Gesellschaft | Coronatests

Die Strafaktion

Weil der Osttiroler Arzt Gernot Walder in einem Salto-Interview leichte Kritik am Südtiroler Testverfahren geübt hat, wurde ihm vom Sanitätsbetrieb der Vertrag gekündigt.
Corona Test
Foto: upi
An der Spitze der Südtiroler Sanität scheinen die Naturgesetze schon lange nicht mehr zu gelten.
Zuerst hat es das Gutachten des Wiener Amtes für Rüstung und Wehrtechnik zu den Mängeln an den KN95-Atemschutzmasken nicht gegeben.
Jetzt gibt es keine zweite Bestellung von Schutzkleidung beim Unternehmen Oberalp Group für einen Gesamtbetrag von 25 Millionen Euro.
Und natürlich kann und darf es auch diese Geschichte nicht geben.
Deshalb eine Warnung an die Leserinnen und Leser: Das Lesen dieses Artikel könnte ihrem Vertrauen in die Spitze des Südtiroler Sanitätsbetriebes nachhaltigen Schaden zufügen.
 

Der Osttiroler Experte

 
Gernot Walder ist in Ost- und Nordtirol seit vielen Jahren ein Fixpunkt in der medizinischen Versorgung. Der unkonventionelle Querdenker ist seit Jahren als Notarzt und Bergretter unterwegs. Vor allem aber hat sich Walder als Experte für Infektionskrankheiten weit über Tirol hinaus einen Namen gemacht.
Der Facharzt für Hygiene und medizinische Mikrobiologie mit einer Spezialisierung in Infektions- und Tropenmedizin ist nicht nur Dozent und Mitarbeiter am Institut für Hygiene und medizinische Mikrobiologie an der Universität Innsbruck, er hat in Außervillgraten auch ein Labor mit 15 Mitarbeitern aufgebaut, in dem die gesamten Covid-19-Tests für Osttirol gemacht werden.
 

Gernot Walder kam in den vergangenen Monaten auch in die Schlagzeilen, weil er jener private Mediziner war, der die Probe des Südtiroler Landtagsabgeordneten Paul Köllensperger analysiert und als positiv getestet hatte.
 

Der Vertrag

 
Die Coronakrise sprengt schon bald die Kapazitäten der Südtiroler Krankenhauslabore. Die Anzahl der Covid-19-Tests ist täglich so groß, dass man rund ein Viertel der Tests außerhalb des Landes analysieren muss. Anfänglich werden die Südtiroler Proben vor allem an ein Labor in Padua geschickt. Als dann aber dort Engpässe auftreten, wendet man sich nach Nord- und Osttirol.
Am 31. März 2020 schließt der Südtiroler Sanitätsbetrieb gleich mit drei Einrichtungen einen Vertrag ab. Das Institut für Pathologie und Molekularpathologie, am Krankenhaus St. Vinzenz in Zams, das Institut für Virologie an der Uniklinik in Innsbruck und das Labor von
Gernot Walder in Außervillgraten sollen für Südtirol „molekularen Nachweistests Sars-CoV-2 PCR“ durchführen.
Mit Beschluss 216/2020 erhält das Zamser Institut einen Vertrag für die Auswertung von 200 Südtiroler Tests am Tag, die Uniklinik Innsbruck und Walders Labor in Osttirol für jeweils 100 Tests. Zur Laufzeit des Vertrages heißt es im Beschluss: „Zeitraum: 31.03.2020 bis zum Ende der COVID19-Notlage“.
Ein Teil der Corona-Tests vor allem aus der östlichen Landeshälfte werden danach acht Wochen lang täglich in Walders Labor in Außervillgraten analysiert. Dass man mit der Zusammenarbeit durchaus zufrieden ist, zeigt sich vor vier Wochen.
Denn am am 21. April 2020 ändert der Sanitätsbetrieb – auf Vorschlag von Generaldirektor Florian Zerzer - per Beschluss Nr. 237/2020 die Vereinbarung mit Walders Labor. Man stockt die Tests deutlich auf. „Das Labor verpflichtet sich für den Sanitätsbetrieb bis zu 300 molekulare Nachweistest Sars-CoV-2 PCR pro Tag durchzuführen“, heißt es im neuen Vertrag.
 

Das Interview

 
Neun Tage später, am 30. April 2020, gibt Gernot Walder Salto.bz ein Interview. Der Anlass ist ein langer Erlebnisbericht einer Familie, die seit Wochen in der Quarantäne leben muss, weil mehrere Familienmitglieder immer wieder das Testergebnis „dubbio“ erhalten.
Gernot Walder ist nicht einer, der seine Meinung hinter dem Berg hält. Der Osttiroler Mediziner erklärt offen, dass es in Österreich bei den Tests kein „zweifelhaft“ gebe.
 
 
 
Eine Coronavirus-Quarantäne ist eine freiheitsbeschränkende Maßnahme, die nicht nur den Patienten betrifft, sondern auch sein ummittelbares Umfeld. Eine solche Entscheidung muss deshalb sehr sorgfältig getroffen werden“, sagt Waldner im Interview. Auf Nachfrage erlaubt sich der Fachmann auch eine leichte Kritik am Südtiroler Vorgehen: „Ja man kann das so interpretieren, dass das am Testsystem liegen muss. Deshalb wird man die eingesetzte Methode einmal genauer wissenschaftlich evaluieren müssen.
Am 9. Mai gibt Gernot Walder dann auch ein großes Interview der Tageszeitung. Weil der Fachmann dabei anschaulich den Unterschied zwischen Ost- und Südtirol beschreibt, titelt die TageszeitungDer Osttiroler Weg“.
Diese beiden Interviews scheinen die Südtiroler Verantwortlichen in der Sanität alles andere als goutiert zu haben.
 

Die Kündigung

 
Wie sehr die Nerven an der Spitze des Sanitätsbetriebes inzwischen aber blank liegen, wird an dem klar was danach passiert.
Obwohl Gernot Walder in keinem der beiden Interviews etwas gegen den Südtiroler Sanitätsbetrieb sagt, wird sein Vertrag umgehend gekündigt. Der Grund für diesen Paukenschlag, ist das Interview, das der Osttiroler Immunologe dem falschen Medium, nämlich Salto.bz,  gegeben hat.
Am Mittwoch vergangner Woche gibt der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer dem Verantwortlichen für die Vertragsvergabe Martin Matscher die Dienstanweisung den Vertrag mit der Walder Labor GmbH umgehend aufzulösen.
Bereits am nächsten Morgen weist Matscher, Peter Santer den Leiter des Labors am Krankenhaus Bruneck an, ab Freitag keine Proben mehr an Walder zu schicken.
 
 
Dass es eine bewusste Strafaktion ist, geht mehr als klar aus diesen Anweisungen hervor.
Denn es gibt keinen echten Grund den laufenden Vertrag plötzlich aufzukündigen. Der „Covid 19 Notstand“ ist in Südtirol noch lange nicht beendet. Derzeit werden immer noch täglich weit mehr Tests gemacht als man im Sanitätsbetrieb auswerten kann.
Zudem hat der Sanitätsbetrieb am 31. März im selben Beschluss neben Gernot Walder auch das Krankenhaus Zams und die Uniklinik Innsbruck mit Verträgen ausgestattet. Nach Informationen von Salto.bz laufen diese beiden Verträge unberührt weiter. Nur jener von Waldner wurde gekündigt.
Was dem Fass aber den Boden ausschlägt: Jene 300 Proben, die Waldner ab sofort nicht mehr analysieren darf, werden auch weiterhin nach Österreich geliefert und dort analysiert werden.
 

Vinschger Joint Venture

 
Denn Florian Zerzer hat dem zuständigen Direktor der Betriebsabteilung, Martin Matscher, den Auftrag erteilt umgehend einen Vertrag mit einem neuen Vertragspartner abzuschließen.
Es handelt sich um die „PharmGenetix GmbH“ in Salzburg. Sie soll ab sofort vertraglich jene 300 Tests machen, die man dem Labor von Gernot Walder über Nacht entzogen hat.
Das auf Gentechnik spezialisierte Unternehmen PharmGenetix hat seinen Sitz in Anif bei Salzburg. Gut drei Stunden Fahrzeit und fast 300 Kilometer vom Brunecker Krankenhaus entfernt. Das heißt der Transport der Proben wird dreimal solange dauern wie bisher.
Der Kopf der PharmGenetix GmbH ist zufällig ein Vinschger: Markus Paulmichl (61). Der gebürtige Laaser hat in Innsbruck Medizin studiert und danach eine beeindruckende Karriere als Arzt, Wissenschaftler und Unternehmen hingelegt. Nach Lehrtätigkeiten an den Unis Neapel, Harvard, Innsbruck und Mailand, war Paulmichl zehn Jahre lang Vorstand und Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) in Salzburg. Nebenbei sitzt er eine zeitlang im Beirat der „Richter Pharma AG“, ist Mitglied der österreichischen Gentechnikkommission und Honorakonsul des Kosovo in Salzburg. Seit Anfang 2019 ist Paulmichl für die Humanomed Privatklinik Maria Hilf in Klagenfurt tätig.
Sein Salzburger Unternehmen soll ab dieser Woche jene 300 Covid-19 Tests machen, die man Gernot Walder entzogen hat.
Aber wer weiß: Vielleicht gibt es auch diesen Vertrag (noch) nicht.