Umwelt | Brixen

„Die Wähler wurden getäuscht“

Die Initiativgruppe für einen offenen Hofgarten lanciert einen Appell gegen das Andre-Heller-Projekt. Dabei nimmt man auch die Südtiroler Amtskirche ins Gebet.
Hofburggarten
Foto: Klaus Vontavon
Der Brief ging diese Woche an den Brixner Bürgermeister Peter Brunner, an Bischof Ivo Muser, an den Direktor des Diözesanmuseums, Peter Schwienbacher, den Mitgliedern des Stadtrates der Gemeinde Brixen, den Mitgliedern des Gemeinderates Brixen, an Landeshauptmann Arno Kompatscher, an Vizelandeshauptmann Giuliano Vettorato, an die Mitgliedern der Landregierung, an alle Landtagsabgeordneten an die zuständige Abteilungsdirektorin Karin Dalla Torre Pichler und an den Wiener Künstler Andrè Heller
In dem Schreiben heißt es:
 
Als Initiativgruppe für einen offenen Hofburggarten wenden wir uns in dieser schriftlichen und offiziellen Form an Sie, weil wir nach zahlreichen Interventionen, Aussprachen, Eingaben und Gesprächen mit offiziellen Entscheidungsträgern, aber auch
mit vielen Personen des privaten und öffentlichen Lebens, nicht zuletzt auch durch die Erfahrungen aus der Corona–Pandemie in folgender Überzeugung bestärkt wurden:
 
  • die Zukunft des Hofburggartens sollte von einer breiteren Öffentlichkeit getragen und mitgestaltet werden als es bisher der Fall war;
  • das Areal inmitten der Stadt soll kein Bezahl- und Schaugarten werden, wie es André Heller, der Stadtregierung und der Tourismusgenossenschaft vorschwebt, sondern ein Gartenprojekt wie es die Vorgängerregierung in einem partizipativen Prozess und internationalen Wettbewerb gutgeheißen hat;

 

  • keine Zugangsbeschränkungen sollen die Funktionen eines Parks reduzieren und ihn für Einheimische wenig attraktiv machen, dagegen sollte freier Zugang zu öffentlichem Grün grundlegend für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung sein;
  • Einheimische und Touristen sollten gleichermaßen von der Ruhe und Beschaulichkeit eines Gartens profitieren, der in den Jahrhunderten seines Bestehens nur von einer kleinen privilegierten Gruppe genützt werden konnte
Die Kirche als Besitzerin des Hofburgartens sollte ihrer Verpflichtung nachkommen, das historische Ensemble der Nachwelt zu bewahren und es nicht kurzsichtigen Zielen der Wirtschaftlichkeit opfern;
  • die kolportierte Summe der Garten-Errichtung nach den Plänen A. Hellers von 10 Millionen Euro erscheint nach dem wirtschaftlichen Lockdown der Pandemiezeit weit weniger vertretbar als vorher und stößt bei vielen Mitbürger/innen auf Unverständnis;
  • Keinesfalls sollten die Führungskosten eines künstlerisch aufwendig gestalteten Gartens die Steuerzahler in den nächsten Jahren und Jahrzehnten belasten, da noch nicht einmal ein klarer Businessplan oder eine Kostenrechnung vorliegt;
  • die Kirche als Besitzerin des Hofburgartens sollte ihrer Verpflichtung nachkommen, das historische Ensemble der Nachwelt zu bewahren und es nicht kurzsichtigen Zielen der Wirtschaftlichkeit opfern;
  • die Kirche sollte mit ihren Forderungen nach Bewahrung der Schöpfung und sozialem Ausgleich - häufig angemahnt in ihren Sonntagsreden - endlich ernst machen;
  • es sollte endlich zur Kenntnis genommen werden, dass die Bevölkerung seit dem Ausbruch der Corona–Pandemie sensibler auf städtebauliche Eingriffe reagiert und stärker in ihren Bedürfnissen nach Lebensqualität im öffentlichen Raum berücksichtigt werden möchte.
 

Transparenz, Information und Respekt

 
Bei der von unserer Initiative im März 2019 organisierten Bürgerversammlung ist der Wunsch nach Umgestaltung des Hofburggartens in einer sozial und ökologisch verträglichen Form deutlich hervorgetreten. Obwohl Bürgermeister Brunner bei diesem Anlass die öffentliche Vorstellung eines Projekts des Multimediakünstlers André Heller noch innerhalb Mai 2019 versprochen hat, wartet die Öffentlichkeit noch immer auf diese Präsentation.
Eine partizipative Einbindung der Bevölkerung wurde durch die Stadtverwaltung zu keinem Zeitpunkt gewährt. Auch die Kurie, in deren Besitz sich das Hofburggartenareal befindet, hat trotz mehrmaliger Versuche unserer Gruppe keine Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Lösung in dieser Frage signalisiert.
 
 
Mit dem Hinweis darauf, dass die Entscheidung für die Vergabe des Projektauftrags in demokratischer Weise durch den Stadtrat erfolgt ist, werden Einwände jeglicher Art und von welcher Seite sie auch kommen, zurückgewiesen.
Dabei ist bekannt, dass der Stadtrat 2014 und 2015 der Realisierung des Projekts des damaligen Wettbewerbssiegers, der Landschaftsarchitektur „freilich“ zugestimmt hat, um es ein Jahr später wegen angeblich zu geringer Attraktivität fallen zu lassen. Die Wähler/innen sind also durch die derzeitige Stadtregierung getäuscht worden, da die Gartengestaltung nie Teil der Wahlprogramme 2015 war und der Kurswechsel auch später nie öffentlich thematisiert wurde.
In der aktuellen Frage des Hofburggartens repräsentiert die Stadtregierung also keinesfalls den Mehrheitswillen der Bevölkerung, da die Wähler/innen der SVP-PD-Regierung 2015 von der Realisierung des Wettbewerbsprojekts ausgingen, aber wohl kaum von einem plötzlichen Sinneswandel der vormaligen Befürworter!
Seit 1990 ist der Hofburggarten als öffentliches Grün eingetragen, die Gemeinde Brixen hat seit 2008 das Areal angemietet, die Miete bezahlt und seit dieser Zeit den Garten nur insgesamt 327 Tage geöffnet.
 

Rechtlich fragwürdiger Auftrag

 
Nun hat der Brixner Stadtrat am 13. Mai 2020, mitten in der Zeit der globalen Pandemie, einen Dringlichkeitsbeschluss gefasst und dem Wiener Multimediakünstler André Heller den Auftrag zur Gestaltung des Brixner Hofburggartens im Kostenausmaß von 1,2 Millionen Euro erteilt. Gegen die Vergabe hat die Architektenkammer einen Rekurs beim Verwaltungsgericht eingereicht und somit das weitere Procedere vorläufig blockiert.
 
 
Die Bürger*innen Brixens, und wie es scheint, auch die politisch Verantwortlichen haben dazu weder ein ausgearbeitetes Projekt noch eine detaillierte Kostenaufstellung zu Gesicht bekommen. Gerade in einer Zeit, in der viele Familien um ihre Existenz bangen, das System der Bildungs- und Kinderbetreuung, die Sanität und viele Betriebe nach einem Ausweg aus der Krise suchen, wird ein teures Projekt vorangetrieben, das den Konsens der Bevölkerung nicht durch eine öffentlich transparente Diskussion gefunden hat. Zudem wird das Vorhaben mit den 10 Mio. Euro veranschlagten Kosten das Budget des Landeshaushalts, also uns Steuerzahler, für lange Zeit belasten.
 
Wir haben die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass der sündteure Bezahl- und Schaugarten mitten im historischen Zentrum Brixens verhindert werden kann.
 
Wir haben nach unzähligen Informationskampagnen und Aktionen in den letzten 2 1/2 Jahren die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass der sündteure Bezahl- und Schaugarten mitten im historischen Zentrum Brixens verhindert werden kann.
 

Unser Appell!

 
Mit diesem offiziellen Schreiben fordern wir Sie daher auf, ihre Entscheidung zu überdenken und das bereits vorhandene Projekt des Büros „freilich“ oder eventuell eine andere Lösung für den Hofburggarten zu realisieren, die den Konsens der Bevölkerung findet und der kulturhistorischen Bedeutung des Ortes gerecht wird.
Unterzeichnet ist der offene Brief von:
Maria Paola Asson, Hermann Barbieri, Paolo Cattoi, Susanne Elsen, Magdalena Fischnaller, Barbara Fuchs, Marlies Gasser, Michael Gasser, Hans Heiss, Hans Hofer, Walter Kircher, Franz Linter, Annelies Meßner, Franz Meßner, Simon Meßner, Greti Seebacher-Niedermair, Martina Stanek-Hellrigl, Maria Stockner, Edith Verginer-Gasser, Klaus Vontavon.
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Hartmuth Staffler Fr., 21.08.2020 - 19:09

Ich möchte mich den Unterzeichnern dieses Briefes anschließen. Die absolut undemokratische Vorgangsweise, mit der dieses Wahnsinnsprojekt durchgedrückt werden soll, zeigt deutlich auf, dass die Gemeinde Brixen derzeit keine Opposition hat, die sich diesen Namen verdient, und dass auch in der Mehrheit kein eigenständiges Denken, sondern nur blinder Herdengehorsam vorherrscht.

Fr., 21.08.2020 - 19:09 Permalink
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Martin Aufderklamm Sa., 22.08.2020 - 09:00

Ich schätze, dass dieses Projekt des Hofburgartens kein zweites Prags wird.
Falls doch, dann gibts sicher noch eine Seilbahn und noch eine Umfahrung und und und.....

Sa., 22.08.2020 - 09:00 Permalink
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Profil für Benutzer Franz Linter
Franz Linter Sa., 22.08.2020 - 23:25

Als einer der Unterzeichner möchte ich den heutigen Tag, den Erderschöpfungstag in Erinnerung rufen. Näheres hierzu: https://www.overshootday.org/newsroom/press-release-june-2020-german/

Was hat das mit dem Hofburggarten zu tun?
Der Tag zeigt uns, dass wir seit Jahrzehnten über unsere Verhältnisse leben und weltweit gesehen, die Ressourcen der Erde für dieses Jahr aufgebraucht und bis zum Jahresende auf Kosten der Zukunft und der Nachkommen leben.

Durch den weltweiten Lockdown ist der Tag über 3 Wochen nach hinten gerutscht. Das bedeutet: Man kann was dagegen tun und man muss noch viel mehr tun, nämlich kleinere Brötchen backen, verzichten.

Warum kann nicht ein großer Teil dieser 10 Millionen für eine zukünftige Welt mit weniger Konsum, weniger Ausbeutung und mehr Leben verwendet werden.

Ein großer Teil der Wissenschaftler geben der Weltbevölkerung gerade mal 10 Jahre um den Umstieg bis 2050 (bis dahin würde der Fruchtzinsvertrag gelten) zu schaffen und unsere Politiker tun so, als ob es die Klimakrise nicht gäbe.

Und weil selbst salto unsere homepage im Artikel nicht erwähnt, sei sie für Interessierte nochmal aufgeführt: https://openspacebx.org/

Sa., 22.08.2020 - 23:25 Permalink