Gesellschaft | Corona-Impfung

Südtiroler Nötigung?

In den Südtiroler Altersheimen werden haarsträubende und ungesetzliche Methoden angewandt, um aus der empfohlenen Impfung eine Dienstpflicht zu machen.
Corona Impfung
Foto: upi
Das Schreiben ist wenige Tage alt und stammt aus einem Altersheim in der Nähe von Bozen.
Unter dem Titel „Impfung Sars-Cov-2 –Risikoanalyse und Verhaltenskodex“ informiert die Direktion des Heimes die eigenen Mitarbeiter über die anstehenden Coronaimpfungen.
Das Dokument ist ein Musterbeispiel wie unüberlegt, dilettantisch und unprofessionell gewisse öffentliche Strukturen in Südtirol mit der neuen Impfung gegen das Coronavirus umgehen.
Es werden Regeln aufgestellt, die nicht nur gegen jedes Arbeits- und Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstoßen, sondern die so augenscheinlich gesetzeswidrig sind, dass man sie fast schon als Nötigung bezeichnen kann. Bauernschlau versucht man dabei Tricks und Drehs anzuwenden, mit denen aus einer „empfohlenen, freiwilligen Impfung“ eine Dienstpflicht konstruiert wird, deren Nichteinhaltung persönliche Konsequenzen mit sich zieht.
Das Dokument ist ein Musterbeispiel wie unüberlegt, dilettantisch und unprofessionell gewisse öffentliche Strukturen in Südtirol mit der neuen Impfung gegen das Coronavirus vorgehen.
Diese haarsträubende Auslegung macht auch deutlich, wie dringend es einer klaren gesetzlichen und arbeitsrechtlichen Regelung des Staates, des Landes oder wenigstens klarer Vorgaben des Südtiroler Sanitätsbetriebes in dieser Materie bedarf.
 

Die Informationsveranstaltung

 
Die Hoffnung in den Altersheimen auf die neue Coronaimpfung ist verständlicherweise groß. Mit Jahresanfang sollen die Impfungen auch hier beginnen. Am 22. Dezember 2020 gab es dazu für die Direktionen und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Südtiroler Altersheime online eine Informationsveranstaltung. Die Leiterin des Landeslabors Elisabetta Pagani und der Biologe Richard Aschbacher gaben einen Überblick über die Impfung und deren Wirkung aus mikrobiologischer Sicht. Danach informierte die Impfexpertin Silvia Spertini und Isabella Mastrobuono, Mitglied der Task Force im Bereich Senioren, über die anstehende Impfkampagne. Dabei wurde auch die Empfehlung ausgesprochen, dass sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Altersheime impfen lassen sollen. Auch diejenigen, die sich in den vergangenen neun Monaten infiziert haben. Die Begründung: Der Impfstoff würde besser und sicherer schützen als der natürliche Krankheitsverlauf. Zudem sei nicht sicher, ob es bei einem natürlichen Krankheitsverlauf nicht zu einer Zweiinfektion kommen könne.
 

Impfen ist Dienstpflicht

 
Die Südtiroler Altersheime bereiten sich nach Weihnachten auf die Impfung vor. Zu Jahresende bekommen die Mitarbeiter ein Rundschreiben, wie man vorgehen will.
In dem Schreiben heißt es:
 
Sehr geehrte Mitarbeiterinnen.
 
in kurzer Zeit wird uns der Impfstoff als Schutz gegen das Sars-Cov-2 Virus zur Verfügung stehen. Es ist momentan die einzige Methode, uns wirksam und sicher gegen die Ansteckung zu schützen, und somit für uns selber, für unseren Arbeitsplatz und für die Gesellschaft der lang erhoffte Ausweg aus der derzeitigen Risikosituation.
Daher habe ich die Impfung gegen Sars-Cov-2 am 28.12.2020 auch in die Risikoanalyse und den Arbeitssicherheitsplan (GvD. vom 09. April 2008. Nr. 81 i.g.F.) des Betriebes aufgenommen. Die Impfung gehört somit zu den wichtigen Vorbeuge- und Sicherheitsmaßnahmen im Seniorenwohnheim zur Arbeitssicherheit. Seit dem 28.12.2020 sind die Informationsblätter und die Beschreibung neben der Stempeluhr ausgehängt. Wir legen auch heute eine Kopie dieser Dokumente bei.
Um uns höchstmöglich zu schützen, ist es unabdingbar, dass sich alle Mitarbeiterinnen impfen lassen.…[…].. Die Impfung gehört somit zu den Dienstpflichten, da sie integrierender Bestandteil der Arbeitssicherheit ist und gleich wie die persönliche Schutzausrüstung zu betrachten ist.“
 
 
Wer sich nicht impfen lassen will, sollte das bis zum 31. Dezember 12 Uhr mitteilen. Alle anderen sollten sich bis zu diesem Termin in eine Liste eintragen.
Das Rundschreiben schließt mit einer klaren Aussage:
 
"Diejenigen Mitarbeiter, die nicht geimpft sind, müssen aufgrund der Arbeitssicherheit weiterhin bei potentiellen Sars-Cov-2-Risiko in voller Schutzausrüstung arbeiten und das solange die Sars-Cov-2 Ansteckungsgefahr nicht als von den Gesundheitsbehörden als überwunden erklärt wird.“
 
Das Rundschreiben stammt aus einem Altersheim im Bezirk Bozen. Nach Informationen von Salto.bz kursieren dasselbe oder inhaltlich ähnliche Schreiben aber in Dutzenden anderen Südtiroler Altersheimen.
 

Völliger Wahnsinn

 
Diese Schreiben sind völliger Wahnsinn“, ist Tony Tschenett entrüstet. Der ASGB-Vorsitzende, der vorausschickt, dass er ein absoluter Impfbefürworter sei, verweist darauf, dass diese Vorgaben „eklatant gegen das Arbeitsrecht verstoßen“.
Denn eines scheint manchen Verantwortlichen nicht klar: Bei der Covid-19-Impfung handelt es sich um eine freiwillige Impfung. Die Entscheidung sich impfen zu lassen oder nicht, kann und darf nicht zu einer dienstrechtlich unterschiedlichen Behandlung führen. „Vor allem kann man das Ganze nicht als Dienstpflicht ansehen“, meint der Gewerkschaftsvorsitzende. Aber auch die Verbindung zwischen Impfung und Arbeitssicherheitsbestimmungen ist völlig widerrechtlich. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, sagt Tschenett.
 
 
 
Ebenso ist der Vergleich Impfung und persönliche Schutzausrüstung völlig absurd. Denn die PSA gehört wirklich zur vorgeschriebenen Arbeitssicherheit. Eine Impfung kann aber nichts mit Arbeitssicherheit zu tun haben. Vor allem solange sie nicht per Gesetz verpflichtend vorgesehen werden.
Wie sehr das Rundschrieben jeglicher Grundlage entbehrt zeigt sich auch an den angekündigten Konsequenzen. Denn eines ist allen Fachleuten klar: Absolut unabhängig davon ob jemand geimpft ist oder nicht, müssen die Mitarbeiterinnen in den Altersheimen weiterhin mit der Schutzausrüstung arbeiten, sollte eine potentielle Ansteckungsgefahr bestehen. Das steht so auch im Informationsblatt, das in den Altersheimen verteilt wird.
Salto.bz hat das Rundschreiben auch zwei Südtiroler Fachleuten aus der Sanität vorgelegt. Beide können nur mehr den Kopf schütteln: „Es geht nicht an, dass man die Freiwilligkeit damit umgeht, dass man die Arbeitssicherheit ins Spiel bringt“, sagen beide unisono. Und weiter: „Solche Aktionen spielt unfreiwillig den Impfgegnern und –skeptikern in die Hände“.
Ihre Auffassung: Man soll professionell aufklären und informieren, wie wichtig die Impfung gegen Corona am Arbeitsplatz ist.
Davon aber scheint man in den Südtiroler Altersheimen noch weit entfernt zu sein.