Chronik | Südtirol testet

“Wir führen in der 89. Minute”

343.227 Menschen haben sich am Corona-Massentest beteiligt. Weniger als ein Prozent wurde positiv getestet. Der Landeshauptmann erklärt, was Land und Menschen erwartet.
Corona-Screening
Foto: Othmar Seehauser

Nach dem ersten Tag waren es 103.580, nach dem zweiten 254.408. Und am Ende des dritten Tags des Corona-Massentests haben sich 343.227 Personen einem Antigen-Schnelltest unterzogen. Das sind 98 Prozent der angepeilten Zielgruppe von 350.000. Insgesamt 3.185 Personen haben ein positives Testresultat erhalten und wurden in Isolation versetzt. Damit wurden 0,9 Prozent aller bisher im Rahmen des Massentests Getesteten positiv getestet. Eine Quote, die unter den Erwartungen liegt. Dennoch, und trotz bisweilen langen Wartezeiten für die Testwilligen und Pannen bei der Übermittlung der Testergebnisse (die Gemeinden informieren die positiv Getesteten telefonisch, weitere Informationen im Info-Kasten am Ende des Artikels) – für die Verantwortlichen ist “Südtirol testet” ein voller Erfolg. Allen voran für Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Er wandte sich am Sonntag Nachmittag an das Land. “Südtirol kann stolz auf sich sein, die Südtirolerinnen und Südtiroler haben großen Bürgersinn und großes Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Ich freue mich riesig und vor allem darüber, dass Südtirol gezeigt hat, dass es ein starkes Land ist, mit starken Organisationen und vor allem mit Menschen, die wissen, was zusammenhalten heißt”, so Kompatscher.

 

Die große Beteiligung erlaube es jetzt, “wieder die Kontrolle zu erlangen”, nachdem man “doch eine Zeit lang dem Geschehen hinterhergelaufen” sei, meint der Landeshauptmann. Er bezieht sich auf die Kontaktnachverfolgung, die die Gesundheitsbehörden seit Wochen nicht mehr schaffen. “Es wurden und werden täglich hunderte Positive mittels PCR-Test herausgefischt, aber erst, wenn sie Symptome aufweisen.” Dank des Massentests seien nun 3.185 Personen, die allermeisten davon wohl asyptomatisch, aber potentiell ansteckend für andere, positiv getestet worden, “die andernfalls möglicherweise unentdeckt geblieben wären”. Was das bedeutet, veranschaulicht Kompatscher mit einer Hochrechnung: “Wir hatten letzte Woche einen Reproduktionszahl R von 1,5, was bedeutet, dass ein Infizierter zwischen einer und zwei weiteren Personen infiziert. Wenn die 3.000 positiv Getesteten (zum Zeitpunkt der Medienkonferenz standen die endgültigen Zahlen noch nicht fest, Anm.d.Red.) nicht isoliert worden wären, würden sie weitere 4.500 Menschen anstecken und die wiederum weitere 6.750. Nach einer Woche lägen wir theoretisch bei mehr als 95.000 Ansteckungen.”

 

 

Aktuell gibt es in Südtirol 11.624 Corona-Fälle (N.B.: die mittels Antigen-Schnelltest positiv Getesteten werden nicht als Corona-Fall in die Statistik aufgenommen, sondern nur jene mit einem positiven PCR-Test). Die Zahl der mit Covid-19 Verstorbenen ist am Wochenende auf 469 (+23) gestiegen. 546 Covid-Patienten werden in den Normalstationen der Krankenhäuser, in Privatkliniken und den Quarantänestrukturen in Gossensass und Sarns betreut, 38 befinden sich auf der Intensivstation. Am Samstag und Sonntag wurden 1.958 Personen erstmals einem PCR-Test unterzogen. Mehr als die Hälfte (55 Prozent), 1.083 waren positiv. Demgegenüber steht die niedrige Quote von 0,9 Prozent, die beim Massentest positiv getestet wurden.

Dass der Anteil der Positiven unter denjenigen, die sich haben testen lassen, so niedrig ist, hat für Kompatscher mehrere Gründe: “Das zeigt zum einen, dass der Gesundheitsbetrieb sehr gut gearbeitet hat, indem täglich viele PCR-Tests gemacht wurden und viele infizierte Menschen identifiziert werden konnten und zum anderen, dass die Maßnahmen der letzten zwei, drei Wochen, die für viele Menschen doch eine schwere Belastungen bedeuten, andererseits schon auch gewirkt haben.”

 

Entwarnung gibt der Landeshauptmann aber keine: “Es ist ganz wichtig, dass auch all jene, die ein negatives Testergebnis haben, nicht davon ausgehen, jetzt keine Sicherheitsmaßnahmen mehr einhalten zu müssen. Keine Maske tragen, sich wieder mit Freunden treffen und zusammen feiern, das wäre ein großer Fehler.” Denn über den Massentest seien zwar viele Virenträger festgestellt worden, doch sämtliche Infizierte habe man doch nicht entdeckt. Erstens, weil nicht alle Menschen im Land getestet wurden, zweitens, weil die Antigen-Schnelltests eine laufende Infektion erst ab einer bestimmten Virenlast feststellen können und eine Fehlerquote aufweisen. Der Biostatistiker Markus Falk geht davon aus, dass bis zu 30 Prozent der Infizierten nicht ermittelt, weil falsch negativ getestet wurden. “Deshalb werden wir weiterhin Infizierte im Land haben und gerade deshalb gilt es in den nächsten Tagen, zumindest noch diese eine Woche, weiterhin diszipliniert und besonders vorsichtig zu sein – ich würde sagen noch mehr als davor. Denn wir haben uns gemeinsam so große Mühe gegeben, das wollen wir nicht zunichte machen”, appelliert Kompatscher an die Bevölkerung. Er vergleicht es mit einem Fußballspiel: “Wir führen in der 89. Minute, es wäre ein großer Fehler, jetzt einfach nicht mehr weiter zu laufen, stehen zu bleiben – wir würden alles, was wir, was Sie als Bürgerinnen und Bürger in letzten Wochen erleiden mussten und diese Riesenaktion möglicherweise zunichte machen. Es wäre ein Fehler, das Ganze jetzt leichtfertig aus der Hand zu geben.”

Am Dienstag, 24. November, werden Kinderbetreuung, Kindergarten- und Grundschulbetrieb wieder in Präsenz aufgenommen. Und der Rest? Welche Konsequenzen werden aus dem Massentest gezogen? “Wir werden in den nächsten Tagen gemeinsam mit unseren Experten genaue Analysen machen, feststellen, welche Folgescreenings es braucht, aber vor allem auch festlegen, wie wir ab dem 30. November schrittweise wieder öffnen können”, erklärt Kompatscher. Es sei das klare Ziel, ab dem 30. November den Lockdown zu lockern, betont er.

 

Am Montag, 23. November, findet um 16.30 Uhr die abschließende Pressekonferenz zu “Südtirol testet” statt. Mit dabei sind der Landeshauptmann, Gesundheitslandesrat Thomas Widmann, Zivilschutzlandesrat Arnold Schuler und der Leiter der Testreihe Patrick Franzoni. Die Pressekonferenz kann über Youtube und auf Facbebook mitverfolgt werden.

Details zur Beteiligung und den positiv Getesteten in den einzelnen Gemeinden gibt es auf der Info-Seite des Sanitätsbetriebs.