Chronik | Schutzanzüge

„Not made for hospital use“

Die Kommission zur Prüfung der Schutzausrüstung steht. Eine Zulassung wird aber schwer werden. Weil der Sanitätsbetrieb in Rom ein spektakuläres Eigentor geschossen hat.
Schutzanzüge
Foto: upi
Es ist ein Weg, der vom Gesetz und von den Sonderdekreten des Ministerpräsidenten Giuseppe Conte seit Anfang März vorgegeben wurde. Der Zivilschutz kann durch eine eigene technische Kommission Schutzmaterialien zertifizieren lassen. Dann braucht es auch das Gutachten des nationalen Arbeitsversicherungsinstitutes INAIL zum Einsatz von Schutzbehelfen nicht mehr.
Nachdem der Südtiroler Sanitätsbetrieb beim INAIL abgeblitzt ist und das nationale Institut mangels einer klaren und gültigen Dokumentation zu den aus China importierten Schutzmasken und Schutzmänteln zweimal ein negatives Gutachten ausstellte, hat man jetzt beschlossen, auch in Südtirol diesen Weg einzuschlagen.
Weil das Land auf dem Gebiet des Zivilschutzes primäre Gesetzgebungskompetenz hat, soll eine eigene technische Kommission eingerichtet werden, die die Schutzausrüstung prüft und im besten Fall auch für den Einsatz freigibt. Nur so kann das Material, das an den Südtiroler Krankenhäusern, Altersheimen und in anderen Strukturen dringend benötig wird, auch benutzt werden.


Die Kommission

 
Bereits am vergangenen Dienstag hat Landeshauptmann Arno Kompatscher in einer „Dringlichkeitsmaßnahme bei Gefahr in Verzug“ die Errichtung dieser Expertenkommission per Dekret verfügt. Am vergangenen Freitag hat der Sanitätsbetrieb dann „die Expertenkommission für die Überprüfung der Übereinstimmung der in China durch die Gruppe Oberalp angekauften Schutzbehelfen mit den entsprechenden europäischen Standards“ ernannt.
 
 
Dem technischen Prüfgremium gehören die Primaria der Abteilung Infektionskrankheiten des Krankenhauses Bozen, Elke Maria Erne, der Direktor des Präventions- und Schutzdienstes des Sanitätsbetriebes der Autonomen Provinz Trient, Giancarlo Murer, Patrick Franzoni, stellvertretender Einsatzleiter für die Covid-19 Epidemie und Verantwortlicher für die Abteilung CovidMed1 am Krankenhaus Bozen, Christiana Winkler, Leiterin des Arbeitsschutzdienstes in der Landesverwaltung  und der Kommandant der Bozner Berufsfeuerwehr Florian Alber an.
Laut Beschluss hat diese Expertenkommission nicht die Aufgabe, eine offizielle Zertifizierung durchzuführen, um das Schutzmaterial für den kommerziellen Gebrauch freizugeben, sondern „eine Stellungnahme zur Möglichkeit der Verwendung der bestellten Schutzanzüge abzugeben, die die Sicherheit des sanitären Personals in totaler Ermangelung anderer Schutzausrüstung in dieser Notsituation gewährt, um die Betreuung der Covid-19 Patienten weiterhin garantieren zu können.
 

Die Schutzanzüge

 
Denn inzwischen geht es nicht mehr nur um die Atemschutzmasken, sondern auch um die aus China importierten Schutzanzüge. Es ist der weitaus kostspieligste Teil des in China gekauften 10-Millionen-Paketes. Zur Erinnerung: Der Sanitätsbetrieb hat 400.000 Schutzanzüge (Stückpreis 18,50 Euro) um 7.400.000 Euro und 30.000 Schutzanzüge für den aseptischen Gebrauch (Stückpreis 27,90 Euro) um 837.000 Euro eingekauft.
Es sind 8,2 Millionen Euro, die damit jetzt plötzlich auf Halde liegen. Nach dem negativen INAIL-Gutachten hat der Sanitätsbetrieb am vorvergangenen Sonntag den Gebrauch und die Verteilung dieser Schutzanzüge unverzüglich stoppen müssen.
Seitdem schimpft man in Südtirol auf die unmögliche römische Bürokratie. Zum einen dürfte man damit durchaus Recht haben: In Krisenzeiten sollte der INAIL-Amtsschimmel nicht so pedantisch wiehern.
 
 
Zum anderen enthält man der Öffentlichkeit aber bewusst Informationen vor, um von der eigenen Unfähigkeit ablenken. Denn die Situation um die gekauften Schutzanzüge ist weit dramatischer, als bisher dargestellt.
Das heißt: Auch die neue Expertenkommission wird sich äußerst schwer tun, das Material freizugeben.
 

Das technische Gutachten


Seit Tagen liegt dem Sanitätsbetrieb das definitive Gutachten der „Direzione Centrale Ricerca“ des INAIL  vor. Wie Salto.bz berichtete, hat der Sanitätsbetrieb am 17. April - einen Tag bevor das INAIL das zweite negative Gutachten ausgstellt hat - endlich die gesamte übersetzte Dokumentation für die chinesische Schutzausrüstung nach Rom übermittelt.
Das INAIL hat nach Informationen von Salto.bz inzwischen auch diese Dokumentation überprüft. 
 
 
In diesem Endgutachten sind vor allem in Bezug auf die Schutzanzüge Details enthalten, die einem Super-GAU gleichkommen.
Es geht dabei um die 400.000 angekauften Einweg-Schutzanzüge. Laut der technischen Kommission des INAIL müssen diese Anzüge die Schutzklasse 5 oder 6 erreichen. Die beim chinesischen Unternehmen „Feicheng Kunyu Clothing Co.Ltd“ angekauften Schutzanzüge würden aber nur die Klasse 2 erreichen. Sie könnten deshalb nicht zugelassen werden.
Auch in diesem Punkt wird man in Südtirol jetzt sagen: römische Erbsenzähler.
Doch die INAIL-Experten haben sich das Schlimmste bis ganz zum Schluss aufbehalten.
Laut den Fachleuten steht in einem Dokument der technischen Beschreibung der Schutzanzüge, die nach Rom übermittelt wurde, ein kurzer Satz, der die Südtiroler Expertenkommission überflüssig machen dürfte.
Denn in der offiziellen Produktbeschreibung der Schutzanzüge heißt es: „Not made for hospital use“.
Nicht für den Einsatz in Krankenhäusern gemacht.