Politik | Hintergrund

Angriff in eigener Sache

Die Athesia will ein Zeitgeschichtemuseum errichten und braucht dazu Landesgelder. Weil der Museumsbeirat das Projekt einstimmig abgelehnt hat, beginnt jetzt der Krieg.
Dolomiten
Foto: dolomiten
Die heutige Schlagzeile sitzt. „Kompatscher hat mich im Stich gelassen“, verkündet Luis Durnwalder am Freitag vom Titelblatt der Tageszeitung „Dolomiten“. Es ist eine Aussage in einem langen Interview mit dem Altlandeshauptmann, der nach der rechtskräftigen Verurteilung in der sogenannten Sonderfonds-Affäre verständlicherweise ordentlich Dampf ablässt.
Das Verhältnis zwischen Durnwalder und Arno Kompatscher ist seit vielen Jahren gestört und nachhaltig zerrüttet. Deshalb kommt dieser Angriff des Altlandeshauptmannes auf seinen Nachfolger kaum überraschend.
Es fällt aber auf, dass die "Dolomiten" mit dieser Schlagzeile zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Frontalangriff auf einen Südtiroler Landeshauptmann starten. Selbst vor 60 Jahren, als nach der Feuernacht ein ideologischer und politischer Streit die SVP vor die schwierigste Zerreißprobe ihrer Geschichte stellte und Wirtschaftskreise unter der Führung von Toni Ebner Senior mit der Gründung der Gruppe „Aufbau“ ernsthaft über eine Spaltung der SVP nachdachten, ging man nicht so weit. Toni Ebner Senior schrieb kritische Kommentare zur Feuernacht und zur SVP-Politik, Silvius Magnago wurde von den "Dolomiten" eine Zeitlang geschnitten, aber einen öffentlichen Angriff auf den Landeshauptmann getraute man sich damals nicht zu reiten.
Es fällt aber auf, dass die Dolomiten mit dieser Schlagzeile zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Frontalangriff auf einen Südtiroler Landeshauptmann starten.
Dass das heute völlig anderes ist, liegt nicht nur am Zeitgeist, sondern die Aktion hat einen bisher kaum bekannten Hintergrund. Die Schlagzeile „Kompatscher hat mich im Stich gelassen“ ist vor allem eine Botschaft der Familie Ebner und des Machtblocks Athesia in eigener Sache.
Denn es gibt einen konkreten Anlass, der hinter diesem Angriff auf Arno Kompatscher steht. Dabei geht es um viel Geld, familiäre Eitelkeiten und die Frage nach der Deutungshoheit in der jüngeren Südtiroler Geschichte.
 

Die Lichtgestalt

 
Der „Athesia“-Verlag und seine Vorgänger sind unbestritten ein wichtiger Teil der Südtiroler Geschichte der letzten 150 Jahre. Auch deshalb gehört es zum Vermächtnis und zum Selbstverständnis der Familie Ebner, bei der Aufarbeitung der Südtiroler Zeitgeschichte ein entscheidendes Wort mitzureden. So war und ist es ein persönliches, aber auch ein gesellschaftliches und historisches Anliegen im Hause Athesia, die Narrative zur Option und zu den Südtiroler Bombenjahren im eigenen Sinne zu korrigieren.
 
 
Neben dem Innsbrucker Ordinarius Rolf Steiniger hat man dazu eine Reihe anderer Historiker vor den eigenen Karren gespannt. Eine Operation, die durchaus ihre Berechtigung hat und einer kontroversen, offenen Auseinandersetzung mit der Südtiroler Zeitgeschichte nur guttut.
In dieser Lesart überstrahlt eine Lichtgestalt alle anderen Ereignisse und Persönlichkeiten. Kanonikus Michael Gamper, Onkel von Martha Ebner, Schriftleiter der Dolomiten, Kopf der Südtiroler Dableiber und Schöpfer der „Todesmarsch“-Parole der Südtiroler. Seit langem sieht man in der Familie Ebner den Beitrag des Kanonikus in der offiziellen Südtiroler Geschichte als nicht gebührend gewürdigt.
Deshalb hat vor allem Michl Ebner in den vergangenen Jahren ein eigenes Projekt ausgearbeitet.
 

Stiftung & Museum

 
Der Kern des Projekts ist ein eigenes Museum für Zeitgeschichte, das Michael Gamper gewidmet sein soll.
Michael Gamper ist in Prissian geboren und der Zufall will es, dass seit längerer Zeit dort Schloss Fahlburg zum Verkauf ansteht. Der Besitzer Jakob Graf Brandis will sich von der Renaissancevilla samt weitläufigem Park trennen, und es laufen nach Informationen von Salto.bz bereits seit Jahren konkrete Verkaufsverhandlung mit der Familie Ebner bzw. dem Athesia-Konzern.
Unter dem Titel "1939 Option – Migration: Museale Begegnungsstätte für Option und Migration auf der Fahlburg“ soll dort jetzt eine neues Museum für Zeitgeschichte entstehen. Dafür soll die Burg erworben, umgebaut und saniert werden. Im ersten Stock und vor allem im Dachgeschoss will man dann einen entsprechenden Museumsparcours errichten. Architekt Zeno Bampi hat nach Informationen von Salto.bz bereits ein entsprechendes Projekt für den Athesia-Konzern ausgearbeitet.
 
 
 
Obwohl die „Kriegskasse“ des Athesia-Konzern prall gefüllt ist, allein die Tageszeitung „Dolomiten“ jährlich vom Staat einen Beitrag von über 6 Millionen Euro bekommt und das Privatvermögen der Familie Ebner im dreistelligen Millionenbereich liegt, will man das Projekt aber anscheinend nicht ausschließlich aus der eigenen Brieftasche stemmen.
Da ausgerechnet der Erzfeind der Athesia, Reinhold Messner, mit Hilfe des Landes auf Schloss Sigmundskron sein Bergmuseum errichten konnte, pocht vor allem Michl Ebner seit Jahren auf ein ähnliches Entgegenkommen vonseiten des Landes.
Der Plan: Zur Errichtung des Museums soll die private Stiftung "Option – Migration. Wider das Vergessen“ gegründet werden, der auch das Land Südtirol angehören soll. Gleichzeitig soll das Land damit auch einen Teil der Finanzierung übernehmen.
Laut einer ersten Schätzung dürfte das Projekt rund 11 Millionen Euro kosten. Der Beitrag der verschiedenen Landesabteilungen soll dabei laut Finanzierungsplan rund 3 Millionen Euro betragen.
 

Einstimmige Ablehnung

 
Nachdem Michl Ebner persönlich das Projekt im Mai bei der Abteilung „Innovation, Forschung, Universität und Museen“ eingereicht hatte, hat sich nun der Museumsbeirat des Landes auf seiner jüngsten Sitzung mit dem Vorschlag befasst.
 
 
 
Der Museumsbeirat berät die Landesregierung in museumspolitischen Belangen. Neben Landeshauptmann Arno Kompatscher, der als zuständiger Landesrat für Museen den Vorsitz innehat, gehören die Abteilungsdirektoren Volker Klotz. Vito Zingerle und Antonio Lampis sowie der ehemalige Meraner Bürgermeister Paul Rösch dem Beirat an. Weitere Mitglieder sind Landesarchivarin Christine Roilo, Patrick Gasser (Touriseum), Maria Mayr (Schreibmaschinenmuseum Partschins), Sigrid Prader (Frauenmuseum Meran) und Anna Vittorio (Gemeinde Bozen).
Nach langer nd ausführlicher Diskussion hat der Beirat am 25. Mai 2021 das Athesia-Projekt einstimmig abgelehnt. Die Hauptgründe: Die finanzielle Beteiligung und vor allem die Überzeugung, dass die offizielle Aufarbeitung der jüngeren Südtiroler Geschichte - vor allem wenn es um ein so sensibles Thema wie die Option geht - in der Zuständigkeit des Landes als neutraler Stelle bleiben soll.
Hier geht es nicht um die Projektträger“, sagt ein Mitglied des Beirates zu Salto.bz, „sondern um eine Grundsatzentscheidung, und wir würden und werden bei jedem andern Projekt genauso entscheiden“.
Im Hause Athesia wird diese Ablehnung aber als klarer Nadelstich von Arno Kompatscher gesehen. Nach Information von Salto.bz soll diese Entscheidung des Museumsbeirates der Startschuss für einen Frontalangriff auf den Landeshauptmann aus dem Weinbergweg gewesen sein.
Der Fall Durnwalder ist dabei nur ein willkommener Vorwand.