Gesellschaft | Corona-Soap - Part 2

Houm-Skuuling

Das Leben ist kein Kindergeburtstag
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Foto: Pixabay

Was bisher geschah ...

„Börsdei, Häppi Börsdei, tu ju“, hat jede von uns beim Geburtstag von der Eva in den Kompjuter gesungen … aber nicht lange, dann ist die Verbindung zusammengebrochen. „Börsdei“. Ich werde dieses Englisch nie lernen! Vor allem jetzt nicht, wo meine Mami dieses „Houm-Skuuling“ macht. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal sagen werde, dass ich mich auf die Schule freue - und die Gerlinde, meine Lehrerin.
Den halben Tag sitze ich vor dieser Anton.app und quäle mich mit - die Pippi Langstrumpf in meinen Hörbüchern sagt immer - „Plutimikation“. Und Geteilt-Rechnungen soll ich machen. Und etwas über Apfelbäume lernen. Apfelbäume! Ich will doch Tierärztin oder YouTuberin werden, warum muss ich etwas über Bäume wissen? Der Papi sagt immer Apfelbäume sind die sinnlosesten Bäume überhaupt. Mit dem Adams-Apfel im Paradies hat es seinen unguten Lauf genommen und jetzt sieht man vor lauter Stangenobst - und den darüber gespannten Hagelnetzen - die Landschaft nicht mehr. Der Papi würde sicher sagen, dass ich das mit den Apfelbäumen knicken kann und noch ein paar Videos von Troom Troom De anschauen darf. Aber der Papi ist ja nicht da! Als er nach seinen zwei Wochen Quarantäne aus dem Keller gekommen ist, hat die Mami gesagt, das seien die zwei besten Wochen gewesen, die sie seit langem miteinander gehabt hätten. Komisch, sie hat ihm doch immer nur das Essen vor die Tür gestellt? Egal, auf jeden Fall ist der Papi dann im Keller geblieben und schaut jetzt den ganzen Tag DVDs. Mittelalterfilme mit Rittern und Kämpfen und so. Weiterbildung sagt er dazu. Damit er jetzt schon eine Ahnung von Nach-Corona bekommt. Wenn ich ihn besuche, schauen wir immer Eiskönigin oder Nachts im Museum - da gefallen ihm besonders die Szenen mit Attila dem Hunnen.

Schäden

Das blödeste an diesem Houm-Skuuling ist, dass ich jetzt wieder Mittagsschlaf halten muss - das ist ja was für Babies! Leider ist unser Internetz so langsam, dass ich nur ganz früh morgens und kurz vor Mitternacht online gehen kann - sonst steht „Fehler: Netzwerk-Zeitüberschreitung“. Die Hanna, meine beste Freundin, hat es da leichter, die wohnt in der Handwerkerzone und die haben schon irgend etwas mit Glas, das das Internetz schneller macht. Der Alex hat es auch besser. Der hat schon ein eigenes Handy und das schließt er dann „als mobilen Hotspot an seinen Apple an“, sagt der Alex. Hotelierkind müsste man sein. Unverschuldet Verschuldetkind, wird das nach Corona heißen, sagt mein Papi - zur Zeit sagt er eine Menge seltsamer Sachen.
Zum Beispiel, die Schuld, dass unsere Datenleitung so gemächlich vor sich hintropft, hat der fette Sarner und sein Manfred. Anstatt mit dieser Brenner.com Südtirol mit schnellem Internetz zu versorgen, hat der Partikularsekretär - nomen est omen, sagt mein Papi immer - nur sein Partikularinteresse wahrgenommen und am Ende den Laden an den Knilch verscherbelt. Und dann tobt er, dass sie damit auch noch durchkommen, anstatt in der Bozner Dantestraße bei Wasser und Brot zu darben und dass der Arno sich am Nasenring durch die Arena führen lässt und dass das neue Mittelalter hoffentlich auch den Scheiterhaufen oder die Guillotine zurückbringt. Da gehören auch der Florian, die Waltraud und der „dessen Name er niemals nennt“ hin. „Gewesene und amtierende Digitallandesräte“, prustet dann mein Papi „digital verstehst du - alles Nullen, die sich für eine Eins halten“.
Dann schimpft er wieder auf den Knilch, den er auch James Bond nennt - die Doppelnull, die in der Bozner Südtirolerstraße herumkläfft ... und dass man die Doppelnull das WC runterspülen sollte … und dann lacht er und sagt: „Ich schweife ab“. Eltern sind schon seltsam!
Aber ich mag es total, wenn der Papi auf den Knilch schimpft. Da lerne ich dann immer ganz neue Schimpfwörter - leider ist vieles Erwachsenenkram. Den Moritz - der geht jetzt schon Mittelschule unten in Brixen - habe ich mal den „Zwischenrufer aus dem Weinbergweg“ geheißen, als er mich mal wieder getratzt hat. Hat er nicht kapiert. Okay, der Moritz ist auch ein Idiot - überhaupt wie alle Buben; besonders die in meiner Klasse. Wenn die Idioten dann zu Männern werden, werden sie wie der Knilch oder der dessen Name mein Papi niemals nennt. Ich glaube die sind für den Papi wie der Moritz für mich: Todfeinde.

Kollateralschäden

Wenn gar nichts geht, lässt sich meine Mami ein Whatsapp-Foto vom Playway Activity Book oder einen Skrienschott von den Reli-Aufgaben schicken, das sie mir dann zum Ausfüllen ausdruckt. Ganz am Anfang hat sie meine Aufgaben noch an die Lehrerinnen zur Korrektur zurückgeschickt, aber dann haben die ganz schnell geantwortet, dass sie nur „punktuell“ (komisches Wort, habe ich noch nie gehört) um Rücksendungen anfragen werden. Und wie bitteschön komme ich jetzt zu meinen Zehnern? „Das faule Gesocks ist seit dem 5. März im Ferienmodus - die längsten Sommerferien ever“, hat mein Papi gemeint. Noch weniger Arbeit - nämlich Null - bei vollem Lohn hätten nur die Kindergartentanten, wie unsere Nachbarin, die entweder Fenster putzt oder nach ihren Rotzlaggln im Garten schreit, weil die ständig alles verhèeren.
Wir haben leider keinen Garten. Eva und Caroline hätten einem - mit Trampolin! Aber da darf ich nicht hin, weil deren Mama und Papa beim Aiut Alpin arbeiten. Also eigentlich ist der Peter Hydrauliker … also Hydrauliker beim Aiut Alpin oder so. Die Mami sagt immer, das sind Helikoptereltern und jetzt haben sie Angst, dass ihre Gitschen Besuch vom Covid oder vom Sars bekommen (nein, nicht Lars, der heißt wirklich Sars, ist kein Rechtschreipfehler). Wovor die immer Angst haben? Verzogener als die Rotzlaggl von der Kindergartentante wird dieser Covid auch nicht sein. Der Peter war sogar unten bei der Brixsana und da haben sie der Eva und der Caroline mit einem Wattestäbchen die Zähne und die Nase geputzt. Alles Deppen, weis man ja, dass man sich damit die Ohren sauber macht. Die Mami hat gesagt, dass wir uns das Geld sparen, vor allem jetzt, wo im Laden vom Hintertoler nicht nur das Gemüse und das Obst ziemlich teuer geworden sind. Wenn der Papi arbeitet, kauft er ja immer beim Supermarkt gegenüber der Aquarena ein, da wo man am Kreisverkehr nach Stufels fährt, aber jetzt hat seine Firma zu. Seit das Hotel vom Alex geschlossen ist, arbeitet auch die Mami nicht mehr und ist den ganzen Tag zu Hause für mein Houm-Skuuling. Ich strenge mich auch an, aber die Mami ist eben keine Gerlinde.
Damit wir etwas Geld für den Hintertoler verdienen, hat die Mami angefangen Mundschutzmasken zu nähen - farblich passend zu Rock, Bluse und Kleid. Für die zivilen Ungehorsamen, die Fläsch-Mobber und die Christen (an das genaue Wort kann ich mich nicht mehr erinnern: Anarchisten, Antichristen ... irgendwelche Gläubigen waren es jedenfalls) wollte sie sogar ihren Brautschleier und die grobmaschigen Gardinen vom Wohnzimmer verarbeiten. „Nutzt nix, schad nix, aber der Maskenpflicht ist Genüge getan“, hat die lachend gesagt. Ich mag es total wenn die Mami lacht, besonders jetzt wo sie oft traurig ist. Ich habe sie schon mal heimlich weinen gesehen, aber als ich sie gefragt habe, ob sie weint, weil ich immer so garstig bin, hat sie gesagt, das sei nur wegen ihrem Heuschnupfen.
Dann gab's beim Hintertoler die gleich löchrigen Hudern gratis vom Land. (Weil ihre zu groß ist, nimmt Mami immer meine Kids-Größe, wenn sie aus dem Haus geht und sogar die rutscht ständig runter). Das mit dem Mundschutz für die Christen wäre eh nix geworden, weil sie bei unserem Internetzanschluss eh keinen Webshop betreiben kann, meinte sie. Auf jeden Fall ist uns dreien schrecklich langweilig und wir hoffen inständig, dass dieser Lok-daun bald vorbei ist, weil sonst, hat meine Mami gesagt, gibt es dieses Jahr die Börsdei-Parti mit der Hanna, der Eva, der Natascha und der Aisha wie bei der Eva nur über Skaip und nur um Mitternacht und da dürfen die Hanna und die Eva sicher nicht!