Informationen von salto.bz hat er versucht, das negative Gutachten geheim zu halten bzw. dessen Existenz zu vertuschen. “Angesichts dieser ungeheuerlichen Vorfälle ist Florian Zerzer nicht länger tragbar und rücktrittsreif”, findet Sven Knoll. Eine Rücktrittsforderung kommt auch von Team K. Dort spricht man von einem “Vertrauensbruch gegenüber den Angestellten und Patienten der Sanität, sowie der Südtiroler Bevölkerung”, den Zerzer begangen habe und kündigt zugleich an, selbst bei der Staatsanwaltschaft als auch beim Rechnungshof eine Anzeige bzw. Eingabe machen zu wollen. Auch die Jungen Grünen fordern Zerzer auf, nach Beendigung des Ausnahmestands, der für Italien am 31. Jänner für sechs Monate ausgerufen wurde, zurückzutreten. Brigitte Foppa, Fraktionssprecherin der Grünen im Landtag meint: “Generaldirektor Zerzer muss zur Verantwortung gezogen werden. Schließlich erhalten Führungskräfte in seiner Position auch die entsprechend hohen Gehälter – um Verantwortung zu übernehmen.”

Bei der Medienkonferenz am Dienstag Nachmittag wird auch Landeshauptmann Arno Kompatscher auf die Causa angesprochen. Er wisse von den Vorerhebungen der Staatsanwaltschaft, sagt er und beruft sich auf Gesundheitslandesrat Thomas Widmann. Der habe bestätigt, dass die Masken in jenen Bereichen, wo sie eingesetzt werden – aufgrund der Mängel sollen sie laut Aussagen des Sanitätsbetriebs z.B. nicht auf Intensivstationen zum Einsatz kommen – korrekt verwendet würden und ausreichend Schutz böten.

Für Konsequenzen vonseiten der Landesregierung sieht der Landeshauptmann momentan keine Notwendigkeit. “Um Maßnahmen zu setzen, müssen erst einmal irgendwelche Verfehlungen festgestellt sein.” Aufgrund der Vorwürfe, die gegen Generaldirektor Zerzer im Raum stehen, habe man ihn aufgefordert, “klar Stellung zu nehmen”. Und einen Untersuchungsausschuss zu fordern, so Kompatscher weiter, sei “das Recht des Landtages”. “Falls es einen geben wird, wird dieser alle Fragen stellen und alle Antworten einfordern, die notwendig sind.”

Laut Geschäftsordnung des Landtags muss der Landtagspräsident einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wenn mindestens ein Viertel der Landtagsmitglieder einen solchen beantragen. Diese Vorgabe wurde mit den 14 Unterschriften von STF, Freiheitlichen, Grünen, Team K und Movimento 5 Stelle bereits erreicht.

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Adalbert Stifter Mi., 08.04.2020 - 20:34

Ich weiß nicht, warum mir bei dieser Geschichte folgende Sage in den Sinn kommt:

"WIE DIE VINSCHGAUER ZU LÜGNERN WURDEN
Als der Herrgott den Vinschgau erschuf, wollte er ein besonders herrliches Werk ausführen. Er umgab das Tal mit den höchsten Bergen, breitete dazwischen eine fruchtbare Ebene aus und beschenkte das ganze Gebiet mit einer besonders guten Luft. Dem schönen Land entsprechend, setzte er die besten Leute hinein: die Vinschger. Sie waren "gerade Michl" und grundehrliche Menschen. Aus lauter Neugierde zogen einige von ihrer Heimat fort, hinaus in die Fremde. Als sie heimkehrten, brachten sie das Laster der Lüge mit. Ein Laster, dem die Vinschger bisher durchaus nicht gefrönt hatten. Darum versammelten sich die Ältesten des Gaues, riefen die Heimkehrer vor Gericht und zogen sie zur Rechenschaft. Die Lügner aber verteidigten sich, indem sie sprachen: "Draußen in der Welt blieb uns nichts anderes übrig, als das Lügen zu lernen, die Leute vertrugen die Wahrheit nicht." Daraufhin wurden die Angeklagten vom Gerichtshof scharf getadelt, weil sie nun das Lügen auch in den Vinschgau eingeschleppt hatten. Zudem wurde beschlossen, daß jeder Vinschgauer, der im Sinne hatte, auszuwandern, vorher das Lügen erlernen mußte, damit er dann in der Fremde weiterkäme. Zu diesem Zwecke wurden eigene Kurse eingeführt.

Quelle: Winkler Robert, Volkssagen aus dem Vinschgau. Bozen 1968. S. 257"

Mi., 08.04.2020 - 20:34 Permalink
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Sepp.Bacher Do., 09.04.2020 - 09:26

Antwort auf von Adalbert Stifter

Wenn ich mich nicht irre, gab es in Vergangenheit auch Wettbewerbe, wer die beste Lüge hätte. Es gewann der, der sagte, als Vinschger würde er nie lügen.
Als ich in Meran in der Lehre war und im Lehrlingsheim wohnte, musste ich als Psairer mir immer wieder sagen lassen, woasch schun, Vinschger Lugner und Psayrer Huarn! Das waren die fixen Vorurteile, die es in den Sechziger-Jahren in Meran gab. Und die Vinschger protestierten auch nicht sonderlich dagegen.
Einmal erklärte mir einer, dass es nicht stimme, dass die Vinschger lügen, sondern sie würden nur nicht die Wahrheit sagen, und was der Unterschied sei - eben die Wahrheit zurückhalten (bei Zerzer wohl im Archiv!).

Do., 09.04.2020 - 09:26 Permalink
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Günther Alois … Do., 09.04.2020 - 09:58

Herr Zerzer hat heute früh im Morgeninterwiew-RAI Radio 7:15(wurde gestern Abend aufgezeichnet laut Rai) verzweifelt verlauten lassen,er hätte die E-mails nur archiviert??? Ich muss nur noch lachen-sorry,gleichzeitig hat er aber zugegeben,er hätte die bestimmten Leute angerufen und bestimmte gebeten die Angelegenheit intern ,diskret zu behandeln,was immer das sein mag??? Zudem hat er alles richtig gemacht,der Arme ist ja so unter Druck!!! Von Rücktritt keine Spur,wenn er etwas falsch gemacht hätte,würde er sich der Verantwortung stellen,das muss er zum Glück,sollten noch mehr Vertuschungen aufkommen.

Do., 09.04.2020 - 09:58 Permalink
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Andreas gugger Do., 09.04.2020 - 10:14

Wer sind denn die anderen im Geheimbund? haben die auch bereits alles schön im Archivordner maschera archiviert? die zeitliche Abfolge ist sehr verwirrend.

Do., 09.04.2020 - 10:14 Permalink
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Georg Holzer Do., 09.04.2020 - 11:30

Alle Politiker, Landesangestellten und Mitwissenden dieser Vertuschung der Gutachten und der Verteilung der unbrauchbaren Masken sollen auch "archiviert" werden oder sollen wir in Zukunft noch Vertrauen haben in solche Leute die uns belügen und sie auch noch dafür bezahlen, dass sie uns für blöd verkaufen?

Do., 09.04.2020 - 11:30 Permalink
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Karl Egger Do., 09.04.2020 - 11:48

Ich kann mir ebenfalls kaum vorstellen, dass hier der LH, sowie der zuständige LR nicht zumindest mitwissend waren, vermutlich sogar Anordnungen gegeben haben. Klar ist das reine Spekulation und es wird Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein dies zu ermitteln, aber meistens stinkt der Fisch vom Kopf. Vermutlich wird hier ein Bauernopfer gesucht, wie schon im Fall Schael mit der Versicherung (war ebenfalls hier auf Salto nachzulesen).

Do., 09.04.2020 - 11:48 Permalink
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ceteris paribus Do., 09.04.2020 - 11:51

Das Rai Interview war m.M.n. keines der guten Sorte: wenig kritische Fragen, kein Einhaken auf die Ausflüchte. Wer war in der genannten Telefonkonferenz dabei, warum wurde das Schreiben nachträglich protokolliert und vor allem: waren Landesrat und/oder LH eingeweiht...?

Ein Interview das mehr Fragen offen lässt, als es klärt, ist kein gutes Interview.

Franceschini und seine whistleblower bleiben wohl allein auf weiter Flur.....

Do., 09.04.2020 - 11:51 Permalink