Politik | Masken-Affäre

Demaskierung aus Innsbruck

Ein Schreiben der Leiterin des Departements für Hygiene an der Uniklinik Innsbruck zeigt, mit welchen Taschenspielertricks Zerzer & Co in Sachen Schutzmasken arbeiten.
Uni Klinik Innsbruck
Foto: Tirol Kliniken
Es sind Sätze, die wie ein Vorschlaghammer wirken.
„Ich sehe mich gezwungen, eine sofortige Gegendarstellung zu verlangen“, steht in dem Schreiben, das vor acht Tagen an den Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer und an den Geschäftsführer der Oberalp Group Christoph Engl ging. Ganz am Ende heißt es dann: „Es tut mir leid, aber zu meinem eigenen Schutz habe ich einen Anwalt eingeschaltet“.
Die Sätze stammen aus einer Mail, die der Tiroler Aufdecker Markus Wilhelm am Dienstag auf seinem Blog „dietiwag.org“ veröffentlicht hat. Die Verfasserin des Schreibens ist die Innsbrucker Primarin und Direktorin der Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie an der MedUni Innsbruck, Cornelia Lass-Flörl.
Das jetzt an die Öffentlichkeit gelangte Schreiben macht deutlich, dass die Spitze des Südtiroler Sanitätsbetriebes nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die eigenen Mitarbeiter buchstäblich an der Nase herumgeführt hat. 
Es geht dabei um die von Salto.bz in der vergangenen Woche aufgedeckte Maskenaffäre.
 

Erfundene Überprüfung

 
Am vorvergangenen Montag hat Salto.bz ein Gutachten des Wiener Amtes für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT)  sowie ein Gutachten der deutschen Prüfinstitutes DEKRA veröffentlicht, die beide zu einem eindeutigen Schluss kommen: Die von Oberalp nach Südtirol gelieferten Schutzmasken weisen mehrere problematische Schwachstellen auf und sie entsprechen keineswegs dem, was der Sanitätsbetrieb des Landes bestellt und auch bezahlt hat.
 
 
Der Sanitätsbetrieb nimmt am späten Nachmittag (17.48 Uhr) desselben Tages offiziell zu den Salto-Enthüllungen Stellung. In einer Pressemitteilung mit dem Titel „Sicherheit der Mitarbeiter oberstes Ziel“ heißt es wörtlich:
 
„Die Zertifikate der Schutzausrüstungen wurden unter anderem von der Universitätsklinik Innsbruck (Prof. Christian Wiedermann) überprüft und deren Validität bestätigt. Der Standard der Schutzausrüstungen hat effektiv den gelieferten Produkten entsprochen.“

Am selben Abend folgt eine lange Stellungnahme der Operalp Group. Auch dort heißt es:
 
„Die Güte dieser Dokumente wurde von der Universitätsklinik Innsbruck geprüft und die Produkte nachfolgend für die Verwendung freigegeben.“
 
Noch am selben Abend verschicken Generaldirektor Florian Zerzer, Sanitätsdirektor Pierpaolo Bertoli und Pflegedirektorin Marianne Siller ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Südtiroler Sanitätsbetrieb. Auch dort heißt es:
 
„Nach Eintreffen der Lieferungen, haben wir die Zertifizierungen der chinesischen Hersteller überprüfen lassen, unter anderen auch mit der Universitätsklinik Innsbruck, die uns bestätigte, dass die zertifizierten Masken dem KN95-Standard entsprechen.“
 
Inzwischen ist längst klar, dass diese Angaben eher dem Wunschdenken als der Wahrheit entsprechen und die Innsbrucker Überprüfung eine Erfindung ist.
Wir halten in aller Deutlichkeit fest, dass die Tirol Kliniken oder die Innsbrucker Klinik zu keinem Zeitpunkt eine Stellungnahme zur Verwendung der Masken abgegeben haben“, erklärte der Pressesprecher der Universitätsklinik, Johannes Schwamberger, bereits am nächsten Tag.
 

Nie gefragt

 
Aus der jetzt veröffentlichten Mail von Cornelia Lass-Flörl wird aber deutlich, mit welcher Chuzpe Florian Zerzer & Co versucht haben, nicht nur eine Innsbrucker Zertifizierung zu erfinden, sondern auch die Verantwortung auf die Uni Klinik Innsbruck abzuwälzen.
Der zentraler Punkt im Schreiben: Die von der Südtiroler Sanitätsspitze und dem Unternehmen Oberalp abgegeben Stellungnahmen sind in Bezug auf die angebliche Freigabe durch die Universitätsklinik Innsbruck nicht korrekt.
Die international renommierte Ärztin und Leiterin des Departments für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie an der Uniklinik zeichnet dann in der Mail an Florian Zerzer und Christoph Engl noch einmal die gesamte leidige Geschichte detailliert nach.
 
 
 
Wie bekannt ist, wurde eine Charge von 100.000 Schutzmasken aus der Oberalp-Lieferung am 24. März von Wien direkt nach Innsbruck geliefert. Cornelia Lass-Flörl wurde wenig später ersucht, die Zertifikate aller Ankäufe, die das Land Tirol getätigt hat, zu übersetzen und die Spezifikation der Masken zu überprüfen. Sie hat dann auch die Zertifikate übersetzt und dem Land Tirol mitgeteilt, um welche Art von Masken es sich handelt und was die Spezifikation KN95 für Tirol bedeutet. Das alles auf Basis der mitgelieferten Information und Zertifikate.
Ich habe aber immer dazu gesagt, dass ich nicht weiß, ob diese korrekt (echt) sind. Diese Einschränkung findet sich auch in den Stellungnahmen wieder, welche von mir offiziell abgegeben wurden“, schreibt Cornelia Lass-Flörl. Zu keinem Zeitpunkt habe sie aber eine Freigabe der Masken erteilt.
Cornelia Lass-Flörl weiter:
 
Die Firma Oberalp, Herr Engl teilt mir mit, dass die Südtiroler Sanitätsdirektion wiederum sagt, dass das Landeskrankenhaus Innsbruck (Hygiene) diese Masken beurteilt, geprüft und freigegeben hat.
...[...]....Des weiteren erlaube ich mir festzuhalten, dass ich zu keinem Zeitpunkt offiziell von Südtiroler Seite in dieser Angelegenheit kontaktiert wurde. Ich habe ein Zertifikat von Herrn Wiedermann/LKI (Primar Christian Wiedermann/Landeskrankenhaus Innsbruck) gesichtet und auch hier nur die Kategorie KN95 aus krankenhaushygienischer Sicht und entsprechend internationaler Standards erklärt.  Da das LKI keine Materialprüfstelle ist, könnte eine derartige Freigabe nie erteilt werden.“
 
Das Resümee in der Mail, die nicht nur an Florian Zerzer und Christoph Engl, sondern auch an den LKI-Direktor Stefan Deflorian, an Primar Christian Wiedermann und an den Pressesprecher der „Tirol Klinik GmbH" Johannes Schwamberger ging, spricht eine klare Sprache: „Ich verstehe die schwierige Situation in Südtirol — aber die Bewertung der Tauglichkeit der Masken auf mich abzuwälzen - das geht nun doch zu weit.“
Aber die Bewertung der Tauglichkeit der Masken auf mich abzuwälzen - das geht nun doch zu weit.
Cornelia Lass-Flörl
Zu weit geht diese Geschichte aber nicht nur Cornelia Lass-Flörl,  sondern diese Vorfälle haben das allgemein gute Verhältnis zwischen der Uni Klinik Innsbruck und dem Südtiroler Sanitätsbetrieb nachhaltigen Schaden zugefügt. „Die Stimmung war noch nie so eisig“, sagt ein Arzt an der Innsbrucker Klinik. Und weiter: „Hier wurde viel Porzellan zerschlagen“.
Wie arrogant man in Südtirol dabei vorgeht, zeigt sich auch daran, dass die von Cornelia Lass-Flörl geforderte Gegendarstellung von den Angeschriebenen nie offiziell abgegeben wurde.
Oder hat man auch dieses Schreiben in der Generaldirektion ganz einfach „archiviert“?