Gesellschaft | Protest

“Wir sind das Volk!”

Etwa 250 Menschen haben am Montag gegen die Corona-Maßnahmen und für ein Ende des Lockdowns protestiert. Vielfach ohne Maske und Abstand.
Anti-Corona 15.02.2021
Foto: Othmar Seehauser

Um kurz vor 9 Uhr ist der Landhausplatz in Bozen am Montag so gut wie menschenleer. Für 9 Uhr ist eine Demonstration angekündigt. “Südtiroler gegen den Lockdown” wollen während der Sondersitzung des Landtags, die zwischen 10 und 13 Uhr stattfindet, gegen die Corona-Maßnahmen protestieren. Dazu aufgerufen hat unter anderem Andreas Pöder. Der ehemalige Landtagsabgeordnete hatte bereits am Sonntag, 7. Februar, eine Kundgebung am Magnago-Platz abgehalten. Heute will er nichts sagen. Nicht öffentlich, nicht zu den anwesenden Journalisten.

 

Gegen halb 10 Uhr sind die allermeisten Teilnehmer vor Ort. Der Landtag ist mit Eisengittern abgeriegelt und wird von rund 30 Polizisten abgeschirmt. Was viele auf dem Platz davor nicht wissen: Die Sitzung des Landtags findet nur online statt. Die Abgeordneten nehmen von zu Hause oder ihren Landtagsbüros aus teil, im Plenarsaal selbst sitzt nur Landtagspräsident Sepp Noggler.

 

Die Wut der rund 200 bis 250 Menschen auf dem Landhausplatz richtet sich vor allem gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher. “Arno raus! Arno raus!” skandieren sie in Richtung Landtagsgebäude. Mit einer 90-Grad-Wende Richtung Palais Widmann, wo der Landeshauptmann sein Büro hat, hätten sie den Adressaten ihres Zorns besser getroffen.

 

“Feiglinge! Feiglinge!” Es ist schwer, auszumachen, wer tatsächlich aus Existenzangst, aus Sorge um den Arbeitsplatz gekommen ist und wer einfach nur Frust ablassen will. Einige stellen die Impfungen in Frage, andere die Masken, wieder andere die Zuverlässigkeit der PCR-Tests. Der kleinste gemeinsame Nenner der Demonstranten: ein Ende des Lockdowns und finanzielle Unterstützung für alle, die davon betroffen sind. “Ich will ja nur arbeiten”, hört man von mehreren Seiten.

 

Viele der Anwesenden tragen keine Maske – demonstrativ. Den Mindestabstand von zwei Metern, der für nicht im selben Haushalt zusammenlebende Personen gilt, hält der Großteil auch nicht ein. Die anwesenden Polizisten lassen die Protestierenden gewähren, lösen die Menschenansammlung nicht auf. Ob es Anzeigen geben wird, ist von den Einsatzkräften vor Ort nicht in Erfahrung zu bringen.

 

“Wir sind das Volk! Wir sind das Volk!” Zwischen einer Tirol-Fahne, Faschingskostümen, Lederhosen und Tricolore-Mundschutz drücken einige Teilnehmer ihren Unmut mit Plakaten aus. Den anwesenden Medienvertretern schlägt aggressive Stimmung entgegen. “Lügenpresse! Lügenpresse!” wird immer wieder im Chor gerufen. Einseitig, korrupt und Angstmacher seien die Medien.

 

“Verräter! Verräter!” Gegen 10.15 Uhr kommt Bewegung in die Reihen der Polizei. Die Demonstranten nähern sich dem Landtag. Die Polizisten werden zu den Stufen vor dem Landtagsgebäude beordert. Anstalten, über die Absperrungen hinweg in den Landtag zu gelangen, macht niemand. Nur laute Protestrufe sind zu hören.

 

Rund eineinhalb Stunden nach Beginn der Demonstration, die behördlich angemeldet und genehmigt ist, sind die allermeisten Teilnehmer wieder weg. “Wir kommen wieder!” ertönt ein letzter, einzelner Ruf über den nun wieder fast leeren Platz.