Politik | Meran

Abgang mit Nachgeschmack

Wirbel um eine Ernennung in der Gemeinde Meran: Nicht nur Journalistenkammer und -gewerkschaft kritisieren einen Last-Minute-Beschluss von Paul Rösch scharf.
Wappen Meran
Foto: Hannes Prousch

Am heutigen Montag übernimmt Anna Aida Bruzzese die Amtsgeschäfte von Paul Rösch. Die 65-jährige Präfektin im Ruhestand wurde nach der gescheiterten Regierungsbildung vergangene Woche als kommissarische Verwalterin für die Stadt Meran eingesetzt – und wird sich auch mit einer Ernennung auseinandersetzen müssen, die seit dem Wochenende für Wirbel sorgt. Als Bürgermeister hat Rösch in einer seiner letzten Amtshandlungen einen neuen Leiter des Presseamtes der Gemeinde ernannt. Und sich dabei für eine Person entschieden, die ihm zum einen nahesteht und zum anderen die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt.

 

Kommunikation in Covid-Zeiten

 

Der Beschluss Nr. 406 ist auf den 2. November 2020 datiert. Er betrifft den “Abschluss einer Vereinbarung zur Vergabe eines Auftrages im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit”. Damit beauftragt Paul Rösch seinen bisherigen Kabinettschef Lukas Elsler, als Verantwortlicher des Gemeindepresseamtes “die Kommunikations- und Informationstätigkeit gegenüber den Meraner Bürgerinnen und Bürgern und der Allgemeinheit generell zu verbessern”.

Der Auftrag umfasst 90 Stunden pro Monat, für 44,44 Euro pro Stunde. Insgesamt also 4.000 Euro netto monatlich. Der Auftrag beginnt am heutigen Montag, 9. November und läuft für zwei Jahre, bis zum 9. November 2022. Allerdings wurde eine Sonderklausel eingefügt, die eine vorzeitige einvernehmliche Auflösung nach drei Monaten, also am 9. Februar 2021 vorsieht, falls Meran unter kommissarische Verwaltung gestellt wird. Was nur zwei Tage nach dem beanstandeten Beschluss passiert ist.

Rösch begründet die Ernennung mit dem Covid-19-Notstand, der “eine rechtzeitige und pünktliche Information der Bevölkerung über die Initiativen und Maßnahmen der Stadtverwaltung” erfordere. Und weil man bei der Suche nach “professionellen Pressebeauftragten” in der Meraner Stadtverwaltung nicht fündig geworden sei – “unter dem Personal der Stadtgemeinde gibt es keine geeigneten Fachleute für die Ausübung der (…) Leistungen”, heißt es im Beschluss –, habe er eben diesen Weg gewählt.

 

“Italienweiter Präzedenzfall”

 

Elslers Auftrag als Kabinettsleiter war zugleich mit dem Mandat des Bürgermeisters am 4. Oktober abgelaufen. Dass Rösch ihn nun – kurz vor den entscheidenden Gemeinderatssitzungen, bei denen über seinen Vorschlag für die neue Stadtregierung abgestimmt wurde – zum Leiter des Presseamtes ernannt hat, stößt bei der Journalistenkammer und der Journalistengewerkschaft FNSI auf “Befremdung und Ablehnung”. Denn der Beauftragte ist nicht in das Verzeichnis der Journalisten eingetragen. Ihm fehlt damit eine Voraussetzung, die gesetzlich für die Leitung von Presseämtern vorgesehen ist.

 

Zu dieser “klaren Nichtbeachtung des Gesetzes” kommt die “begrenzte Transparenz” des Auswahlverfahrens, die bei Mauro Keller als Präsident der Journalistenkammer Trentino-Südtirol und Rocco Cerone als Sekretär des lokalen FNSI-Ablegers “starke Skepsis” hervorruft. Denn zur Besetzung der Stelle sei kein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben, sondern drei Freiberufler kontaktiert worden – neben Elsler zwei, die in das Journalisten-Verzeichnis eingetragen sind. “Am Ende jedoch hat man sich für das finanziell günstigste Angebot entschieden.” Jenes von Elsler, der die Meraner Kommunikationsagentur “Känguru Kommunikation” führt.

“Was in Meran passiert ist, stellt in vielerlei Hinsicht einen Präzedenzfall in der öffentlichen Verwaltung auf nationaler Ebene dar”, kritisieren Keller und Cerone. Journalistenkammer und Journalistengewerkschaft fordern, dass der Beschluss “umgehend annulliert” wird und behalten sich rechtliche Schritte “wegen missbräuchlicher Ausübung des Berufs” (esercizio abusivo della professione) vor.

 

Beschluss unter Beschuss

 

Am Wochenende hat der Meraner Gemeindesekretär Günther Bernhart im Alto Adige angekündigt, dass er die Kommissärin Anna Aida Bruzzese umgehend auf den Beschluss hinweisen werde. Ebenso wie auf weitere, mit denen Rösch in den vergangenen Wochen Ernennungen vorgenommen hat, etwa in der Abteilung III - Bauwesen und technische Dienste und im Verwaltungsrat der Stadtwerke Meran AG.

Während Rösch sich bisher nicht äußern wollte, melden sich neben den Vertretern der Journalisten auch politische Exponenten zu Wort. “Hat der Bürgermeister mit den Ernennungen nicht warten können bis feststand, ob er eine Regierungsmehrheit und -mannschaft zusammenbekommt anstatt eindeutig politischen Ernennungen derart großer Tragweite vorzunehmen?”, fragt sich der Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì (Alto Adige nel Cuore). Nerio Zaccaria, Ex-Stadtrat und Kopf von Alleanza per Merano, attackiert im Corriere dell’Alto Adige: “Diese Entscheidungen sind zwar rechtmäßig, machen aber keinen Sinn und wurden in aller Stille getroffen. Rösch hat den Zeitraum ausgenutzt, in dem er alleine am Kommando war, um genehme Personen unterzubringen. Falls er erneut antritt, muss er Erklärungen liefern.”

Scharf geht man auch bei der SVP ins Gericht. “Obwohl der (noch) Bürgermeister Rösch die Postenschacherei normalerweise seinen politischen Kontrahenten in die Schuhe schiebt, beweist er selbst großes Geschick darin”, schreibt Aris Deflorian – der Vertreter von Confesercenti Meran hat bei den heurigen Gemeinderatswahlen für die Volkspartei kandidiert – am Sonntag Morgen auf Facebook.