Freske Adam-Eva
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Gesellschaft | fritto misto

Franz und die Frauen

Ein Landtagsabgeordneter offenbart ein erschreckend mittelalterliches Frauenbild: Tun wir aber bitte nicht so, als wären wir gesellschaftlich schon so viel weiter.

Es gibt ja Landtagsabgeordnete, von denen weiß man gar nicht, dass sie welche sind. Man hört kaum etwas von ihnen, hie und da stehen sie vielleicht auf einem Foto etwas unbeholfen herum und fragen sich selbst insgeheim: Jo, wos tua i denn eigentlich do? Der Locher Franz ist so ein Fall, und es ist zu vermuten, dass ihm das selber in letzter Zeit unangenehm aufgefallen ist, sodass er beschlossen hat: Franz, du muasch in die Medien! Dafür gäbe es dann zwei Möglichkeiten: Entweder, man sorgt mit einem Geniestreich für Aufmerksamkeit, oder aber mit dem Gegenteil davon. Letzteres hat den Vorteil, dass es sehr viel einfacher zu bewerkstelligen ist, medial auch viel höhere Wellen schlägt als jede Heldentat (Faktor Schadenfreude), der Nachteil ist aber, dass die Sch…e, die bei diesem Griff ins Klo zutage tritt, dann auch hängen bleibt. Jedenfalls hat der Locher Franz ordentlich hineingelangt in den Abort der Unappetitlichkeiten, als er letzte Woche anlässlich des Raumordnungsgesetzes im Landtag über das bei Chauvinisten immer wieder beliebte Thema „Frauen und Technik“ referierte. Zitat:
„Ich bin überrascht, das muss ich wirklich sagen. Die Frau Hochgruber Kuenzer hat sich in diese Materie unglaublich hineingekniet. Es überrascht mich, wie sie mit dieser Materie zurechtkommt. Es ist halt Technik und wäre eigentlich eine Männersache. Das ist eine technische Geschichte, doch die Maria Kuenzer hat sich – als Frau, das muss man wirklich sagen – unglaublich etabliert und ist manches Mal ziemlich hart geblieben. Manchmal zeichnet das auch die Frauen aus.“

Setz dich jetzt besser hin, Franz, denn I have news for you, and they will rock your little Sarner world.

Uff. Frau weiß ja gar nicht, wo sie anfangen soll. Dass Locher „überrascht“ ist, wenn eine Frau sich mit einem Thema fernab von Küche und Kindererziehung beschäftigt. Dass eine Frau sich „hineinknien“ muss, weil ihr offenbar die intellektuellen Voraussetzungen fehlen, was sie nur mit verstärktem Fleiß wettmachen kann. Dass er Technik gänzlich unironisch und schambefreit als „Männersache“ bezeichnet. Dass Kuenzer „als Frau, das muss man wirklich sagen“ etwas hingekriegt hat – als wäre von einer Frau nicht mehr zu erwarten als von einem dressierten Aff‘. Dass sie „hart geblieben“ ist, obwohl doch jeder weiß, wie schwach und weich die Frauenzimmer sind. „Manchmal zeichnet auch das die Frauen aus.“ Ja, manchmal. Im Allgemeinen zeichnet sie dann aber doch das Pappn hebn und brav Knödel drahnen aus, oder Franz?
Applaus gab es dafür im Landtag keinen (sicher auch überraschend für Locher), wohl aber Proteste, und ich kann nur hoffen, dass die gute Maria, derart geschmäht und kleingemacht, unterstützt von Brigitte, Ulli, Magdalena und Co. den lieben Franz, der da so freimütig Einblicke in sein beengtes Weltbild gewährte, nach der Sitzung hinter dem Landhaus abgepasst und ordentlich (zumindest verbal) eine gesemmelt haben, apropos Knedl. Obwohl er sich doch gleich entschuldigt und wie ein echter Fettnäpfchen-Pro damit alles nur noch schlimmer gemacht hatte: „Ich wollte das als Kompliment weitergeben, dass die Landesrätin ALS FRAU eine wirklich gute Arbeit macht.“ Womit wir wieder beim dressierten Aff‘ wären.

 

Franz, stell schon mal das Riechsalz bereit, wir müssen reden. Ich werde dich jetzt behutsam aus dem dunklen Zeitalter, in dem du es dir anscheinend bislang relativ unbemerkt gemütlich eingerichtet hast, herausführen. Was für mich nicht ganz einfach ist, ALS FRAU, ich werde mich also richtig HINEINKNIEN müssen. Zum Glück hat mir der Mann den PC angemacht, Word gestartet und bedient mir dieses komplizierte Schiebeding (er sagt, es nennt sich Computermaus), aber FRAUEN UND TECHNIK: Du weißt eh. Nichtsdestotrotz: Setz dich jetzt besser hin, Franz, denn I have news for you, and they will rock your little Sarner world. Zuallererst beruhigende: Du kannst völlig unbesorgt so lange du willst geradeaus gehen und brauchst dich nicht mehr davor fürchten, irgendwo runterzufallen, denn: Die Erde ist KEINE Scheibe! Überraschend, ich weiß, aber ist so. Zweitens: Die Seuche, von der alle grad so viel reden, es ist NICHT die Pest. Die Pest ist lange vorbei, zumindest hier bei uns. Und drittens, ein bissl was über Frauen, und da hagelt’s jetzt richtige Überraschungseier, weil die Neuigkeiten nicht ganz angenehm für dein männliches Selbstverständnis sind: Die Frau wurde NICHT aus der Rippe des Mannes geformt! Das weibliche Gehirn mag zwar kleiner sein als das männliche, es ist deswegen aber NICHT weniger leistungsfähig! Und, Achtung, jetzt wird es richtig schockierend: Frauen können ebenso gute Mechaniker*innen, Bauingenieur*innen, Programmierer*innen etc. sein wie Männer. Genauso wie Männer ebenso gute Kindergärtner*innen, Hebammen oder Haushälter*innen sein können. Dass es trotzdem leider nicht mehr Frauen in „typischen Männerberufen“ und umgekehrt Männer in „typischen Frauenberufen“ gibt, das liegt unter anderem an Aussagen wie den deinen. Weil du ein Geschlechterbild transportierst, das in die Mülltonne gehört, und das doch weiter verbreitet ist, als wir vermeintlich  Aufgeklärte uns eingestehen wollen. Was habe ich geschmunzelt, als die Tochter einen Kindergärtner bekam. Was habe ich von Bekannten (nicht nur Männern) zu hören bekommen, als ich (als Frau!) Autotests geschrieben habe („Tat i nia lesn.“). Wie exotisch wirkt immer noch ein Mann, der in Elternzeit geht und den Haushalt schmeißt, während die Frau Vollzeit in ihrem, womöglich vollkommen „unweiblichen“, Job arbeitet. Wie arm sind wir dran, wenn sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk Berufe wie selbstverständlich mit Geschlechtern verknüpft.

 

Dass Kuenzer „als Frau, das muss man wirklich sagen“ etwas hingekriegt hat – als wäre von einer Frau nicht mehr zu erwarten als von einem dressierten Aff‘.

Ja, Franz, du verdienst dir einen gewaltigen Rüffel, aber ein bisschen müssen wir uns halt doch alle fragen, ob wir wirklich so aufgeschlossen und vorurteilsfrei denken und agieren, wenn uns Abweichungen von tradierten Rollenbildern zwar nicht unangenehm, aber doch als Kuriosum auffallen. Auch so zementieren wir Geschlechterklischees und geben sie, und das ist das Fatale, an unsere Kinder weiter. Wenn im Kindergarten zu Fasching alle Mädchen als Prinzessin Elsa und alle Jungs als Feuerwehrmann Sam verkleidet sind, dann ist das einerseits süß, und andererseits erschreckend: Ist unsere Auswahl an Vorbildern und Lebensentwürfen wirklich derart beschränkt? Abhilfe schaffen kann hier, wieder einmal, Bildung: Good Night Stories for Rebel Girls ist beispielsweise ein Buch, das ich nicht nur Eltern, sondern auch dir, Franz, wärmstens ans Herz legen möchte. Es passt bequem aufs Nachtkastl, und jeden Tag eine kleine Geschichte vor dem Einschlafen verändert dein Weltbild sicher nachhaltig. Du lernst Ada Lovelace kennen, die ALS FRAU bereits im 19. Jahrhundert die Idee hatte, so etwas wie einen Computer zu erfinden. Oder die Astrophysikerin Margherita Hack, nach der sogar ein Asteroid benannt wurde. Oder Hedy Lamarr, die nicht nur für ihr blendendes Aussehen bekannt ist, sondern auch dafür, dass sie im Zweiten Weltkrieg eine Funksteuerung für Torpedos entwickelt hat. Das Buch hätte mehrere Bände, wäre Frauen der Zugang zu Bildung nicht so lange verwehrt geblieben, und das ist der eigentliche Grund für das Vorurteil von der Unvereinbarkeit von Frauen und Technik, nicht etwa ihre körperliche oder geistige Beschaffenheit. Nicht auszudenken, welche Erfindungen und Entdeckungen uns dadurch entgangen sind, dass der Goldstandard von dem, was Frauen nicht nur manchmal, sondern meistens auszeichnete, viel zu lange so aussah:
„So muß sich die ganze Erziehung der Frauen im Hinblick auf die Männer vollziehen. Ihnen gefallen, ihnen nützlich sein, sich von ihnen lieben und achten lassen, sie großziehen, solange sie jung sind, als Männer für sie sorgen, sie beraten, sie trösten, ihnen ein angenehmes und süßes Dasein bereiten: das sind die Pflichten der Frau zu allen Zeiten, das ist es, was man sie von Kindheit an lehren muß.“

Deshalb, lieber Franz, und nicht nur du: Sei nicht wie Rosseau, der ist auch schon lange passé wie Erdenscheibe und Beulenpest, sondern schau dir mal an, was Frau alles kann. Gewiss finden sich Frauen, die dich gerne mal einen Tag an ihren Arbeitsplatz einladen, damit du siehst, dass sie dort nicht nur Kaffee kochen, sondern richtig „männliche“ Dinge tun (paging Marlene Rinner), und ich verspreche dir: Die Überraschungen werden nicht ausgehen.