Gesellschaft | Schikane?

Vertrauensfrage am Skatepark

In Bozen sehen sich einige Skater doppelt schikaniert und sind von den Ordnungshütern entsetzt. Derweil bahnt sich die Wiedereröffnung des Skateparks an.
Skatepark Platza
Foto: Sk8project/Tobias Pircher

Trotz der großen Ungerechtigkeit, die die Schließung des Bozner Skateparks für viele aus der Szene darstellt, schaute es danach aus, als ob man sich arrangiert hätte. Nach dem Faschingsdienstag gesperrt, haben sich an der Anlage an den Talferwiesen tagelang dieselben Szenen abgespielt: Skater klettern mit ihrem Board über den Metallzaun, Ordnungskräfte nähern sich, Skater verlassen den Park, Ordnungskräfte ziehen ab, Skater klettern über den Zaun – bis sich die nächste Patrouille nähert. Außer mündlicher Verwarnungen gab es keine Konsequenzen für die Jugendlichen. Bis vorigen Donnerstag Nachmittag. Uniformierte Beamte der Finanzwache nehmen die Personalien der Skater auf. Drei von ihnen erhalten tags darauf Besuch von der Finanzpolizei, die ihnen einen Strafbescheid über 600 Euro zustellt. 200 Euro für das unerlaubte Betreten des gesperrten Skateparks. 400 Euro wegen Menschenansammlung (“assembramento”) – 280, wenn innerhalb von fünf Tagen bezahlt wird.

Haben sich die Skater bereits vor der Strafaktion diskriminiert gefühlt – auf den angrenzenden Sportplätzen wird scheinbar unbehelligt Fuß-, Volley- und Basketball gespielt –, so verstehen sie nach dem Vorfall mit der Finanzwache die Welt noch weniger. Eine bedenkliche Episode, die gleich eine doppelte Diskriminierung darstellt, findet Matthias Vesco. Der Oberschullehrer ist selbst leidenschaftlicher Skater und dieser Tage regelmäßig am Skatepark “Platza” zugegen. Er kennt die jungen Burschen und stärkt ihnen auch in der Öffentlichkeit den Rücken. Umso besorgter ist er nach der Strafaktion von vor ein paar Tagen. Die Finanzpolizei hat am Donnerstag nämlich die Personalien von einem Dutzend Skater aufgenommen. Mit dem Strafbescheid vorstellig geworden sind sie allerdings nur bei dreien: einem Burschen, der nicht die italienische Staatsbürgerschaft besitzt und zwei weiteren mit Migrationshintergrund. “Das ist ein Skandal und geht Richtung Rassismus”, sagt der Präsident des Bozner Skatevereins Sk8project Gabriel Widmann ohne Umschweife.

 

Sämtliche Medien greifen die Begebenheit auf. Am Sonntag Abend sendet die RAI schließlich eine Stellungnahme der Finzanzwache. Dass nur drei der Skater eine Strafe zugestellt bekommen haben, habe nichts mit Rassismus zu tun. Sondern einfach damit, dass die anderen alle abgehauen seien als sich die Beamten genähert haben. Laut mehreren Zeugenaussagen stimmt das nicht – genausowenig wie sich im Skatepark eine Menschenansammlung gebildet habe, beteuern die Skater. Die habe es einzig gegeben, als die Ordnungshüter – vor Ort waren auch zwei Polizeibeamte in zivil – die Jugendlichen identifiziert haben. Auf Videoaufnahmen von Donnerstag Nachmittag, die salto.bz vorliegen, ist deutlich zu erkennen, dass sich vor dem Skatepark, friedlich und ordnungsgemäß mit Mundschutz, mindestens zwölf Skater aufhalten, die von den Ordnungskräften registriert werden. Die Rechtfertigung der Finanzpolizei ist wie ein Schlag ins Gesicht. Die jungen Menschen fühlen sich schikaniert, sprechen von Polizei-Willkür. “Ich frage mich, wie junge Leute Vertrauen in den Staat und seine Institutionen entwickeln sollen, wenn die Behörden so vorgehen”, sagt ein verbitterter Matthias Vesco.

 

Ins Rollen gekommen

 

Doch wo Schatten, da auch Licht. Das große Interesse an den Geschehnissen rund um den Bozner Skatepark ist in der Stadtregierung nicht unbemerkt geblieben. Und tatsächlich ist es Bürgermeister Renzo Caramaschi höchstpersönlich, der am Montag Nachmittag nach der Sitzung des Stadtrats verkündet: Das “Platza” sperrt auf. Es gelte noch einige Formalitäten abzuklären, doch spätestens am Mittwoch soll der Skatepark wieder offen sein. Verriegelt wurde er mit Verweis auf die Verordnung Nr. 6 des Landeshauptmannes vom 6. Februar, mit der Aktivitäten in den Sportanlagen im Freien explizit verboten wurden – als solche gilt der Bozner Skatepark seit Kurzem. Die Verordnung Nr. 6 wurde inzwischen von jener Nr. 10 vom 26. Februar abgelöst, die seit 1. März gilt. Ein ausdrückliches Verbot, Sportanlagen im Freien zu benützen, findet sich darin nicht mehr. Ob es dieser Umstand ist, der die Öffnung mit einigen Tagen Verzögerung mit sich bringt?

 

Das “Platza” soll jedenfalls nicht einfach so wieder aufsperren: Die Skater sollen selbst darüber wachen, dass sich nicht zu viele Personen in der Anlage aufhalten. “In Zusammenarbeit zwischen Sk8project und so vielen Jugendlichen wie möglich werden wir einen Plan erstellen und ein Team zusammenstellen, das vor Ort schaut, dass maximal 20 bis 25 Skater gleichzeitig im Park sind”, bestätigt Gabriel Widmann. Auch Plakate sollen angefertigt werden, und an die Eigenverantwortung appelliert. “Als Verein können wir die Verantwortung nicht tragen, das habe ich auch im Gespräch mit Bürgermeister Caramaschi klargestellt. Aber ich bin sehr zuversichtlich, denn das ‘Platza’ ist der Schatz der Skater und sie werden gut auf ihn aufpassen”, lächelt Widmann. Er ist sicher, dass die Skater das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen werden: “Das ist ein sehr wichtiger Moment für die Jungen: Sie können den Beweis antreten, wie Verantwortungsbewusstsein und Rücksicht gut funktionieren können.” Letztere fordert Widmann – und mit ihm die Skaterszene schon seit Langem, aber jetzt verstärkt – von jenen Eltern ein, die ihre Kinder nicht davon abhalten, den Skatepark mit Rollern zu belagern und ihn dadurch zweckzuentfremden. “Wir werden klar kommunizieren und am ‘Platza’ ausweisen, dass die Anlage nur mit dem Skateboard betreten werden darf”, unterstreicht Widmann. Falls der Skatepark wegen rollerfahrender Kinder, die sich darin zusammenrotten, wieder gesperrt werden würde, wäre der nächste Konflikt vorprogrammiert.