Politik | Oberschule

“Ich habe eine einzige Forderung”

Der Direktor der Technischen Fachoberschule Bruneck, Siegfried Schrott, kritisiert die ausbleibende Öffnung der Oberschulen und die fehlende Planungsgrundlage scharf.
Fernunterricht
Foto: Clay Banks on Unsplash

salto.bz: Herr Schrott, Die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts in den Oberschulen ist mindestens auf Mitte Dezember, wahrscheinlich aber auf Anfang Januar verschoben. Können Sie als Schuldirektor diese Entscheidung, auch im Anbetracht anderer Entscheidungen der Landesregierung, nachvollziehen? 

Siegfried Schrott: Nein, überhaupt nicht. Insbesondere für unsere Schule ist es nochmals schwieriger. Als technische Fachoberschule haben wir viel Praxisunterricht; dieser ist über den Fernunterricht nicht möglich. Wir haben zwar die Möglichkeit bekommen, einen Teil des Praxisunterrichts in der Schule durchzuführen – jede Klasse darf einen Vormittag pro Woche in die Schule kommen, an denen Unterricht im Labor und in den Werkstätten stattfindet –, aber das genügt bei Weitem nicht!

Wenn jetzt Bars und Restaurants, die zu einem weitaus größeren Teil zur Verbreitung des Virus beitragen, wieder öffnen dürfen, ist es für mich unverständlich, dass Schulen geschlossen bleiben müssen.

 

 

Am Anfang des Jahres wurden die Schulen dazu aufgefordert, sich an strenge Sicherheitsmaßnahmen zu halten. Hat das funktioniert? 

Das hat sehr gut funktioniert. Wir haben ein Hygienekonzept aufgestellt, an das sich der Großteil wirklich vorbildlich gehalten hat. An meiner Schule gab es beispielsweise nur acht oder neun positive Schüler und drei Lehrer; das bei über 600 Personen, die im Schulbetrieb tätig sind!

Auf Landesebene wird vor allem das Problem der Schülertransporte als Grund dafür genannt, dass die Oberschulen weiterhin geschlossen bleiben.

Ich verstehe nicht, wieso überall Geld hineingespuckt wird, für die Potenzierung des Transports aber kein einziger Euro zu finden ist. Leerstehende Busse gibt es genug, z. B. jene der Privatunternehmen. Die Schließung der Oberschulen zur Gänze auf diesem Argument aufzuhängen, nein, das ist mir zu billig!

Sie werden kaum einen Oberschüler finden, der jetzt noch sagt, dass er keine Lust hat, in die Schule zu gehen.

Werden die Schuldirektionen in die Entscheidungen der Landesregierung, wie jene, die Oberschulen zu schließen, miteinbezogen?

Wir Schuldirektoren sind nie gefragt worden. Uns werden die Regeln präsentiert und diese müssen dann umgesetzt werden.

Was für uns unglaublich schwierig ist, sind die dauernden und kurzfristigen Änderungen im Bezug auf den Schulbetrieb. Wir haben jetzt den vierten oder fünften Stundenplan gemacht. Die Ferien um Allerheiligen lassen sich hier als Paradebeispiel anführen: Vor den Ferien hatten wir 70 Prozent Präsenz- und 30 Prozent Fernunterricht. Dann hieß es vor Allerheiligen, der Präsenzunterricht müsse auf 50 Prozent reduziert werden. Kaum hatten wir den Stundenplan verschickt, hieß es plötzlich, die Schule müsse ganz geschlossen werden. So kann nicht gearbeitet werden! Heute (gestern, Anm.d.Red.) ist der 1. Dezember und wir wissen immer noch nicht, wie der Unterricht am 9. Dezember weitergehen wird. Diese Unsicherheit zehrt an allen. 

Wie wird momentan vorgegangen? 

Ich habe ein sehr verständliches Mitarbeiterteam. Wir setzen uns jede Woche wieder zusammen und versuchen etwas auszuarbeiten und das Beste daraus zu machen. 

Was sind die größten Schwierigkeiten dabei? 

Ein großes Problem sind die Internetverbindungen, die beispielsweise im Ahrntal nicht immer gut funktionieren. Schüler haben teilweise nicht die nötige Ausrüstung. Wenn eine Familie zu Hause 3-4 Kinder hat, hat meist nicht jedes Kind einen Computer oder Laptop zur Verfügung. Das sind alles Probleme, die sich anhäufen. 

Auch die Vorbereitung ist ein immenser Aufwand. Wie können Noten überhaupt vergeben werden? Können Schularbeiten gemacht werden? Was wird bewertet? Das ist alles nicht so einfach ... Ich muss meinen Lehrern nochmals ein großes Kompliment aussprechen, sie versuchen wirklich das Beste daraus zu machen. 

Wie ist die Stimmung unter den Lehrern? 

Zeit des 70:30-Modells war die Stimmung sehr gut. Unsere Schüler waren jeweils zwei Wochen in der Schule und eine Woche zu Hause. Im Moment sieht man, dass bei allen die psychische und teilweise auch die physische Belastbarkeit erreicht worden ist. 

Für die Lehrer, wie auch für die Schüler, ist es sehr anstrengend, so viele Stunden vor dem Bildschirm zu sitzen. Wir haben von vorne herein versucht, Grenzen zu setzen, sodass die Schüler und Lehrpersonen nicht allzu viel Zeit am Computer verbringen müssen. 

Ich verstehe nicht, wieso überall Geld hineingespuckt wird, für die Potenzierung des Transports aber kein einziger Euro zu finden ist. Die Schließung der Oberschulen zur Gänze auf diesem Argument aufzuhängen, nein, das ist mir zu billig!

Sie sind also dafür, die Oberschulen wieder zu öffnen?

Zumindest einen Teil davon, ja. Mir ist klar, dass wir nicht zurück zu 70:30 Prozent können, obwohl das System wirklich gut funktioniert hat. Aber zumindest 50 Prozent Präsenzunterricht sollte gewährleistet werden. Die Schüler, die diesen einen Vormittag in der Woche zum Praxisunterricht kommen dürfen, blühen richtig auf. Sie brauchen das! Sie werden kaum einen Oberschüler finden, der jetzt noch sagt, dass er keine Lust hat, in die Schule zu gehen. 

Oft wird argumentiert, dass der Fernunterricht für Oberschüler kein wirklicher Einschnitt ist, da sie, im Gegensatz zu Grund- und Mittelschülern, sehr wohl in der Lage sind, den Unterrichtsstoff selbstständig zu Hause zu erarbeiten.

Der Fernunterricht ist mit dem Präsenzunterricht überhaupt nicht zu vergleichen! Insbesondere für die ersten beiden Klassen der Oberschulen wäre der Präsenzunterricht immens wichtig. Vor allem für Fächer wie Mathematik, bei denen eine genaue Erklärung notwendig ist, kann der Unterricht niemals in gleichem Maße gewährleistet werden. Die Zeit ist zu kurz und es ist zu schwierig, während einer Videokonferenz auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler einzugehen. Die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern ist auch unglaublich wichtig. Meines Erachtens nach lernt man hauptsächlich auf Beziehungsebene. Je besser die Beziehung zwischen Lehrer und Schülern, desto mehr lernen sie. Und so eine Beziehung kann nicht über den Bildschirm aufgebaut werden.

Es ist sicherlich nicht nur schulisch, sondern auch sozial sehr schwierig.

Ja, die soziale Situation ist unglaublich schwierig. Große Sorgen bereiten mir die ersten und zweiten Klassen – der Wechsel von der Mittel- zur Oberschule ist auch ohne diese Situation schwierig genug. Damit, dass die Schüler mehr oder weniger seit März im Fernunterricht sind, wird auf die Oberschulen eine sehr schwierige Situation zukommen. Es wird nicht einfach werden, die Schüler bis zur Matura durchzubringen.

Was erhoffen sie sich von den nächsten Wochen – sowohl im Bezug auf die Entscheidungen der Landesregierung als auch auf deren Kommunikation?

Ich habe aufgegeben zu hoffen und zu spekulieren. Es kommt immer wieder anders. Mir ist immer noch nicht klar, in wieweit die Landesregierung eigene Bestimmungen machen kann und wie weit sie diese Möglichkeit nutzt.

Haben Sie konkrete Änderungsvorschläge für die Landesregierung?

Ich habe nur eine einzige Forderung: Wir müssen die Schüler wieder an die Schule holen. Das ist unbedingt notwendig!

Wer setzt sich dafür ein?

Die Bildungsdirektion ist sehr bemüht. Aber die Macht der Schule ist relativ klein. Die Lobby, die Tourismus und Handel unterstützt, ist natürlich viel größer.