Die Alleingelassenen
Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Dass dasselbe auch für eine Gesellschaft gilt, wurde in der Corona-Krise offensichtlich. Doch die Phase des akuten Notstandes scheint überwunden – und so bröckelt der Zusammenhalt, das Gefühl, gemeinsam aus der Krise zu kommen, wird schwächer, vielfach ist der Wunsch da – vor allem bei den Starken –, wieder des eigenen Weges zu gehen. Dabei drohen gerade die Schwächsten – viele von ihnen fühlen sich ohnehin allein und im Unklaren gelassen – zurückzubleiben.
Die Alleinerziehenden
Dazu gehören unter anderem die Alleinerziehenden, wie auch in der salto-Community aufgezeigt wird. “Grob gesagt haben Alleinerziehende in Coronazeiten die doppelte Belastung und nur die Hälfte Unterstützung”, mahnt die Südtiroler Plattform für Alleinerziehende. Dort häufen sich zurzeit die Anrufe, “da die vielen Informationen zu den Hilfeleistungen ein regelrechtes Labyrinth bilden – viele Menschen fallen dabei durch alle Raster, Hilflosigkeit, Existenzängste und Verzweiflung machen sich breit, viele Alleinerziehende sind überfordert”.
“Es wird sehr oft vergessen, dass es schlussendlich um das Wohl des Kindes geht”, heißt es von den Alleinerziehenden – dazu gehöre “auch der emotional-moralische Aspekt: Leider bleibt das gemeinsame Sorgerecht/Sorgepflicht für viele Väter ein Fremdwort. Alleinerziehende Mütter müssen in dieser fordernden Zeit alleine mit den Herausforderungen zurecht kommen, sehen sich genötigt, die Urlaubstage für die Kinderbetreuung aufzubrauchen, es bleibt nach diesem Marathon keine Erholungszeit übrig – während Väter wie gewohnt ihrem Job nachgehen”. Die Plattform für Alleinerziehende fordert: “Jetzt muss auf Schadenbegrenzung geachtet werden. Und es gilt zukünftig, besser auf die kleinste Zelle des Zusammenlebens zu achten, egal welche Form sie hat.”
Die mit besonderen Bedürfnissen
“Es braucht mehr”, heißt es auch vom Dachverband für Soziales und Gesundheit. Dort sorgt man sich vor allem um Menschen mit Behinderung und chronisch Kranke – und kämpft man mit denselben Problemen: “Wir versuchen den bestehenden Dschungel an Bestimmungen und Einschränkungen zu durchblicken und setzen uns mit Lösungsmöglichkeiten auseinander”, heißt es in einer Aussendung. Und die geschäftsführende Präsidentin des Dachverbands, Dorotea Postal, erklärt: “Der Totalausfall von Betreuungsdiensten, Schulen und Therapien ist ein großes Problem. Und die längerfristigen Folgen sind noch gar nicht abschätzbar. Betroffene und ihre Familien fühlen sich alleine gelassen und müssen schauen, wie sie mit der Situation zurecht kommen. Die ersten staatlichen Sondermaßnahmen sind kaum umsetzbar. Telefonische Beratung allein reicht nicht.”
Wichtigstes Ziel sei, dass gemeinnütizge Organisationen, die sich im Dachverband für Soziales und Gesundheit zusammengeschlossen haben, in der Phase 2 ihre bisherigen Tätigkeiten so schnell wie möglich wieder aufnehmen sowie “mit neuen, dringend benötigten Hilfsangeboten auf die Veränderungen des Soziallebens reagieren und damit die problematische Situation der betroffenen Personen und ihrer Familien erleichtern” können. Allerdings warte man auf klare Vorgaben. “Wir brauchen schnellstmöglich Klarheit und unbürokratische Hilfe”, meint Dachverband-Geschäftsführer Georg Leimstädtner. Zugleich hofft er, dass Non-Profit-Organisationen die nötige Schutzausrüstung für Mitarbeiter und Freiwillige zur Verfügung gestellt wird.
Die Kleinen
Indes hoffen viele Eltern auf eine Lösung für die Betreuung ihrer Kinder, wenn sie ins Arbeitsleben zurückkehren. Im Landesgesetz, das die Landesregierung am heutigen Donnerstag behandelt und nächste Woche in den Landtag kommen soll, soll auch die Kinderbetreuung geregelt werden. Die Katholische Jungschar Südtirol fordert dabei, “dass die Betreuungsangebote im Interesse der Kinder gestaltet werden” und die Bedürfnisse der Kinder in bzw. nach der aktuellen Situation mitgedacht und ihre Anliegen nicht vergessen werden. “Kinder leiden unter dem ‘social distancing’ und können wenig dagegen tun. Sich mit Gleichaltrigen treffen, zusammen spielen und lernen, ist für die Entwicklung der Kinder sowie für ihre psychische Gesundheit ein sehr wichtiger Faktor und auch in den Kinderrechten verankert”, zeigt die 1. Vorsitzende der KJS Julia Leimstädtner auf.
Während die Politik noch plant, ist ein Angebot bereits in der Umsetzung: eine kostenlose Babysitter-Plattform, ins Leben gerufen vom Katholischen Familienverband Südtirol (KFS). Dort ist man überzeugt: “Eine solche Plattform wird durch die Corona-Krise, in der sich die Eltern so ziemlich alleingelassen fühlen, dringender benötigt denn je.” Inspiriert von Projekten und Initiativen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, ist das Ziel der Plattform: Familien sollen schnell und einfach einen qualifizierten Babysitter finden können. “Auch für Babysitter selbst ist die Plattform ein großer Vorteil”, meint KFS-Präsidentin Angelika Mitterrutzner. “Sie können dort ein Profil erstellen, mit Foto, Erfahrungen, Qualifikationen und Referenzen.” Nach einfacher Registrierung sollen Eltern aus dem Angebot auswählen können, die Anstellung der Babysitter erfolgt über das so genannte “libretto famiglia” des INPS.
Ab Mitte Mai soll die Plattform online sein. Babysitter können sich bereits jetzt beim KFS registrieren: [email protected]. Mitterrutzner sieht das neue Angebot als “überlebensnotwendigen Rettungsanker für so manche Familie – denn wer nicht auf Großeltern oder Nachbarn zurückgreifen kann, wird ohne Babysitter, da Kitas, Kindergärten und Schulen in diesem Schuljahr nicht wieder öffnen werden, gar nicht mehr zur Arbeit gehen können”.
Die Sozialberufe
Zum Kreis derer, die den Schwachen und oft Unsichtbaren der Gesellschaft in diesen Tagen eine Stimme verleihen, gehört auch der Landesverband der Sozialberufe (LVS). Dort nimmt man den 1. Mai als Internationalen Tag der Arbeit zum Anlass, um auf die unverzichtbaren Sozialberufe hinzuweisen. “Die Arbeit der Beschäftigten in den Sozialberufen entlastet viele in ihrem Alltag und ist für das Funktionieren einer Gesellschaft und der Wirtschaft unerlässlich. Das fängt bei der Kleinkindbetreuung an, denn ohne diese können Menschen, vor allem Mütter nicht arbeiten und zieht sich hin zur Betreuung und Pflege von alten und pflegebedürftigen Menschen, also von der Wiege bis zum Grab. Ohne die Arbeit der Beschäftigten in den Sozialberufen, ist eine fortschrittliche und vorwärts gewandte Gesellschaft schwer möglich”, schreiben LVS-Vorsitzende und Geschäftsführerin Kathrin Huebser und Marta von Wohlgemuth in einer Stellungnahme.
Sie fordern: “Die Rolle der Sozialberufe muss nach der Coronakrise in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden, damit aus dieser Krise die notwendigen Schritte abgeleitet werden können. Jetzt braucht es das Gespräch und die Zusammenarbeit aller, um die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern, denn auf die vielen ‘Danke’, den Applaus und die Heldenbezeichnungen müssen jetzt Taten folgen.”
die Allianz für Familie, in
die Allianz für Familie, in welcher u.a. die Plattform für Alleinerziehende, die Arbeitskreis Eltern Behinderter, väter aktiv, verschiedene Elterninitiativen aber auch Sozialgenossenschaften für Kinderbetreuung vertreten sind, sammeln in diesen Tagen die Bedürfnisse und Probleme der Familien. Die Sprecherin der Allianz Christa Ladurner steht gemeinsam mit dem KFS in intensiven Verhandlungen mit Landesrätin Deeg, Landesrat Achammer, dem Südtiroler Wirtschaftsring und dem Gemeindenverband. Gefordert wird umgehend die Einrichtung eines Krisenstabs Familie, welcher für die dringlichen Fragen im Bereich finanzielle Unterstützung, Kinderbetreuung und besondere Notlagen Lösungen erarbeitet, die Informationen dazu in verständlicher Sprache verbreitet und die Inanspruchnahme einfach gestaltet.
Bezüglich dem letzten Satz:
Bezüglich dem letzten Satz: Bei den 1. Mai-Reden sollen vor allem die Berufe im Sozialen im Vordergrund stehen und die Gewerkschaften sollen klare Forderungen um Besserstellungen vorbringen und Kampfmaßnahmen ankündigen! Sonst versandet dieses Anliegen nur wieder!
"Alleinerziehend" ist
"Alleinerziehend" ist allerdings ein Begriff, der die heutige Realität nicht mehr korrekt wiedergibt. Heutzutage teilt sich die Mehrzahl getrennter Eltern die Erziehung und Betreuung in unterschiedlichem Ausmaß untereinander auf. Es gibt andererseits auch verheiratete Paare bei der die Last ganz allein auf den Frauen / Müttern liegt, da der Mann / Vater seine gesamte Zeit in Beruf, Ehrenamtlichen bzw. politischen Engagement investiert. Leider fehlen korrekte Zahlen in Südtirol, für wieviele Väter in der Ehe bzw. nach einer Trennung Sorge kein Fremdwort ist und sich aktiv in Erziehung und Betreuung engagieren.