Wirtschaft | Interview

"Es ist höchste Zeit"

Globaler Mindeststeuersatz und mehr Steuertransparenz in der EU: für Walther Andreaus unbedingt notwendige Schritte in die richtige Richtung.
Walther Andreaus
Foto: vzs

Die G7-Staaten haben am Sonntag das erreicht, was die EU seit Jahren diskutiert: Die Einigung auf einen globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent für große internationale Konzerne. Einige Tage vorher, am Dienstag der letzten Woche, wurde im EU-Parlament ein Kompromiss durchgerungen, der die Steuertransparenz in der EU erhöhen und somit Druck auf Großkonzerne aufbauen will: Ab 2023 sollen große Konzerne in der Europäischen Union öffentlich machen, wer wo wie viele Steuern zahlt. Salto.bz hat mit dem ehemaligen Direktor der Verbraucherschutzzentrale, Walther Andreaus, über die Entwicklungen gesprochen. 

 

Salto.bz: Herr Andreaus, die Einigung der G7-Staaten zum globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen wurde medial als großer Durchbruch gewertet. Ist es das? 

Walther Andreaus: Es ist höchste Zeit, dass die angesprochenen Großkonzerne, die gewaltige Umsätze machen, dafür aber keine Steuern zahlen, einen Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Sie haben jahrelang Gewinne steuerfrei einheimsen können und haben damit einen großen Schaden angerichtet.

Die G7-Staaten können einen globalen Mindeststeuersatz nicht im Alleingang vorantreiben. Haben diese Staaten genug Zugkraft, um den globalen Mindeststeuersatz weltweit durchzuringen? 

Die G7-Staaten sind gefordert. Sie müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Dieses haben sie bisher nicht gegeben und es ist höchste Zeit, dass sich das ändert. Kein Mensch versteht mehr, dass große Konzerne praktisch steuerfrei arbeiten können, jeder kleine Handwerker, Kaufmann und Unternehmer, die Steuern aber bis zum letzten Euro zahlen muss.

 

Eine gerechte Besteuerung ist dann erreicht, wenn Unternehmen dort, wo sie arbeiten und Umsätze schreiben, Steuern zahlen.

 

In Irland, einer der Steueroasen der EU, liegt der Steuersatz für Großkonzerne im Moment bei 12,5 Prozent, in Italien bei 27,5 Prozent. Der angepeilte globale Mindeststeuersatz soll auf 15 Prozent festgelegt werden. Reicht das? 

Ich denke, dass das Teil der Realpolitik ist. Um überhaupt anfangen zu können, wurde ein Einstiegssteuersatz vereinbart, der später erhöht werden muss. Die Politik, allen voran die Regierungen der G7-Staaten werden unglaubwürdig, wenn sie hier nicht endlich Schritte setzen. Die Großkonzerne haben sich selbst für einen globalen Steuersatz ausgesprochen, weil die Situation moralisch nicht mehr vertretbar ist. Trotzdem, wenn die Möglichkeit besteht, steht die Brieftasche vor der Moral. Hier hat man jetzt reagiert. Dieser Einstiegssteuersatz sollte mit der Zeit an die durchschnittlichen Steuersätze der Unternehmen angepasst werden. Es gibt keine Begründung dafür, dass Großkonzerne nicht denselben Steueranteil zahlen sollen wie andere Unternehmen auch. 

In Italien liegt der Steuersatz bei 27,5 Prozent. Das heißt, Italien konkurriert nicht mit Steueroasen, sondern mit all jenen Ländern, die niedrigere oder effizientere Steuersysteme vorweisen. Inwiefern kann sich dieser Entscheid trotzdem auf die Situation in Italien auswirken?

Italien muss im Einklang mit den europäischen Staaten dafür sorgen, dass jene Umsätze, die Großkonzerne in Italien machen, auch nach italienischem Recht besteuert werden. 

 

Es gibt keine Begründung dafür, dass Großkonzerne nicht denselben Steueranteil zahlen sollen wie andere Unternehmen auch. 

 

… der zweite Aspekt der Entscheidung der G7-Staaten: Betriebe sollen nicht nur dort Steuern zahlen, wo ihre Körperschaften liegen, sondern auch in jenen Ländern, in denen sie große Teile ihrer Umsätze machen.

Das ist ein erster Schritt zu einer gerechteren Besteuerung. Eine gerechte Besteuerung ist dann erreicht, wenn Unternehmen dort, wo sie arbeiten und Umsätze schreiben, Steuern zahlen. Mittlerweile findet ein reger Steueraustausch statt: Die italienische Steuerbehörde weiß, wie viel die Konzerne in anderen Staaten Steuern zahlen. Man muss davon abkommen, dass Staaten mit immer niedrigeren Steuersätzen gegeneinander konkurrieren.

Auf EU Ebene werden ähnliche Maßnahmen schon jahrelang diskutiert, konkrete Einigung konnte jedoch keine gefunden werden. Könnte die Einigung der G7-Staaten, den Weg für EU-Regelungen ebnen? 

Auf jeden Fall. Frankreich, Italien und Deutschland sind nicht nur Teil der G7-Staaten sondern auch wichtige Entscheidungsträger in der EU. Die global eingegangenen Verpflichtungen werden auch in die EU weitergetragen werden.

 

Die Unternehmen leben am besten wenn sie Wettbewerbsgleichheit haben.

 

Die EU hat letzte Woche eine andere Entscheidung durchgerungen: Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz müssen öffentlich angeben, wo sie wie viele Steuern zahlen. Eine sinnvolle Maßnahme?

Die Maßnahme ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. De großen Staaten Europas, die gewaltige Steuereinbußen durch die Steuerschlupflöcher haben, müssen entsprechenden Druck aufbauen.

Irland, die Niederlande… die europäischen Steuerparadiese sind bekannt. Was nicht bekannt ist, ist, wer dort wie viele Steuern zahlt. Viele Unternehmen sprechen sich gegen diese Regelung aus, da sie Einblicke in die Kostenstruktur oder Preispolitik der einzelnen Unternehmen liefern könnten. Können sie diesen Widerstand nachvollziehen?

Die Unternehmen leben dann am besten, wenn Wettbewerbsgleichheit herrscht. Hier gehört auch eine Anpassung der Besteuerung dazu. Wenn einige Unternehmen zu Unrecht gefördert werden, schadet dies dem guten und gesunden Unternehmertum. Diese Ungleichbehandlungen, die es seit Jahrzehnten gibt, müssen abgestellt werden.

 

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alfred frei Di., 08.06.2021 - 16:29

Seinerzeit hat sich Walther Andreaus als Direktor der Verbraucherzentrale grundsätzlich für die Geschäfte Reno Benkos Signa Holding in Bozen ausgesprochen: „Ein weiteres Anfachen der Konkurrenz wäre ein Beitrag zur Inflationsbekämpfung“, so die VZS. In welchem Verhältnis dazu steht seine heutige Aussage: “Es ist höchste Zeit, dass die angesprochenen Großkonzerne, die gewaltige Umsätze machen, dafür aber keine Steuern zahlen, einen Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Sie haben jahrelang Gewinne steuerfrei einheimsen können und haben damit einen großen Schaden angerichtet”.

Di., 08.06.2021 - 16:29 Permalink
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maximilian kollmann Mi., 09.06.2021 - 08:13

Hr. Andreaus möchte jetzt den Umsatz als Richtgrösse für die Steuergrundlage hernehmen. Damit ist das fundamentale Steuer-Prinzip, dass der Gewinn besteuert wird, ausgehebelt. Die Aspiag oder die Alperia werden sich sicher auf diesen Paragidmenwechsel freuen …

Mi., 09.06.2021 - 08:13 Permalink
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Karl Trojer Mi., 09.06.2021 - 10:31

Unternehmen die global agieren müssen dort die Steuern bezahlen, wo sie ihre Gewinne machen, das heißt, dass sie ihre Umsätze, Kosten und Gewinne, auf jeden Steuerstandort bezogen, offenlegen müssten. Dafür müsste die EU sorgen, und die EU müsste alle Steuerparadiese innerhalb ihrer Grenzen kappen. Ein umsatzbezogener Steuersatz von 15% verzerrt die Steuergerechtigkeit und benachteiligt einheimische Unternehmen. Der Handlungsbedarf ist dringend !

Mi., 09.06.2021 - 10:31 Permalink