Gesellschaft | Corona-Eltern

Wer erschöpft ist, schweigt.

Rückblick vor dem 5. März 2020: Vielen Menschen dämmert irgendwie, dass sich diese „Corona-Krise“ doch zu etwas „Größerem“ auswachsen kann.
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Playmobil Eltern
Foto: Markus Spiske on Unsplash

Dann kommt die Maßnahme, die viele Familien an ihre Grenzen und darüber hinaus bringt: Schulen und Kindergärten werden geschlossen. Am Anfang wirkt es ja noch wie ein verlängertes Wochenende. Es ist die zermürbende Ungewissheit, das Abgeschnitten-sein von der Außenwelt, das sich nicht aus dem Weg gehen können, dem Kind fällt die Decke auf den Kopf.

Über 2 Monate später: Es kommen die Lockerungen, die Arbeitswelt soll so schnell wie möglich hochgefahren werden, die wirtschaftlichen Schäden werden zu groß.

Die Normalität nach den Ausgangsbeschränkungen kehrt Schritt für Schritt zurück. Geschäfte öffnen, Restaurants öffnen. Die Notbetreuung - ausschließlich für Kinder von Eltern, die arbeiten müssen, aber nicht im Homeoffice arbeiten - läuft an. Der Andrang scheint gering, die Betreuungszeiten sind sehr eng gesteckt, die Anmeldefrist auf einen Tag beschränkt.

Die „neue Normalität“ in vielen Familien heißt, dass Kinderbetreuung, viele Stunden Homeschooling und die normale Arbeit parallel laufen und funktionieren müssen. Es ist eine Situation mit großer Belastung, Erschöpfung, dünnen Nerven.

Wenn es nach fast 12 Wochen immer noch kein Konzept von Seiten der Politik gibt und man immer noch sagt, ja, alles ist so neu, dann muss ich sagen: UNGENÜGEND!

Es scheint, dass wir im Moment in alten tief verwurzelten Rollenmustern feststecken. Aber der Großteil der Frauen ist heute berufstätig, vielleicht, weil sie müssen, da das Gehalt sonst nicht ausreicht, oder vielleicht, weil sie wollen, da sie gut ausgebildet sind und „Mutter sein“ eben nicht mehr bedeutet, den Beruf aufzugeben. Es scheint, dass Kinderbetreuung und Hausarbeit besonders im Moment die Arbeit von Müttern ist, eine Arbeit, der wenig Wert gegeben wird und die nichts kosten darf.

Wie kann es sein, dass man die Betriebe wieder aufmacht, aber nicht klar ist, dass die Wieder-Arbeitenden auch Eltern von (schulpflichtigen) Kindern sind? Ich kann nicht jeden Betrieb wieder aufmachen und gleichzeitig vergessen, dass hier Eltern arbeiten, für deren Kinder es keine Betreuung gibt.

Kinder brauchen Sozialkontakte, sie brauchen Struktur, sie haben ein Recht auf Bildung, sind schulPFLICHTig und das Nachkommen dieser Schulpflicht wird im Moment konzeptlos auf die Eltern abgewälzt.

Ich interpretiere daraus, dass die Politik viel zu stark von wirtschaftlichen Interessen gesteuert wird, dass Bildung im allgemeinen und die Schulbildung der Kinder im speziellen nicht Priorität hat. Eltern (bzw. Kinder) sind nicht von wirtschaftlichem Interesse. Warum hat die Bildung und Betreuung unserer Kinder weniger Relevanz als die Existenz eines Wirtschaftsbetriebs? Das kann nicht sein! Warum schreibt man Kindern eine Eigenverantwortung im Umgang mit Corona-Regeln ab, die sie sehr wohl haben?

Ich wünsche mir eine Familien-Konferenz, bei der alle beteiligten Interessenvertreter und Berufsgruppen an einem Tisch sitzen, auch Frauen und Menschen mit Kindern zuhause, und Konzepte und Pläne suchen, die kreativ und flexibel sind, ohne Alibilösungen (Stichwort Kinderbetreuung) und ohne ein Abwälzen auf bestimmte Personengruppen, die aus Erschöpfung schweigen.  

Margit Aster, Kathrin Kofler