Politik | SVP

Partei im Krisenmodus

Die 600-Euro-Bonus-Affäre hat die SVP in eine fast ausweglose Situation gebracht. Die Basis ist so aufgebracht, dass jetzt ernsthaft Rücktritte im Raum stehen.
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Foto: Othmar Seehauser
Philipp Achammer sollte am Montagvormittag eigentlich im Tannerhof in Girlan sein.
Dort wollte der SVP-Obmann die Eppaner-SVP-Kandidatenliste für die anstehenden Gemeinderatswahlen vorstellen. Doch die Pressekonferenz wurde am Montagmorgen abgesagt. „In Anbetracht der Entwicklungen rund um Auszahlungen der Covid-Prämien verschieben wir die Pressekonferenz zur Präsentation unserer Kandidatinnen und Kandidaten“, erklärt der Eppaner Bürgermeister-Kandidat Reinhard Zublasing in einer Aussendung. Die Vorstellung soll am Donnerstag nachgeholt werden.
Allein diese Nachricht zeigt, wie angespannt die Situation innerhalb der SVP ist. SVP-Obmann Philipp Achammer und Landeshauptmann Arno Kompatscher eilen derzeit von einer Krisensitzung zur nächsten. „Die Bude brennt“, beschreibt ein hohes SVP-Mitglied das Klima. Wie ernst die Lage ist, wird auch dadurch deutlich, dass niemand aus der SVP (mit Ausnahme des Obmannes) derzeit offen reden will.
 

Trio Infernale


Am vergangenen Donnerstag enthüllte die Tageszeitung, dass sich unter den Politikern, die bei der INPS um den 600-Euro-Cornabonus angesucht haben, auch drei SVP- Landtagsabgeordnete befinden: Landesrat Arnold Schuler, Fraktionssprecher Gert Lanz und der Eisacktaler Abgeordnete Helmuth Tauber.
 
 
Die Enthüllung hat eingeschlagen wie eine Bombe. Das große Glück der Volkspartei ist die Tatsache, dass mit Paul Köllensperger auch der wichtigste Südtiroler Oppositionspolitiker in denselben Skandal verwickelt ist. Auch der Kopf des Teams K hat den 600-Euro-Bonus beantragt und bekommen. Köllensperger hat nach Bekanntwerden umgehend reagiert: Er hat sich entschuldigt und erklärt, den Bonus bereits zurückgezahlt zu haben. „Es wird ihm politisch schaden“, sagt ein Mitglied der SVP-Parteileitung, „aber er hat wenigst angemessen reagiert“.
Die drei SVP-Mandatare versuchten hingegen in den vergangenen Tagen, wortgewaltige Ausreden für ihren unverzeihlichen Fehltritt zu finden. Genau damit haben sie aber ihre missliche Situation noch einmal deutlich verschlechtert. Gert Lanz schob die Schuld auf seinen Steuerberater, ebenfalls ein SVP-Funktionär. Dieser lieferte eine hanebüchen wirkende Erklärung ab, die so kaum glaubhaft erscheint. Auch Landeshauptmannstellvertreter Arnold Schuler hat eine Rechtfertigung herausgezogen, die auch dann, wenn sie stimmt, nicht wirklich vermittelbar ist.
 

Kochende Basis

 
Ich habe noch nie ein solches Hochunserefrau-Wochenende erlebt“, sagte SVP-Obmann Philipp Achammer am Montag im Morgengespräch auf RAI Südtirol. Mehrere SVP-Bezirks- und Ortsobmänner bestätigen gegenüber Salto.bz, dass die Parteibasis kocht. „Die Menschen sind aufgebracht“, sagt ein Bezirksobmann, „ich habe Dutzende Anrufe und Nachrichten bekommen“. Der Tenor: Es müssen Köpfe rollen.
Dass die Wogen in der SVP-Basis so hochgehen, liegt auch daran dass die Affäre klar verständlich und vermittelbar ist. Jeder und jede verstehen, dass die Inanspruchnahme dieser 600 Euro vonseiten der Politiker eine „Sauerei“ ist. Unabhängig davon, ob die Aktion rechtens ist oder nicht.
 
 
Dazu kommt, dass es mit Landeshauptmann-Stellvertreter Arnold Schuler ausgerechnet einen trifft, der vor sieben Jahren zusammen mit Arno Kompatscher als Galionsfigur eines politischen Erneuerungskurses angetreten war. Schuler, in der Durnwalder-Ära als „SVP-Rebell“ belächelt, war auch der Ausdruck einer neuen, bescheidenen und integren politischen Linie. Das alles ist jetzt durch die 600 Euro der INPS wie eine Seifenblase geplatzt.
Diese Sache schadet uns mehr als der Rentenskandal“, ist sich ein SVP-Parteileitungsmitglied sicher.
 

Vor dem Rücktritt?


Am Dienstag wird sich die SVP-Parteileitung mit dem Fall befassen. „Wir können und werden nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, kündigt SVP-Obmann Philipp Achammer an. Ein anderes Mitglied der Parteileitung fasst die schwierige Situation im obersten Parteiorgan wie folgt zusammen: „Wir müssen entscheiden, ob wir auf die Partei schauen wollen oder auf die drei Mandatare“.
Innerhalb der SVP ist längst klar, dass die Parteileitung am Dienstag den drei Sündern ganz sicher keinen Persilschein ausstellen wird. Man wird persönliche, politische Konsequenzen fordern. Das Problem dabei: Ein halbherziges, politisches Handeln würde den Zorn der Parteibasis noch einmal deutlich anheizen. Auch der im Vorfeld ventilierte Rücktritt der drei Landtagsabgeordneten von ihren Parteiämtern ist Humbug. Alle drei Mandatare bekleiden keine solchen Ämter.
Wir müssen entscheiden, ob wir auf die Partei schauen wollen oder auf die drei Mandatare.
Ein Mitglied der SVP-Parteileitung
 
Vor diesem Hintergrund debattiert man innerhalb der SVP inzwischen ernsthaft über einen Rücktritt der drei Mandate von ihren politischen Funktionen. Konkret: Arnold Schuler soll als Landesrat, Gert Lanz als Fraktionssprecher und Helmuth Tauber als Präsident des dritten Gesetzgebungsausschusses zurücktreten.
Alle drei würden somit zu einfachen Landtagsabgeordneten degradiert. Das Problem dabei: Der SVP geht die Personaldecke aus. Man wird sich vor allem schwer tun, Arnold Schuler in der Landesregierung zu ersetzen.
Nur so können wir unser Gesicht retten und einen Totalschaden bei den anstehenden Gemeinderatswahlen abwenden “, meint ein altgedienter Parteisoldat.
 
 

Gordischer Knoten

 
Diese radikale Lösung wäre aber vor allem für Arno Kompatscher ein SuperGAU. Denn mit Arnold Schuler und Gert Lanz würde man zwei seiner engsten politischen Vertrauten abschießen. Es wäre auch eine persönliche Niederlage und deutliche politische Schwächung des Landeshauptmannes.
 
 
Doch genau das dürfte auch einer der Gründe der aktuellen Mobilmachung unterm Edelweiß sein. Alle, die sich bisher nicht getraut haben, offen gegen Arno Kompatscher zu schießen, sehen jetzt ihre Chance gekommen, um alte Rechnungen zu begleichen. Es geht dabei auch darum, Kompatscher zu schwächen.
Dazu kommt, dass man die Entscheidung auch nicht bewusst hinauszögern kann.
Derzeit laufen auf nationaler Ebene mehrere Untersuchungen, ob der 600-Euro-Bonus Politikern überhaupt zusteht. Laut Meinung der Rechtsexperten haben Mandatare überhaupt kein Anrecht auf die Coronahilfe. „Kommt das aber heraus, wird der Volkszorn noch bedeutend stärker“, heißt es in der SVP.
Auch deshalb wird die SVP-Parteileitung eine schnelle und klare Entscheidung fällen müssen.
Dann wird sich zeigen, ob es keine zwei Jahre nach den Landtagswahlen zu ersten Regierungsumbildung kommt.
Und alles wegen 600 Euro.