Politik | koalitionsgeplänkel

Meraner Block-ade

In Meran beharren Alleanza, Civica und SVP auf einer “Koalition der drei Blöcke”. Die kommt für Bürgermeister Rösch nicht in Frage. Die Situation ist verfahren.
Dal Medico & Rösch
Foto: KARLHEINZ SOLLBAUER

 

Für die einen ist die Sache ganz einfach: Paul Rösch soll eine Stadtregierung der “drei Blöcke” formen, eine Große Koalition aus Liste Rösch/Grüne, Alleanza und Civica per Merano und SVP, die bei den Gemeinderatswahlen in Meran jeweils acht Sitze erzielt haben. Ohne Team K, ohne Ökosoziale Linke, ohne PD, deren insgesamt vier Gemeinderäte hinter Rösch stehen. Von dieser Forderung rücken die beiden italienischen Bürgerlisten und die SVP seit Beginn der Sondierungsgespräche nicht ab. Der Bürgermeister müsse zur Kenntnis nehmen, dass “sein knapper Sieg bei der Stichwahl eine politische Phase abgeschlossen hat”, meint Dario Dal Medico, der selbst nicht an den Gesprächen teilnimmt. Diese Woche wurden die Koalitionsgespräche fortgeführt. Und nun zeigt sich offen, was sich von Anfang an abzeichnete: Paul Rösch spielt nicht mit.

 

Bürgermeister im Schwitzkasten

 

Alleanza, Civica und SVP haben es bisher tunlichst vermieden, öffentlich kritische oder gar scharfe Worte gegen den Bürgermeister zu äußern – wohl aus Kalkül. Der neue SVP-Stadtkomitee-Obmann Ernst Fop spricht von “angenehmen und zielgerichteten Gesprächen”. Die italienischen Bürgerlisten, deren gemeinsamer Bürgermeisterkandidat Dal Medico war, bestreiten interne Unstimmigkeiten – und lancieren die identische Botschaft, die auch die SVP verbreitet: Wir haben uns bereit erklärt, eine “Koalition der drei Blöcke” einzugehen, da diese den “Wählerwillen klar widerspiegelt”; nun liege es an Rösch, einen Vorschlag in diese Richtung zu unterbreiten.

Der Bürgermeister hat bis 3. November Zeit, eine Mehrheit samt Ausschuss zu bilden. Ansonsten wird Meran unter kommissarische Verwaltung gestellt und es kommt zu Neuwahlen. Mit ihrer Message – uns gibt es nur im Doppel- bzw. Dreierpack – erhöhen die Bürgerlisten und die SVP den Druck auf den Bürgermeister. Dieser lässt am Donnerstag (15. Oktober) Abend Dampf ab. Mit einer langen Stellungnahme, die er nicht etwa über seine persönliche Mailadresse oder über seine Liste verbreiten, sondern auf der Webseite der Stadtgemeinde Meran veröffentlichen lässt.

 

“Erpressungsversuche im Paket”

 

Er sei “verärgert über das Verhalten von SVP, Alleanza per Merano und Civica per Merano bei den Gesprächen rund um eine neue Stadtregierung”, so Rösch. Weiter schreibt er:

“Die drei Parteien betonen immer wieder, man müsse in den Verhandlungen den Wählerwillen respektieren, was sie allerdings vergessen, ist, dass die Wähler mich zum Bürgermeister und mein Listenbündnis zum stärksten im Gemeinderat gemacht haben.
Wenn es den drei Listen, die bis dato nur im Paket auftreten, wirklich um den Wählerwillen (und um die Stadt) ginge und nicht nur um die eigene Macht, ist dies das erste, was sie zur Kenntnis nehmen müssten. Diese Wahl hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht, es hat Parteien gegeben, die an Stimmen zugelegt, und solche die verloren haben, es hat Kandidaten gegeben, die es in die Stichwahl geschafft haben, und solche die außen vor geblieben sind, und es hat in der Stichwahl einen Kandidaten gegeben, der diese gewonnen hat, und einen, der sie – wenn auch knapp – verloren hat. Daran und nur daran ist der Wählerwille ablesbar. Die von SVP, Alleanza per Merano und Civica per Merano gebetsmühlenhaft wiederholte Formel von den ‘drei Blöcken’ ist nichts anderes als der Versuch, das vor der Wahl geschmiedete Bündnis zwischen den drei Parteien in der neuen Regierung fortzusetzen, obwohl man die Wahl verloren hat. Was man dabei vergisst: Die Meranerinnen und Meraner haben mich mit der Regierungsbildung beauftragt.
Wenn nun die SVP und die beiden italienischen Bürgerlisten versuchen, die Verhandlungen an sich zu reißen und mit Erpressungsversuchen zu arbeiten, wird der Wählerwillen mit Füßen getreten. Und es ist auch der Versuch, den gewählten Bürgermeister in der eigenen Stadtregierung zur Minderheit zu machen und jene Listen an die Macht zu bringen, die von den Bürgerinnen und Bürgern auf die Plätze verwiesen worden sind. Bei der von der SVP und den beiden italienischen Bürgerlisten geforderten Koalition hätte die Liste des Bürgermeisters drei Stimmen im Stadtrat, SVP und Bürgerlisten hätten vier.
Aus diesem Grund kommt für mich eine Koalition in dieser Form nicht in Frage. Offen ist auch nach wie vor, welcher italienische Vertreter das Amt des Vizebürgermeisters übernehmen kann. Dieses bieten wir dem künftigen größten italienischen Koalitionspartner an, es geht nun darum, dass uns die italienischen Bürgerlisten entsprechende Vorschläge unterbreiten.
Für mich als Bürgermeister gelten weiter zwei Prioritäten. Zum einen müssen wir der Stadt in den nächsten fünf Jahren die Politik garantieren, für die sie sich bei den Wahlen ausgesprochen hat. Zum anderen geht es darum, eine Regierung zu bilden, die fünf Jahre lang effizient und stabil regiert. Gerade in so schwierigen Zeiten wie diesen, in denen wir wegen der Covid-Pandemie heute noch nicht wissen, wie es morgen weitergeht, ist es wichtig, dass wir Parteiengeplänkel und Machtspielchen hintanstellen – zum Wohl unserer Stadt.
Das Letzte, was wir in dieser so tiefgreifenden Krise brauchen können, ist eine kommissarische Verwaltung der Stadt und Neuwahlen in einem halben Jahr. Das wären sechs Monate Stillstand, die wir uns gerade in dieser Situation schlicht und einfach nicht leisten können.”

 

Kein Pakt ohne Partner

 

Zwischen den Zeilen sind die Vorstellungen, die Rösch von seiner neuen Koalition hat, deutlich zu lesen: eine Mehrheit Liste Rösch/Grüne, Team K, Ökosoziale Linke und PD (insgesamt 12 Mandate), aber ohne zumindest eine der Listen aus dem Dreigespann Alleanza-Civica-SVP (insgesamt 16 Mandate). Bliebe die Volkspartei draußen, käme er auf 20 Gemeinderäte, ohne Alleanza auf 23, ohne Civica auf 25.

“Wenn alle Stricke reißen, kann es auch eine Mehrheit von 28 mit SVP, Alleanza und Civica werden, aber sicherlich nicht ohne unsere Partner Team K, Ökosoziale Linke und PD, ohne die wir in der Minderheit wären”, meint Rösch auf Nachfrage von salto.bz knapp.

 

“Arrogant und unvernünftig”

 

Für eine Mehrheit sind im 36-köpfigen Meraner Gemeinderat 19 Mandatare nötig. Dass sich Alleanza-Civica-SVP auseinander dividieren lassen, darf bezweifelt werden. Sollte es daher tatsächlich zu einer kommissarischen Verwaltung kommen, sieht Rösch die Verantwortung dafür nicht bei sich. Ganz anders Dario Dal Medico. Seit seiner knappen Niederlage in der Stichwahl wird der 52-jährige Anwalt als Röschs Vizebürgermeister gehandelt. Doch auf die jüngsten Aussagen seines Kontrahenten reagiert Dal Medico mit einer geharnischten Antwort, die zeigt, wie verfahren die Situation inzwischen ist:

“Die heftige Stellungnahme des Bürgermeisters Paul Rösch weist leider auf ein arrogantes Verhalten hin, das der demokratischen Tradition der Stadt Meran nicht zur Ehre gereicht.
Sich der institutionelle Webseite der Gemeinde zu bedienen, um die Opposition anzugreifen, ist an sich schon schlimm genug, und beweist zudem eine gewisse Äußerung von Nervosität, die der erste Bürger der Stadt nicht mehr unter Kontrolle hat. Wir hatten, und insbesondere ich hatte eine klare Aussage verlangt: Rösch nehme zur Kenntnis, dass die Hälfte der Stadt nicht ausgeschlossen werden kann, er bemühe sich, eine breite und auf Konsens basierte Vereinbarung im gegenseitigen Respekt abzuschließen.
Nichts. Auf diese Aufforderung wurde beschlossen, mit einer Blockade zu reagieren.
Leider riskiert die Stellungnahme von Rösch, der sich aus den Zwängen seiner Mehrheit nicht befreien kann, Meran in eine kommissarischen Verwaltung der Stadt zu führen und dies inmitten der Covid-Pandemie. Eine Verantwortung, die der Bürgermeister, durch seine unvernünftige Blockade-Haltung in erster Person übernehmen muss.”