Gesellschaft | Stimme geben

Wer erinnert sich?

Eine Initiativgruppe will jenen ihre Stimme leihen, die im Lockdown noch stiller geworden sind: den Kindern.
Reminderz
Foto: Jörg Oschmann

“Perché non posso abbracciare i miei nonni?” Man sieht das Kind nicht. Doch seine Stimme klingt unüberhörbar über den Platz. Es ist eine von vielen Botschaften, die diese Woche vor dem Landtag abgespielt wurde.
Eine Gruppe von Frauen und Mütter haben sie gesammelt und nach Bozen getragen: Stimmen, die ohnehin schon kaum gehört werden – und während der Corona-Krise noch weniger. Die der Kinder.

“Ihr habt mich vergessen” steht in den drei Landessprachen auf dem Banner, das die Initiativgruppe über den Silvius-Magnago-Platz gespannt hat. “Ganz viele Frauen und Mütter fühlen sich wirklich vergessen, ohnmächtig und sehen keine Handhabe. Zugleich aber trauen sich viele nicht, sich zu exponieren – deshalb haben wir gesagt, wir machen das für euch”, erklärt Barbara Plagg. Die Uni-Dozentin und Forscherin ist selbst zweifache Mutter und will gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen “nicht Forderungen, sondern Erinnerungen” bei der Politik platzieren. “Wir erinnern daran, dass Kinder unsere Zukunft sind und ihr Schutz unser aller Pflicht und Aufgabe ist.” Entsprechend der Slogan der Gruppe – “Be A Reminder” – die eine eigene Webseite erstellt hat.

“Diese Krise hat gnadenlos aufgezeigt, dass marktwirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen. Kinder und Jugendliche sowie Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigung wurden nicht gehört”, prangert Plagg an. Von einer “generationenübergreifenden Sozialpolitik” keine Spur.

“Nach über drei Monaten sind noch immer keine konkreten Maßnahmen zur Reduzierung von Kollateralschäden durch Schul- und Kindergartenschließungen, von denen insbesondere Kinder aus belasteten und einkommensschwächeren Familien betroffen sind, umgesetzt worden.”
(Be A Reminder)

“Be A Reminder” will ein Zeichen setzen, für die, die ungehört im Stillen verharren, und mit kreativen Ideen Lösungsansätze aufzeigen. “Wir erhalten über die Homepage recht viele Nachrichten, von Müttern vor allem, deren Kinder nicht mehr in die Kita zurückdurften, aber auch von Jugendorganisationen, die sich bedanken und ihre Unterstützung zusichern. Die Resonanz ist sehr groß, das hätten wir nicht erwartet”, berichten die Initiatorinnen wenige Tage nachdem “Be A Reminder” gestartet ist.

 

Ein jüngstes Beispiel, wie es um die Interessen der Jüngsten bestellt ist: Die Bildungsverantwortlichen planen offenbar, den Schulsport im kommenden Schuljahr aus dem Programm zu streichen, “offensichtlich, um eine ‘Denkpause einzulegen’”, schreibt der VSS am Freitag Nachmittag in einer Stellungnahme. Der Verband der Sportvereine Südtirols kritisiert die Pläne: “Wir glauben, dass es Zeit zum Nachdenken von März bis September ausreichend gab bzw. noch gibt, um sinnvolle und kreative Angebote – durchaus in einem eingeschränktem Rahmen – zu definieren und konkret zu planen. Der VSS ersucht die Bildungsverantwortlichen, sich ihrer Verantwortung zu stellen, einer Verantwortung, der sich private Organisationen wie z.B. die Sportvereine auch im Interesse der Kinder und Jugendlichen und deren Familien stellen. Der VSS ersucht auch die politisch Verantwortlichen in Land und Gemeinden um Unterstützung dafür und auch darum, dass die Schulsporthallen nicht zu Klassenräumen umfunktioniert werden. Dafür gibt es ausreichende Alternativen.”

 

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Lollo Rosso Sa., 13.06.2020 - 12:48

Diese unnötig rührselige Aktion kommt zwei Monate zu spät. Wer hindert Kinder jetzt dran ihre Großeltern zu umarmen? Besser man hätte die Notlagen der Familien in den Mittelpunkt gestellt anstatt sich auf die armen Kinder rauszureden. Effekthascherei, sonst nichts. Die Landesregierung tut was sie kann, und Eltern haben jetzt wieder genug Möglichkeiten ihren Kindern soziale Kontakte zu ermöglichen.

Sa., 13.06.2020 - 12:48 Permalink
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Christoph Wallnöfer So., 14.06.2020 - 20:20

Antwort auf von Lollo Rosso

Von wegen "Die Landesregierung tut was sie kann ...". Es ist höchste Zeit für eine ehrliche Corona-Aufarbeitung. Das erwarte ich mir vom Landeshauptmann und von seinen RegierungskollegInnen. Endlich den Tatsachen in die Augen zu schauen und Verantwortung zu übernehmen auch für das was nicht so gut war!
Hier zwei Artikel dazu:
Corona-Aufarbeitung: Warum alle falsch lagen
Norway health chief: lockdown was not needed to tame Covid (Norwegens Gesundheitschefin: der Lockdown wäre nicht nötig gewesen um Covid zu bändigen)
sowie wozu namhafte deutsche Mediziner und Wissenschaftler zusammen mit 16.000 Unterzeichnern die deutschen Bundes- und Landesregierungen auffordern.

So., 14.06.2020 - 20:20 Permalink
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Peter Gasser Mo., 15.06.2020 - 17:47

Antwort auf von Christoph Wallnöfer

16.000 Bundesdeutsche sehen die Sachlage anders als die anderen 80.000.000: was wollen Sie uns damit sagen?
Zum Link, „warum alle falsch lagen“: also, „alle lagen falsch“?
Alle?
Also 100.000de Ärzte und Wissenschaftler liegen alle falsch, und dass China Peking teilweise sperrt und Märkte desinfiziert ist alles nur Theater?
Dass „Bergamo“ sich nicht auf ganz Oberitalien ausgeweitet hat, ist - wie sagte Donald, der Trump: aja, ihm zuliebe ist es einfach “verschwunden”.
Oder doch nicht?

Mo., 15.06.2020 - 17:47 Permalink
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gorgias Sa., 13.06.2020 - 13:44

Muss jetzt der Onkel Arno vorbeischauen und den lieben Kinderlen erklären warum man der Oma kein Bussi geben oder mit der Freundin spielen kann? Oder ist das nicht die Aufgabe der Erziehungsberechtigten?

“Be A Reminder” will ein Zeichen setzen, für die, die ungehört im Stillen verharren, und mit kreativen Ideen Lösungsansätze aufzeigen."

Kann die Landesregierung mehr für Kinder tun? Sicherlich! Und was genau? Weiss ich nicht. Deshalb gehe ich jetzt mal auf die Seite dieser Aktion. Aber
wo sind denn die kreativen Ideen und Lösungsansätze?

Ich habe vollstes Verständnis für all jene, die durch diese schwierige Zeit mit Kinder müssen, doch anstatt diesen "Friendly reminder", macht lieber Nägel mit Köpfen und stellt doch konkrete Forderungen. - Denn Kinder haben sicherlich eine Lobby verdient.

Sa., 13.06.2020 - 13:44 Permalink
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Barbara Plagg Sa., 13.06.2020 - 17:47

Antwort auf von Lollo Rosso

Liebe Onkels L. und G., vielen Dank für Ihre Rückmeldungen, die Ihre fundierte Expertise und Eigenerfahrung in der aktuelle Betreuungs- und Erfahrungswelt von Familien mit Kindern ausweist. Ich glaube, Sie wissen bereits über alles bestens Bescheid (zum Beispiel dass Kinderbetreuung bzw. die "armen/lieben Kinderlein" wie Sie sie nennen absolut gar nichts mit der "Notlage" von Familien zu tun hat - eine wirklich bemerkenswerte Beobachtung!), erlaube mir aber dennoch, Sie darauf hinzuweisen, dass der Kern der Aktion, wie der Name Insidern verrät, das "Erinnern" der EntscheidungsträgerInnen an Ihre generationsübergreifende Verantwortung ist - wie es etwa aktuell von UNICEF etc. gefordert wird - und weder Lösungsansätze noch Forderungen erarbeitet werden (auch wenn das im Artikel angedeutet ist), denn das ist schlicht nicht die Aufgabe einer zivilgesellschaftlichen Guppe. Und wie Sie beide sicherlich auch wissen, ist eine Arbeitsgruppe oder ein Positionspapier ohne Mandat so zielführend wie Ihre Kommentare hier.
Wo Sie allerdings Recht haben: Die Aktion hätte noch früher stattfinden können und die "armen/lieben Kinderlein" freuen sich darauf zählen zu dürfen, dass beim nächsten Mal so motivierte und informierte Männer wie Sie früher aktiv werden und ihnen rührselige Aktionen ersparen. Vielen Dank!

Sa., 13.06.2020 - 17:47 Permalink
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Profil für Benutzer Sylvia Rier
Sylvia Rier Sa., 13.06.2020 - 20:59

Mich würde hingegen was anderes interessieren, und zwar: Wo sind die Väter dieser Kinder? Gibt es sie (nicht)? Arbeiten sie gerade (noch im Home-Office? Oder schon wieder in der Firma?)? Oder räumen sie zuhause auf, derweil die Mütter protestieren?

Es wird Zeit, nein es ist höchste Eisenbahn, dass endlich (auch) die Väter in Erscheinung treten, wenn es um ihre Kinder geht!

Sa., 13.06.2020 - 20:59 Permalink
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Christoph Wallnöfer So., 14.06.2020 - 17:16

Seit dem 16.03.2020 hat LH Arno Kompatscher sehr viele Dringlichkeitsmaßnahmen verordnet. Am laufenden Band sozusagen. Seit diesem Tag hätten er und seine LandesregierungskollegInnen sich gleichzeitig auch über die mittel- und langfristigen Folgen dieser Dringlichkeitsmaßnahmen Gedanken machen müssen. Auch dafür wurden und werden sie von uns bezahlt. Nix ist diesbezüglich passiert, so mein Eindruck. Ich habe bis heute weder eine Risikoanalyse noch Schadenserhebungen zu Gesicht bekommen. Auch scheint es mir, dass den Damen und Herren auch jetzt immer noch nicht dämmert was mit diesen Maßnahmen angerichtet wurde. Ich hoffe sie kriegen die Kurve doch noch ...
Wenn nun eine Gruppe mutiger Menschen wie die Initiativgruppe um Frau Plagg erst mal den Finger in die Wunde legen dann ist das nur zu begrüßen.

So., 14.06.2020 - 17:16 Permalink