Wirtschaft | Corona-Krise

“Es war Dienstag, 13 Uhr”

In Neumarkt wird zumindest eine Bar nicht mehr aufsperren. Die Geschichte von Betreiberin Edith Bampi ist derzeit wohl kein Einzelfall: “Mit Corona kann ich nicht mehr.”
Schwarzer Adler
Foto: Privat

“Ich weiß, dass sich gerade viele in derselben Situation befinden.” Auch deshalb will Edith Bampi ihre Geschichte erzählen. Es ist eine, an deren Anfang viel Tatendrang und Unternehmergeist stand. Und die dann ein Ende nahm, das für Bampi nur schwer zu ertragen ist. Die 53-Jährige hat beschlossen, die Bar, die sie betreibt, nicht wieder aufzusperren. “Es war auch vorher schon nicht mehr leicht. Aber Corona hat mir eine Watschn gegeben.”

 

“Mit Corona kann ich nicht mehr”

 

Es ist das Jahr 2017. Für Edith Bampi geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Gemeinsam mit Evelyn Facchinelli übernimmt sie die Bar “Schwarzer Adler” in Neumarkt. Nachdem die vorherigen Betreiberinnen es 40 Jahre lang geführt hatten, stand das historische Gastlokal unter den Lauben leer. Über den Bürgermeister haben Bampi und Facchinelli von der Gelegenheit erfahren und machen sich gleich ans Werk. Nach Umbau- und Einrichtungsarbeiten feiern sie am 15. Juli 2017 Neueröffnung. Dass sie zweidreiviertel Jahre später ein letztes Mal die Tür hinter sich zusperren wird, ahnt Bampi damals nicht.

“Wir haben anfangs viel investiert, um die Bar neu herzurichten und uns im Laufe der Zeit einen netten Kundenstock aufgebaut”, berichtet die Neumarkterin. Das große Geschäft macht sie nicht. Die Bewirtung der Gäste übernehmen die beiden Betreiberinnen selbst. “Ich war von 5.30 bis 21 Uhr in der Bar”, meint Bampi, “für ein minimales Gehalt, das wir uns selbst ausgezahlt haben”. Der Rest des Umsatzes sei in Miete, Spesen, Rückzahlung der Schulden, die für den Umbau gemacht wurden, geflossen.

 

Heutzutage sei es “nicht mehr einfach”, eine Bar zu führen, betont Bampi, insbesondere in Orten, wo die Konkurrenz groß ist. “In Neumarkt gibt es viele Bars.” Seit Oktober 2019 führt die Mutter von drei Töchtern den “Schwarzen Adler” alleine weiter, stellt ihre Schwester als Mitarbeiterin an. Ihr Partner steigt in den Betrieb ein, um Bampi zu unterstützen. Denn 2019 ist ein Jahr, in dem das Geschäft beginnt, weniger gut zu laufen. “Es kamen weniger Touristen, die Einheimischen haben mehr gespart und wir hatten drastische Einbußen.” Und doch hat die 53-Jährige nicht ans Aufhören gedacht: “Ich gebe mich mit wenig zufrieden und hätte die Zähne zusammengebissen und mit der Situation leben können. Aber mit Corona kann ich das nicht mehr…”

 

Die Last des Virus

 

Seit Donnerstag, 12. März 2020 müssen sämtliche Bars und Restaurants geschlossen halten. Schon die Tage zuvor hat Edith Bampi im “Schwarzen Adler” die Hocker vom Tresen entfernt, die Tische weiter auseinander gestellt und ihre Gäste darauf hingewiesen, dass sie Distanz voneinander halten sollen. Sie arbeitet weiterhin den ganzen Tag in der Bar. 80 bis 100 Euro seien täglich in der Kasse gelandet, erinnert sich Bampi – ein Bruchteil von dem, was sich wirtschaftlich auszahlen würde. Und die Kundschaft habe wenig Verständnis für die Abstandsregelung gezeigt. “Daher habe ich beschlossen, bereits früher zu schließen.” Den Tag hat sie bis heute genau vor Augen: “Es war ein Dienstag, um 13 Uhr.”

 

Dann beginnt das bange Warten. Je mehr Tage vergehen, desto mehr drängt sich die Frage auf: Wie soll es weitergehen, welche Zukunft gibt es für sie als Barbetreiberin? “Eigentlich keine mehr.” Zu diesem bitteren Schluss kommt Bampi am vorletzten Aprilwochenende. “Ich habe alle Rechnungen gemacht: Die Bar ist für mich nicht mehr tragbar.” Die Miete ist zwar aufgeschoben worden, muss aber dennoch zur Gänze nachgezahlt werden.

Dazu kommt die Ungewissheit, wann und wie das Lokal wieder öffnen kann. “Sollte es Ende Mai werden, werden fast drei Monate vergangen sein, in der alles still gestanden ist.” Aufgrund der zu erwartenden Sicherheitsauflagen rechnet sie mit einem Rückgang der Kundschaft um 50 Prozent. “Davon kann ich nicht leben – ich muss ja auch Spesen begleichen und Schulden abbezahlen.” Nach schlaflosen Nächten sieht sich Bampi gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, die schmerzt, wie sie gesteht: Sie wird den “Schwarzen Adler” nicht mehr öffnen.

 

“Pfiat enk, Edith”

 

“Der Schuldenberg wäre immer größer geworden”, meint Bampi konsterniert. Auch die Unterstützungen des Landes hätten daran nichts geändert. “Zu wenig” sei gekommen. “Und auch wenn ich jetzt einen günstigen Kredit über 35.000 Euro aufnehme – den muss ich ja auch abzahlen”, gibt sie zu bedenken. “Das hätte ich ein Leben lang nicht geschafft.” Am Sonntag gibt sie ihren Beschluss auf Facebook bekannt. Mit einem “Pfiat enk, Edith” verabschiedet sie sich. Vieler ihrer Kunden sind ihr ans Herz gewachsen. “Abschied nehmen war hart und traurig”, sagt Bampi mit belegter Stimme. “Denn ich habe sehr viel in die Bar hineingesteckt und trotz schwerer Zeiten sehr viele schöne Momente erlebt.”

 

Nach vorne blicken fällt ihr momentan schwer. Ihre Schwester/Angestellte, die in der Lohnausgleichskasse ist, wird sie entlassen. Eine Immobilienmaklerin wird sich der Bar annehmen. “Und ich werde mich auf Arbeitssuche begeben, an meine eigene Zukunft denken”, meint Bampi. Sehr viel Kraft gebe ihr der viele Zuspruch, den sie nach ihrer Entscheidung, die Bar aufzugeben, erfahren habe. Und doch bleibt die bittere Erkenntnis, dass sie mit ihrem Schicksal als Barbetreiberin nicht alleine da steht. “Die Kleinen haben eh schon zu kämpfen – und am Ende wird Corona sehr viele treffen.”