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Dal Medicos Freund

Das Doppelspiel der Meraner SVP: Offiziell gibt man sich in der Stichwahl neutral. In Wirklichkeit aber unterstützt man den Rechtskandidaten Dario Dal Medico.
Meran
Foto: Othmar Seehauser
Als Siegfried Unterberger noch Chef des Meraner Stadtkomitees war und Karl Zeller ein junger aufstrebender Politneuling hatte die Meraner SVP ein politisches Ziel: Ein Deutscher sollte endlich Bürgermeister von Meran werden. Und man schaffte das bis dahin für unmöglich Gehaltene. 1980 wurde mit Franz Alber zum ersten Mal seit 1945 in Meran ein deutscher Bürgermeister gewählt.
Seit damals ist das die oberste politische Richtschnur der SVP in der Passerstadt. Seit 25 Jahren hat Meran inzwischen durchgehend einen deutschen Bürgermeister. Zuerst mit Franz Alber, dann mit Günther Januth (beide SVP) und in den vergangenen 5 Jahren mit dem Grünen Paul Rösch.
Auch bei den Gemeinderatswahlen 2020 stand dieses oberste Ziel lange Zeit. 
Die Volksparteistrategen gingen felsenfest davon aus, dass es der SVP-Spitzenkandidat Richard Stampfl gegen Amtsinhaber Paul Rösch in die Stichwahl schaffen wird. Doch genau das ging am vorvergangenen Sonntag und Montag ordentlich in die Hose. Und plötzlich ist alles anders. Was 40 Jahre lang das oberste Credo war, gilt plötzlich nicht mehr.
 

Das Doppelspiel

 
Offiziell hat die Meraner SVP nach der Wahlniederlage beschlossen, sich bei der Stichwahl am kommenden Sonntag zwischen Paul Rösch und Dario Dal Medico neutral zu verhalten. „Wir werden keine Wahlempfehlung abgeben“, hieß es am vergangenen Freitagabend nach der Sitzung der Meraner SVP.
Doch in der Realität sieht das Ganze völlig anders aus: Denn die offizielle Meraner SVP macht plötzlich Wahlkampf für einen italienischen Bürgermeister. Man unterstützt offen und noch mehr verdeckt Dario Dal Medico.
Es ist eine Aktion, die von langer Hand vorbereitet wurde. Lange vor den Gemeinderatswahlen haben die Meraner SVP-Granden im stillen Kämmerlein mit der neuen italienischen Sammelliste von „Allenza per Merano“ und „Civica per Merano“ einen politischen Pakt geschlossen. Damals war man noch sicher, dass Richard Stampfl gegen Paul Rösch in die Stichwahl kommen wird.
 
 
 
In dieser Stichwahl würden die zwei italienischen Parteien den SVP-Kandidaten unterstützen, der dann unweigerlich zum neuen Meraner Bürgermeister wird. Im Gegenzug standen die beiden italienische Liste als Koalitionspartner der SVP fest und Spitzenkandidat Dario Dal Medico als neuer Vizebürgermeister. „Die haben lange vor den Wahlen alle Posten und Ämter aufmerendet“, bestätigt ein Meraner SVP-Urgestein gegenüber Salto.bz.
Jetzt aber fordern Dal Medico & Co die Einhaltung der Abmachungen ein. Nur umgekehrt. Die SVP soll jetzt den italienischen Kandidaten unterstützen.
 

Vom Like zur Unterstützung

 
Karl Freund ist wenigstens auf dem Papier immer noch Fraktionssprecher der Meraner SVP. Freund wurde bei den Gemeinderatswahlen wiedergewählt. Er dürfte das Amt des SVP-Fraktionschefs im Meraner Gemeinderat damit behalten.
Karl Freund hat in den vergangenen Tagen mehrere Posts von Dario Dal Medico auf Facebook gelikt. Am Montag-Nachmittag folgt dann auf Freunds Facebook-Seite eine eindeutige Wahlempfehlung.
 
Ich wähle am Sonntag Dario Dal Medico, denn die Wirtschaft braucht klare Zugeständnisse!“
 
Darüber ein Foto des SVP-Fraktionssprechers zusammen mit dem italienischen Mitte-Rechts-Kandidaten.
 
 
 
Hatte die Meraner SVP nicht beschlossen, neutral zu bleiben und keine Wahlempfehlung abzugeben? Anscheinend gilt diese Regelung für den Chef der Meraner Gemeinderatsfraktion nicht.
Dieses Foto und der Post sollen bewusst Signalwirkung haben. Innerhalb weniger Stunden haben gleich vier Kandidatinnen und Kandidaten, die am vorvergangenen Sonntag auf der SVP-Liste standen, ihr Like darunter gesetzt: Carmen Trojer, Beatrix Burger, Aris Deflorian und Maria Magdalena Pircher Preims. 
Einer der ersten, der den Freund-Post auf Facebook teilte, ist ein anderer prominenter Volksparteiler, der seit langem offen Werbung für Dario Dal Medico macht. Gerhard Gruber war vor fünf Jahren noch als SVP-Bürgermeister-Kandidat in Meran ins Rennen gegangen. Gruber hatte im ersten Wahlgang die Nase vorne. In der Stichwahl verlor er aber gegen Paul Rösch.
Gerhard Grubers Lebensgefährtin Beatrice Calligioni kandidierte auf der Dal-Medico-Liste „La Civica per Merano“. So hat der Ex-SVP-Bürgermeisterkandidat einen familiären Grund, um sich bei Paul Rösch zu revanchieren.
 

Wirtschaft nach rechts

 
Dabei ist diese Liaison der Meraner SVP mit Dario Dal Medico weit tiefgreifender. In den nächsten Tagen dürften noch ein ganze Reihe von überraschenden Wahlempfehlungen folgen. Ein einflussreicher Kreis in der Meraner SVP arbeitet geschlossen in diese Richtung. In weiten Teilen der Meraner SVP-Wirtschaft ist die Abneigung gegen Bürgermeister Paul Rösch so groß, dass man plötzlich mit Freude Wahlkampf für den italienischen Mitte-Rechts-Kandidaten macht.
Es ist politische Lobbyarbeit. Denn man weiß nur zu gut, dass man gewisse Projekte und Plänen mit einem Bürgermeister Paul Rösch kaum umsetzen wird können. Es geht dabei um große finanzielle Interessen. Etwa beim Pferderennplatz oder beim riesigen Areal der Rossi-Kasernen, das längst die verschiedensten Appetitlichkeiten geweckt hat. „Man mobilisiert, weil man weiß, dass es um große Geschäft geht“, sagt der altgediente Meraner SVPler.
Dabei soll das Wahlvolk unterm Edelweiß möglichst wenig von all dem mitbekommen.
Denn die SVP ist in der Meraner Stichwahl ja neutral.