Gesellschaft | Gemeinwohl gefährdet

Tonis Geleit

Ein Kommentar zum gestrigen Dolomiten-Leitartikel (vom 16.5.1921)
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Ob das Erscheinungsdatum Zufall ist oder ob der gestrige Dolo-Leitartikel sozusagen als nette Begrüßung der Kundgebung auf den Talferwiesen in Bozen gedacht war, sei dahingestellt. Tatsache ist: Wer am Samstag in Bozen der Corona-Demo beiwohnte (egal ob als bewusster Teilnehmer, als Zaungast oder als beruflicher Beobachter der Szene), konnte mal in Ruhe überprüfen, ob das nun jene verirrten Kreaturen sind, die Chefredakteur Toni Ebner in seiner Zeitung folgendermaßen benannt hat: „Verschwörungstheoretiker, Antidemokraten, Anarchisten und Polit-Opportunisten, fundamentalistische Impfgegner und Virusleugner.“ Viele fanden sich nämlich am Nachmittag auf den Talferwiesen ein, um unter dem Schlagwort „Für neue Wege“ einigen Rednerinnen und Rednern zu lauschen; mehreren Rechtsanwälten, die italien- bzw. europaweit juridisch gegen die Corona-Maßnahmen vorgehen, darunter auch Renate Holzeisen, sowie Rednern aus anderen Bereichen, von der Altenpflegerin bis hin zu Unternehmern, die ihre kritische Sichtweise zu den politischen Covid-Maßnahmen aufzeigten.
„Diese Mischung ist explosiv“, sagt Ebner in seinem Leitartikel, und sie schade der Gesellschaft, weil sie eine „zerstörerische Kraft“ entwickeln könne; deshalb sei sie eine „Gefahr für die Demokratie“. Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, kritisch zu hinterfragen, ist eine Gefahr für die Demokratie? Opsala! Einziges Mittel gegen diese „Bewegung“ sei es, „die Bevölkerung rechtzeitig mit sachlicher Information“ zu überzeugen, „dass Impfen, Testen und Vorsicht der einzige Weg sind, der aus der Pandemie führt.“ Tatsächlich nur ein Weg? Alternativlos? Weltweit keine Beispiele, wie es anders vielleicht auch ginge?
Was mit „sachlicher Information“ gemeint sein könnte, war bald nach der Veranstaltung auf „Stol“ zu lesen, wo in den ersten beiden Sätzen der Berichterstattung über die Kundgebung von „hunderten Personen“ die Rede war, von denen zahlreiche „keine Maske trugen“. Wahr ist das schon: Wenn weit über tausend Personen da sind, stecken die „Hunderter“ natürlich auch drin. Aber sachlich? Sachlich wäre, die Zahl der Anwesenden nicht kleinzureden, eventuell Redner zu benennen sowie auf einige Themen oder Forderungen kurz einzugehen. Warum nicht auch, bei solch großer Resonanz, die Veranstalter zu Ziel und Absicht der Kundgebung näher zu befragen?
Ebner kommt dann aber, nachdem er anfangs das „Böse“ (mein Zitat) ausreichend skizziert und genügend Bedrohungsszenario aufgebaut hat, auf das eigentliche Anliegen zu sprechen, nämlich das Impfen. Und hier ist seine Aussage klar: „Da das Gemeinwohl gefährdet ist, wird sich der Staat wohl überlegen müssen, eine Impfpflicht, wie sie früher üblich war, einzuführen.“ Wer aufmerksam die nationalen und internationalen Medien verfolgt, hat längst begriffen, dass dieses Szenarium inzwischen bereits geschickt aufbereitet wird; zudem streuen gewisse Medien immer öfter die Forderung der Politik und ihrer Einsager, die Corona-Impfung auch auf Kinder auszudehnen und an den Schulbesuch zu knüpfen. Doch zurück zum Ebner-Leitartikel. Jetzt kommt ein Tipp für Widmann und Zerzer. Da es noch immer „viel zu viele Mitmenschen gibt, die sich nicht impfen lassen“, müsse die Sanitätsbehörde „die Hilfsbedürftigen aufspüren und zur Impfung führen.“ Mir fallen beim Wort ‚aufspüren‘ unweigerlich jene Corona-Schnüffelhunde ein, die eine Zeit lang von der Politik und unseren Medien für den Oberschul-Einsatz hochgelobt wurden, aber nun wohl wieder vergessen auf neue Abenteuer warten. Schnüffelhunde also zu Aufspürhunden umschulen bitte!
Gegen Ende des Leitartikels werden die Gemeinwohl-Gefährder abgewatscht. Gemeint sind Mitarbeiter/innen in den Altenheimen und der Sanität, welche sich einer Impfung verweigern und somit nicht nur sich selbst und ihre Familien, sondern auch jene gefährden würden, die sie betreuen.
In der Kirche kommt zum Schluss immer der Segen. Und auch der Dolo-Leitartikel evoziert hier in mir das Bild eines Pfarrers mit erhobener Monstranz. Nur höre ich nicht das gewohnte „Gehet hin in Frieden“, sondern ich lese: „Sich impfen lassen ist ein Akt der Solidarität, aber auch der Nächstenliebe.“ Mir fehlt da nur noch der Satz: Impfen ist gottgefällig.