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Wechsel der Lokomotive

Martin Ausserdorfer wird heute zum neuen Geschäftsführer der „Rail Traction Company“ (RTC) ernannt. Sein Amt als STA-Präsident wird er in einem Monat abgeben.
Martin Ausserdorfer kennt die Spielregeln. Als Salto.bz beim Bürgermeister von St. Lorenzen nachfragt, geht er gleich in die Offensive „Ich sehe schon den Titel Ämterhäufung", sagt er schmunzelnd. „aber da liegen Sie falsch“. Als Bestätigung liefert der SVP-Funktionär gleich harte Fakten.
Als Verwaltungsrat der „Areal Bozen AG“ (Arbo), die für das Jahrhundertprojekt der Verbauung des Bozner Bahnhofareals zuständig ist, sei er bereits vor einem Monat zurückgetreten. Auch jenes Amt, das er in den letzten Jahren mit viel Engagement aber auch Sichtbarkeit bekleidet hat, wird er abgeben. „Ich werde mit der Bilanzgenehmigung in rund einem Monat auch als STA-Präsident zurücktreten“, sagt Ausserdorfer. Auch sein Wirken als Aufsichtsrat der Brennerbasistunnel-Gesellschaft „BBT Se“ will er in der nächsten Zeit deutlich einschränken.
Der Grund für diese Entscheidungen ist ein neuer Job. Martin Ausserdorfer wird der neue Geschäftsführer der „Rail Traction Company“ (RTC). Die Aktionärsversammlung hat den 40jährigen Politikwissenschaftler (plus einige Semester Betriebswirtschaft) am Donnerstagvormittag zum neuen Amministratore delegato ernannt. Weil der Hauptaktionär des Unternehmens Ausserdorfer bereits vergangene Woche designiert hatte, war das Ganze nur mehr eine Formsache.
„Ich wurde gefragt und musste überzeugt werden“, sagt Ausserdorfer zu Salto.bz, „jetzt aber werde ich mich mit voller Kraft dieser neuen Herausforderung stellen.
Es wird für ihn keine leichte Aufgabe werden.


Das Unternehmen

 
Die „Rail Traction Company“ (RTC) wurde im Februar 2000 gegründet. Nach der Liberalisierung des Schienenverkehrs in Italien und Europa war die RTC das erste private Eisenbahnunternehmen, das einen Güterzugdienst entlang der Brennerachse durchführte. Der Fokus liegt dabei von Beginn an auf Dienstleitungen für Transportlogistikunternehmen. Das Geschäftsmodell: Eine Art rollende Landstraße, die vor allem LKWs und ihre Ladung auf der Schiene über den Brenner bringen soll. Die RTC stellt dabei ganze Züge zur Verfügung und tritt offen in Konkurrenz zu den italienischen Eisenbahnen.
 
 
Mitte Oktober 2001 startet die RTC mit vier Zügen täglich - zwei von Verona nach München und zwei in umgekehrter Richtung. Heute sind es rund zehnmal so viele. Die RTC-Züge sind dabei zwischen Norditalien und Hamburg genauso unterwegs, wie für tägliche Getreidelieferungen aus Rumänien, Ungarn, Serbien oder der Ukraine. Jährlich wickelt man inzwischen rund 12.000 Züge ab.
 

Willeits Kind

 
Der ideelle und materielle Vater des Unternehmens war Ferdinand Willeit. Der langjährige, inzwischen verstorbene Präsident der Brennerautobahn hatte die Vision und das Durchhaltevermögen aus der RTC einen ernstzunehmenden Player auf dem europäischen Markt des Güterverkehrs auf Schiene zu machen. „Eisenbahn und Straße sind keine Feinde, sondern sie müssen zusammenarbeiten, um den Bedürfnissen der Wirtschaft in Nord- und Südeuropa zu entsprechen“, lautete Willeits Credo.
Der resolute und als Macher bekannte ehemalige SVP-Parlamentarier gründete dafür die Brennerautobahn-Tochter „Brenner Schienentransport AG“ (STR) als eine Art grenzüberschreitende Plattform für den Eisenbahn- und Kombiverkehr sein. Die STR-Aktionäre waren anfänglich die Brennerautobahn AG mit 85 Prozent und die Länder Südtirol, Tirol, Trentino und Verona, sowie die Bayrische Landesbank mit je 3 Prozent. Heute ist die STR eine 100-Prozent-Tochter der Brennerautobahn.
 
 
Auch die Zusammensetzung der Gesellschafter der „Rail Traction Company“ (RTC) haben sich in den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens nachhaltig geändert. Bei der Gründung waren neben der STR mit 48,5 Prozent der Aktien, die Ferrotranviaria aus Bari mit 24,3 Prozent, die SAU Trient mit 12,2 Prozent und das Bozner Transportunternehmen Fercam mit 5 Prozent, sowie das Unternehmen Firma Reset 2000, des damaligen RTC-Geschäftsführers Giuseppe Sciarrone, mit über 10 Prozent beteiligt.
Willeits ehrgeiziges Ziel war es aber von Beginn an, die Deutsche Bahn mit ins Boot zu holen. Das gelingt auch. Nachdem der Großteil der privaten Aktionäre aussteigt, steigt die Deutsche Bahn-Tochter „Railion Deutschland AG mit 30,07 Prozent in die RTC ein. Heute gehört die Rail Traction Company zu 95,53 Prozent der STR und zu 4,47 Prozent der „DB Cargo AG“, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn.
 

Der Streit

 
Schon bald nach der Geburt der RTC kommt es zu einem Konflikt, der bis heute schwelt. Die Auffassungen zwischen den Südtiroler Aktionären und Funktionären in der „Brennerautobahn AG“ und jenen aus Trient und Verona gehen auseinander. Den südlichen Aktionären, die auch politisch im Einflussbereich der italienischen Eisenbahnen stehen, sind die Schienenpläne Willeits und damit das Projekt RTC ein Dorn im Auge. Immer wieder kommt es deshalb zu Konflikten und Scharmützel.
15 Jahre lang war Ferdinand Willeit nicht nur Präsident der Brennerautobahn AG, sondern er führte in Personalunion auch die Tochtergesellschaften STR und RTC. 2007 wird Willeit überraschend als Autobahn-Präsident abserviert und durch den Trentiner Silvano Grisenti ersetzt, der einige Jahre später verhaftet und wegen Korruption angeklagt wird.
Willeit bleibt aber STR- und RTC-Präsident und gibt dort ordentlich Gas. Sein Projekt: Er will bei Verona einen großen Verladebahnhof errichten. Weil die neue Führung der Brennerautobahn alles tut, damit dieser Plan nicht verwirklicht wird, wirft Ferdinand Willeit zwei Jahre später entnervt das Handtuch. Ende November 2009 tritt er als Präsident der STR und RTC unwiderruflich zurück.
 

Abgang des Geschäftsführers

 
Noch unter Willeit wird im Sommer 2008 Harald Schmittner RTC-Geschäftsführer. Der gebürtige Terlaner bleibt danach fast 13 Jahre lang der operative Kopf der „Rail Traction Company“. Vor einigen Monaten aber scheidet Schmittner aus dem Unternehmen aus. Nicht freiwillig.
 
 
2010 übernimmt der Direktor der Brennerautobahn Walter Pardatscher das RTC-Präsidentenamt. Jahrelang arbeitet das Duo Schmittner-Pardatscher gut zusammen, doch dann kommt es zum Bruch. Pardatscher übernimmt selbst die RTC-Geschäftsführung und Harald Schmittner wird zum „Chief Operating Officer“ zurückgestuft.
Im Sommer 2019 wechselt Walter Pardatscher von der Autobahn als Geschäftsführer zum „Verband Südtiroler Obstgenossenschaften“ (VOG). Der Hauptaktionäre Brennerautobahn ernennt Mauro Maia zum neuen RTC-Präsidenten. Der A22-Verwaltungsrat kommt aus der Mailänder Finanzwelt und es kommt schon bald zu größeren Spannungen zwischen dem Präsidenten und seine COO. Der Konflikt führt am Ende zum Ausscheiden von Schmittner.
 

Aktion Rückeroberung

 
Mit Mauro Maia als Präsident haben jetzt die Trentiner und Veroneser Autobahnaktionäre innerhalb der RTC die Macht übernommen. Maia ist einer, der die Richtung vorgeben will und sich nicht gerne dreinreden lässt. Hier will die Landespolitik und die SVP jetzt dagegenhalten. Mit der Ernennung des neuen Geschäftsführers.
 
 
Martin Ausserdorfer ist ein politischer Weggefährte der ersten Stunde von Arno Kompatscher. Noch weit enger persönlich befreundet ist er mit Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider.
Als BBT-Aufsichtsrat und STA-Präsident ist der SVP-Bürgermeister von St. Lorenzen zudem mit der Materie Eisenbahn bestens vertraut. In der STA hat Ausserdorfer gezeigt, dass er in der Lage ist einen komplexen Betrieb erfolgreich zu führen. Unter seiner Präsidentschaft hat die „Südtiroler Transportstrukturen AG“ Kompetenzen und Personal deutlich aufgebaut und gleichzeitig den Schuldenstand abgebaut. „Der Martin ist einer, der auch im Rom und Brüssel auftreten kann und eine gute Figur macht“, beschreibt ein Nicht-SVP-Politiker den neuen RTC-Geschäftsführer.
Ausserdorfers Mission ist klar: Er soll die Südtiroler Agenden in der RTC und damit das Erben Ferdinand Willeits in Südtiroler Hand halten. Dass er zum engsten Machtzirkel in der SVP und um den Landeshauptmann gehört, ist dabei eine wichtige Eintrittskarte.
Der SVP-Bürgermeister weiß, dass die Arbeit in der RTC kein Honigschlecken wird. „Es gibt viel zu tun“, sagt er sybillinisch.
Nach dem jahrelangen Clinch mit Ingomar Gatterer dürfte Martin Ausserdorfer so schnell aber nichts mehr umhauen.