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“Wir halten nicht den Kopf hin”

Der politische Druck auf die BBT SE steigt. Der Gesellschaft droht zudem ein Gerichtsprozess. Die Gegenseite erhebt schwere Vorwürfe.

“Einen ‘Milliarden-Auftrag’ löst man nicht leichtfertig auf; uns blieb aber jetzt keine andere Wahl.” Am Dienstag Morgen haben die Vorstände der BBT SE – jener Gesellschaft, die für die Errichtung des Brenner Basistunnels verantwortlich ist – mitgeteilt, dass sie den Bauvertrag mit der Bietergemeinschaft aus PORR AG und Condotte S.p.A. aufgekündigt hat. Wegen “Leistungsverweigerung” und daraus resultierender unlösbarer Rechtsstreitigkeiten. Nun muss mit dem Baulos Pfons-Brenner das 37 Kilometer lange Kernstück des BBT auf österreichischer Seite neu ausgeschrieben werden. Damit kommt es zu einer weiteren Verzögerung der Fertigstellung des Jahrhundertprojekts. Eine Inbetriebnahme wird erst nach 2030 realistisch.

Während sich die PORR AG rechtlich zur Wehr setzen will – “diese einseitige Vertragsauflösung ist eindeutig rechtswidrig”, sagt CEO Karl-Heinz Strauss –, steigt nun der politische Druck auf die BBT SE. “Als Landeshauptleute von Tirol und Südtirol erwarten wir uns von der Konzernspitze jetzt rasch Klarheit und einen konkreten Zeitplan, wie es weitergeht”, teilen Günther Platter und Arno Kompatscher in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Sie pochen darauf, “das Jahrhundertbauwerk Brennerbasistunnel innerhalb dieses Jahrzehnts zu realisieren”.

 

Verzug und Vorwurf

 

Bei der PORR AG ist man zum Schluss gekommen, dass der Vertrag zwischen BBT SE und ARGE H51 Pfons-Brenner – an der Bietergemeinschaft sind neben PORR und Condotte S.p.A. auch Hinteregger & Söhne Bau GmbH und Itinera S.p.A. beteiligt – “weiterhin aufrecht” ist, “selbst bei einer Neuvergabe”. Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Strauss stützt seine Behauptung auf ein Rechtsgutachten des Salzburger Universitätsprofessors Andreas Kletečka. Dieser sagt: “Bei einer rechtswidrigen Auflösung müsste die BBT auf jeden Fall den Vertrag mit der ARGE und allenfalls auch einen zweiten Vertrag mit einem neuen Auftragnehmer erfüllen. Die BBT hätte nicht nur den Gewinnentgang, sondern auch alle Kosten für die permanente Leistungsbereitschaft des gesamten ARGE-Belegschaft und der ARGE-Technik zu bezahlen. Das kann schon in die Nähe der ursprünglichen Auftragssumme kommen.”
Das Volumen des ARGE-Auftrags beläuft sich auf 966 Millionen Euro plus Umsatzsteuer.

 

“Die Vertragsauflösung ist aber nicht nur rechtlich nicht gedeckt, sie ist auch höchst unverantwortlich gegenüber den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Ein weiterer jahrelanger Verzug dieses bedeutenden europäischen Infrastruktur-Projektes und Kostensteigerungen in vielfacher Millionenhöhe sind damit unvermeidlich”, heißt es von der PORR. Dort erhebt man schwere Vorwürfe gegen den Vorstand und den Aufsichtsrat der BBT SE: Mit der Vertragsauflösung sollten Versäumnisse “kaschiert werden”.

“Seit nunmehr mindestens 2 Jahren wissen Vorstand und Aufsichtsrat der BBT SE, dass sie bei der Ausschreibung einen Fehler gemacht haben, der die Sicherheit des Tunnels gefährden würde. Würde die BBT die Sicherheitsbedenken ernst nehmen, müssten Vorstand und Aufsichtsrat eingestehen, dass sie bei der Ausschreibung aus Kostengründen Parameter festgelegt haben, die bei Anwendung der gültigen technischen Normen die sichere Errichtung des Tunnels unmöglich machen. Da aber offensichtlich nicht sein kann, was nicht sein darf, will man sich nun mit einer rechtswidrigen Vertragsauflösung retten. Wir werden jetzt nicht den Kopf für die Management- und Aufsichtsfehler hinhalten und die BBT für den Schaden, der nun entstanden ist, zur Verantwortung ziehen”, meint Strauss.

Bei der BBT SE will man sich nicht weiter äußern, “um die ARGE H51 vor Reputationsschäden zu schützen und dem angedrohten Gerichtsprozess nicht vorzugreifen”.

 

Forderungen nach Klarheit


Für Arno Kompatscher und Günther Platter ist die Vertragsauflösung eine Hiobsbotschaft. Weitere Verzögerungen von mehreren Jahren, wie sie nun drohen, seien “inakzeptabel”, so die Landeshauptleute von Südtirol und Tirol. Sie sehen die BBT-SE-Vorstände Gilberto Cardola und Martin Gradnitzer in der Pflicht: “Die Entscheidung, den Bauvertrag H51 Pfons-Brenner aufzulösen, liegt in der operativen Verantwortung des BBT-Vorstandes. Als Politik ist es nicht unsere Aufgabe, uns in das operative Geschäft einzumischen. Fest steht jedoch: Jede Verzögerung geschieht auf dem Rücken der transitgeplagten Tiroler und Südtiroler Bevölkerung. Der BBT muss so schnell und effizient wie möglich finalisiert werden, um diese zu entlasten. Wir verlangen vonseiten des Vorstandes der BBT SE ein klares Konzept, wie der Bauzeitplan optimiert werden kann, damit sich die Verzögerungen aufgrund dieser Vertragsauflösung in Grenzen halten.”

 

Forderungen bringt auch Andreas Leiter Reber vor – gegenüber Kompatscher und Platter. “Wir verlangen von den Regierungen nördlich und südlich des Brenners vollumfängliche Transparenz zur weiteren Vorgehensweise, eine aktualisierte Kostenaufstellung und vor allem einen realistischen Zeitplan”, schreibt der Parteiobmann der Freiheitlichen in einer Aussendung. Die Hoffnung auf eine Inbetriebnahme 2030 hat er schon längst aufgegeben. Im Juni ist ein Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes erschienen, aus dem hervorgeht, dass erst zwischen 2040 und 2050 mit einer effizienten Nutzung des Brennerbasis Tunnels gerechnet werden könne. “Das Szenario, dass aus dem europäischen Prestigeprojekt BBT ein schwarzes Loch für den Steuerzahler wird, scheint wahrscheinlicher denn je”, befürchtet Leiter Reber.