Umwelt | Imker

Gestochener Obmann

Im Südtiroler Imkerbund gehen seit Wochen die Wogen hoch. Dabei wird auch deutlich, welche Macht die Agrarlobby auf die offizielle Vertretung der Bienenzüchter ausübt.
bienen.jpg
Foto: Südtiroler Imkerbund
Der Mann, der das Ganze losgetreten hat, möchte nichts mehr sagen. „Keinen Kommentar“, meint Thomas Vonmetz freundlich. Der Grund für die Zurückhaltung liegt auf der Hand. Inzwischen reden die beauftragten Rechtsanwälte. Es liegen Anschuldigungen und Anzeigen in der Luft.
Vor allem aber steht die Zukunft des Südtiroler Imkerbundes auf dem Spiel. Denn in dieser Geschichte wurde und wird nur allzu deutlich, wie sehr die offizielle Vertretung der Südtiroler Bienenzüchter am Gängelband der mächtigen Agrarlobby hängt. Es ist eine Situation, die den Verband zerreißen könnte. So fordern einige Bezirksvertreten bereits den Kopf des Landesobmannes Engelbert Pohl.
Dabei hat alles völlig harmlos begonnen.
 

Das RAI-Interview

 
Thomas Vonmetz ist in der Südtiroler Öffentlichkeit vor allem als Musiker und Moderator bekannt. Der junge Andrianer gestaltet auf RAI Südtirol die Fernsehsendung „Toms Kellershow“ und bestreitet jeden Samstag das Nachmittagsprogramm im Radio.
Vonmetz ist seit vielen Jahren auch Hobbyimker. Er hat in Andrian mehrere Bienenstöcke und Völker. Zudem engagiert er sich ehrenamtlich auch im Südtiroler Imkerbund. Dort wurde er vor über zwei Jahren auch zu einem von drei Obmannstellvertretern gewählt.
Am 3. April strahlte die Tagesschau einen Bericht aus, in dem es um das Bienensterben und einen möglichen Zusammenhang mit Pestiziden geht. Dabei interviewte man auch Thomas Vonmetz. Der Imker berichtete, dass er selbst tote Bienenvölker zu beklagen habe. Ein Amtstierarzt hatte bestätigte, dass der Tod der Bienen nicht natürlich erfolgt sei. Jetzt warte er auf die Laboranalysen der toten Bienen.
 
 
Im Beitrag wurde dann auch darüber berichtet, dass einige Bauern immer noch das Mittel Reldan verwenden würden. Ein Inhaltsstoff dieses Spritzmittels ist seit Anfang 2020 in der EU verboten. Doch in Südtirol war der Verbrauch von Lagerbeständen in einer Übergangsregelung jedoch noch bis zum 16. April erlaubt. 
Obwohl in dem Tagesschau-Beitrag keinerlei konkrete Anschuldigungen ausgesprochen wurde und selbst Thomas Vonmetz äußerst zurückhaltend war, brach nach der Ausstrahlung ein Sturm los.


Die Richtigstellung

 
Bereits am nächsten Tag trudelt am Bozner RAI-Sitz ein Schreiben des Landesobmannes des Südtiroler Imkerbundes Engelbert Pohl ein.
In dem Schreiben heißt es:
 
"Als Südtiroler Imkerbund haben wir auch die Tagesschau im RAI Südtirol vom 03.04.2020 verfolgt und mit großer Verwunderung den Bericht bei Minute 11.29 zum Thema: Imkerbund - verbreitetes Bienensterben gesehen.
Als Südtiroler Imkerbund stellen wir hiermit dezidiert klar, dass wir uns von diesen Aussagen distanzieren und wir hiermit klarlegen, dass der Südtiroler Imkerbund keine Aussagen getätigt hat wie in ihrem Bericht angeführt. Als Südtiroler Imkerbund haben wir zu dieser Sachlage auch keine Aussendung getätigt.
 
 
Wir machen hiermit vom Pressegesetz gebrauch und fordern sie hiermit auf in der Tagesschau vom 04.04.2020 eine Richtigstellung zu senden.
Der Südtiroler Imkerbund stellt des weiteren fest, dass Aussagen vom Südtiroler Imkerbund in dieser Angelegenheit ausschließlich von seinem Gesetzlichen Vertreter dem Landesobmann getätigt werden können und dürfen.“
 
Als Aufhänger für dieses Schreiben benutzt Engelbert Pohl den Moderationstext und eine Radionachricht auf „Rai Südtirol“ in denen vom Vizeobmann Thomas Vonmetz die Rede war.
Am Mazziniplatz wunderte man sich zwar über diesen Brief, stellt die Nachricht aber wie verlangt, am nächsten Tag in der Tagesschau richtig.
Dass ein Verbandsobmann seinen Stellvertreter öffentlich so desavouiert, dürfte selbst in der ereignisreichen Südtiroler Verbandsgeschichte einmalig sein.
Was RAI-Chefredakteurin Heidy Kessler zum Zeitpunkt nicht weiß: Mit Pohls Richtigstellung ist die Affäre noch lange nicht beendet.
 

Die Bestäubungsprämie

 
Dass ein Verbandsobmann seinen Stellvertreter öffentlich so desavouiert, dürfte selbst in der ereignisreichen Südtiroler Verbandsgeschichte einmalig sein. Vor allem wenn man weiß, dass das Schreiben zeitgleich an einen zweiten Adressaten ging, der mit der Polemik eigentlich nicht das Geringste zu tun hat. Pohl schickte die Richtigstellung auch an den Landesrat für Landwirtschaft Arnold Schuler.
Im Nachhinein versucht man die Geschichte im Südtiroler Imkerbund als „Kommunikationsproblem“ abzutun. Und man verweist auf den Charakterzug des Obmannes Engelbert Pohl jedem Konflikt auszuweichen.
Dabei offenbart das Schreiben Pohls in Wirklichkeit den Einfluss und die Macht, die die Südtiroler Agrarlobby auf den Imkerbund seit Jahren bewusst ausübt.
Dafür sorgt auch eine Südtiroler Eigenheit.
Die Apfelwirtschaft braucht die Bienen zu Bestäubung der Blüte. Das heißt: Imker setzen im Frühjahr in den Obstplantagen ihre Bienenvölker ein. Es ist eine klassische Win-Win-Situation. Auf der ganzen Welt und auch in ganz Italien zahlt der Bauern dem Imker dafür eine Bestäubungsprämie, die pro Bienenvolk genau definiert wird. So wird es zum Beispiel im benachbarten Nonsberg seit Jahren praktiziert.
 
 
Nur in Südtirol ist das anders. Der Verband Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG) weigert sich eine solche Prämie zu zahlen. Nur die Vinschger VIP zahlt eine solche Bestäubungsprämie. Aber nicht an die Bauern, sondern direkt an den Südtiroler Imkerbund. Damit entsteht eine direkte finanzielle Abhängigkeit des Bundes von den großen Agrarverbänden.
Das dürfte dann auch eines der Erklärungsmuster für das Schreiben von Engelbert Pohl sein. Pohl selbst ein Vinschger Imker dürfte diesen Druck direkt ausgesetzt sein.
Dazu kommt noch ein anderer bisher nicht bekannter Hintergrund
 

Die jungen Wilden

 
Hubert Ausserer stand jahrzehntelang dem Südtiroler Imkerbund als Obmann vor. Mit der Übernahme der Obmannschaft durch Engelbert Pohl wurde Ausserer zum Ehrenobmann des Imkerbundes gemacht. Der Vilpianer Bauer gilt auch heute noch als einer der einflussreichsten Personen im Imkerbund.
Der Zufall will es, dass Ausserers Sohn Mitglied und Aktivist eines neuen besonders aggressiven Agrarvereins ist, dessen Ziel es ist, die Fahne des konventionellen Obstanbaues besonders hoch zu halten.
Der „Verein zur Förderung der nachhaltigen und umweltbewussten Landwirtschaft“ hat sich die Förderung, den Schutz und die Verteidigung der Ausübung landwirtschaftlicher Tätigkeit in Form des integrierten Obstanbaues zur Aufgabe gemacht und vertritt mithin die Interessen der Landwirtinnen, Landwirte und landwirtschaftlichen Betriebe, die integrierten Obstanbau betreiben.
Der privat finanzierte Verein organisiert seit eineinhalb Jahren immer wieder Fortbildungen und Vorträgen, in denen man auch gegen die biologische Landwirtschaft agitiert.
 
 
Gleichzeitig aber geht der Verein, dessen Vorsitzender der junge Aurer Landwirt Georg Gallmetzer ist, ohne Furcht auch gegen die Großen im Südtiroler Agrarbereich, wie VOG oder Bauernbund vor.„Diese Gruppe mischt mit radikalen Methoden aber durchaus geschickt den ganzen Sektor auf“, beschreibt einer, der seit 30 Jahren an einer führenden Position im Landwirtschaftsbereich tätig ist.
Dazu gehört auch das Ausnützen aller Rechtsmittel. Der Verein bedient sich dafür einer bekannten Adresse: Der Kanzlei des ehemaligen SVP-Obmannes Siegfried Brugger und dessen Sohn Jakob Baldur Brugger.
Sie werden auch in diesem Fall tätig.
 

Entschuldigung gefordert

 
Denn fünf Tage nach der Ausstrahlung des RAI-Südtirol-Beitrages erhalten Thomas Vonmetz und RAI-Chefredakteurin Heidy Kessler ein weiteres Anwaltschreiben. Jakob Brugger fordert im Namen des Vereinsvorsitzenden Georg Gallmetzer darin eine „Richtigstellung und Entschuldigung“.
Herr Vonmetz beabsichtigte offenbar die gezielte Diffamierung eines Großteils der Südtiroler Obstbäuerinnen und Obstbauern. Rai Südtirol stellte ihm hierfür – unter Verletzung grundlegender journalistischer Sorgfaltspflichten – eine Plattform zur Verfügung. Eine solche Desinformation ist weder durch Meinungs- noch durch Pressefreiheit gedeckt“, heißt es in dem Anwaltschreiben.
Die Forderungen des Vereins: Ein Gegeninterview mit einem Fachmann in der Tagesschau und eine öffentliche Entschuldigung von Thomas Vonmetz in „einer bezahlten Annonce in der Tageszeitung Dolomiten (rechte Seite)“.
 
 
Man kann doch nicht ganz einfach pauschal immer uns Bauern beschuldigen“, sagt Georg Gallmetzer zu Salto.bz. Bisher wurde kein klarer Zusammenhang zwischen dem Bienensterben und einem eingesetzten Pestizid hergestellt. Georg Gallmetzer: „Das beanstandete Mittel könnte genauso gut in einem privaten Garten eingesetzt worden sein, was in der Vergangenheit auch schon passiert ist.
Weder Thomas Vonmetz noch RAI Südtirol sind bisher dieser eindeutig überzogenen Forderung nachgekommen. Nach Informationen von Salto.bz hat Vonmetz mit einem Schreiben seines Vertrauensanwaltes Thomas Wörndle geantwortet. Zudem prüft Vonmetz derzeit eine Strafanzeige gegen einen Kalterer Bauer und Vereins-Aktivisten, der ihn auf Facebook angriffen hat.
 

Nachbeben im Bund

 
Die Geschichte könnte aber auch für Engelbert Pohl nachhaltige Folgen haben.
Nach der Richtigstellung gingen nach Informationen von Salto.bz Dutzende Protestschreiben beim Südtiroler Imkerbund ein. Viele Mitglieder und Ortsgruppen sind über die öffentliche Distanzierung des Obmannes von seinem Stellvertreter skandalisiert.
Mehreren Ortsgruppen verlangen vom Obmannes des Südtiroler Imkerbundes eine Erklärung für dieses Verhalten.
 
 
So schreibt Ludwig Thoma, der Obmann der Ortsgruppe Mals an Pohl:
 
"Sehr geehrter Herr Bundesobmann Engelbert Pohl, wenn sich der Imkerbund bei Meldungen von Spritzschäden nicht hinter den oder die betroffenen Imker stellt, sondern sich "distanziert", dann frage ich mich, wessen Interessen der Imkerbund eigentlich vertritt.
Jedenfalls weise ich bereits jetzt darauf hin, dass ich, sollte so etwas erneut vorkommen, auf eine solche Interessensvertretung gerne verzichten kann, weil ich schlicht nicht mehr wüsste, warum ich beim Imkerbund Mitglied bin. In der Ortsgruppe Mals wird dann eine andere Person (falls sich eine finden lässt!) den Mitgliedern wegen Mitgliedsbeiträgen, Medikamenten und Zettel nachlaufen müssen.“
 
Auch der Obmann der Ortgruppe Taufers im Münster, Christian Hörtnagl, bläst in selbe Horn.
 
„Nach einer kurzen Telefonabsprache von unseren Ortsauschuss haben wir beschlossen Ihnen als Herrn Bundesobmann zu schreiben. Laut mir und als Ortsverein ist es uns schon sehr wichtig dass sich der Südtiroler Imkerbund zu hundert Prozent hinter die Imker mit Spritzschäden stellen sollte. Es darf keine Distanzierung von Seitens des Südtiroler Imkerbundes bei Spritzmittelschäden geben.“
 
Der Tauferer Imker und Ortsobmann verweist dann auf die Spritzmittelschäden im vergangenen Jahr und legt zum Beweis dem Landesobmann das Resultat einer Analyse aus seiner eigene Zucht bei.
„Es gibt etliche Mitglieder die mich als ihren Vertreter darauf aufmerksam machen, dass es bald wenig Sinn hat beim Südtiroler Imkerbund Mitglied zu sein“, heißt es dann in dem Brief an Pohl.
Es ist genau das, was spätestens seit vier Wochen viele Südtiroler Imker denken.