Kultur | Gastbeitrag

Die vergessene Kultur

Philatelie ist mehr als ein Hobby: Vermittelt Wissen, schafft Entspannung, bildet Werte und verbindet Freunde in aller Welt.
max moritz
Foto: Privatsammlung Sebastian Felderer
Damit wäre eigentlich schon alles gesagt. Mit diesem Leitsatz beginne ich den Lehrgang für Philatelie, der in meinem Angebot steht und in welchem ich meine sechzigjährige Erfahrung als Sammler und Philatelist weitergebe.
 
 
Wie war das damals schön, 1959 in der Mittelschule, wo in meiner Klasse von zwanzig Buben gute fünfzehn Briefmarken sammelten. Ja, ich weiß, ihr alle habt mal gesammelt. Ich höre das immer wieder. Aber warum habt ihr nicht weitergemacht, so wie ich? Sechzig Jahre lang.  Weil ihr über das anfängliche „Anhäufen“ nicht hinausgekommen seid. Weil ihr die Sammelleidenschaft nicht entdeckt habt und weil euch diese „Sucht“ des Sammelns nicht gepackt hat. Dazu braucht es mehr als ein Album, eine Lupe, eine Pinzette. Dazu braucht es Wissensdurst, Neugierde, einen Verein, einen guten Freund. Auch einen Gönner, der einem vielleicht mal interessante Briefmarken schenkt.  Heute gibt es Internet, es gibt moderne Kommunikation, es gibt mehr Taschengeld, aber es gibt leider „keine„ Briefmarken mehr.  Oh doch, es gibt sie noch. Aber sie haben keine Verwendung mehr. Auf den Brief kommt ein neutrales „Pickerl“  aus dem Computer, wenn überhaupt noch was drauf muss.
 
 
Die Welt der Briefmarke ist zusammengebrochen, so wie die Filmrollen in der Fotographie, so wie vieles  andere auch, das eben nicht mehr gebraucht wird.
 
Die Welt der Briefmarke ist zusammengebrochen, so wie die Filmrollen in der Fotographie, so wie vieles  andere auch, das eben nicht mehr gebraucht wird.  Und damit ist auch die ganze Kultur um die Briefmarke eingebrochen. Nicht nur der Konkurs der famosen Wertpapierdruckerei Courvoisier in der Schweiz hat den „schönen“ Briefmarken den Garaus gemacht, auch die ÖSD, die Österreichische Staatsdruckerei, die für die halbe Welt die herrlichsten Briefmarken gedruckt hat, macht nicht mehr ihren Job von einst. Jedem Österreich-Sammler wird das Herz bluten, wenn er den billigen Offsetdruck ins Album steckt und an die Einmaligkeit der Ausgaben in den Fünfziger- und Sechzigerjahren denkt. Ein Stichtiefdruck in Vollendung, später die Kombination mit dem Rastertiefdruck, das waren noch Zeiten.
 
 
Nun fehlt auch die Verwendung der Briefmarke und damit ist das Hobby, sich damit zu beschäftigen, fast von der Bildfläche verschwunden. Ich sage fast, denn „corona“ hat so einiges zum Leben erweckt und uns wiederentdecken lassen, was schon gänzlich abgeschrieben war. Es keimt Hoffnung auf, auch bei mir als eingefleischten Sammler.
 
 
Es keimt Hoffnung auf, auch bei mir als eingefleischten Sammler.
 
In jahrelanger Arbeit ist es mir gelungen, meine Sammlungen in Ausstellungsobjekte zu verwandeln. Mit meinem Repertoire bin ich sicher europaweit der größte,  private Aussteller, mit 27 Themen und fast 280 Ausstellungsrahmen. Damit will ich zeigen, was die Welt der Briefmarke alles umfasst und wie schön, lehrreich und unterhaltsam Philatelie sein kann. Es geht weit über die „Briefmarke“ hinaus, es geht in Richtung Kunst, Kultur, Wissen, Graphik, Leidenschaft. Historische Ansichtskarten zählen genauso dazu wie der unerschöpfliche Bereich der Postgeschichte. Diese Sparten sind nicht krisenabhängig und auch deren Markt ist nicht eingebrochen. Aber wenn für junge Leute das „Medium“ Briefmarke fehlt, um den Reiz dieser Freizeitbeschäftigung zu entdecken, dann bleibt eben alles auf der Strecke.
 
 
Briefmarkensammeln war noch nie so günstig wie heute. Der Markt ist überhäuft von Material, abgestoßenen Sammlungen und Nachlässen. Internet bietet eine Reihe von Möglichkeiten für einen jungen Philatelisten und die Zeit spricht wieder für Angebote, wie gemütliches Beschäftigen mit Kulturwerten,  spielende Wissensvermittlung, Ordnungssinn, Kontakte weltweit, Freundschaften, arbeiten mit dem Computer.
Es gibt noch viel zu tun, gehen wir‘s an.