Chronik | Murmeltier-Prozess

Solidarität der Verbände

Bauernbund, Jagd- und Fischereiverbände kritisieren Murmeltier-Urteil um Luis Durnwalder und Heinrich Erhard als realitätsfremd. Sie orten Angriff auf Autonomie.
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Foto: Miguel Teirlinck

Insgesamt 2.655 Exemplare nicht oder eingeschränkt jagdbarer Tiere, darunter Murmeltiere, Steinböcke und Kormorane, seien zwischen 2010 und 2014 unrechtmäßig abgeschossen worden. Für die Abschüsse verantwortlich zeichneten sich zu jener Zeit Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder und der damalige Amtsdirektor für Jagd und Fischerei, Heinrich Erhard, die in diesen vier Jahren rund 100 Dekrete für die Jagd geschützter Tierarten ausgesellt hatten. Wie das Kassationsgericht jüngst bestätigte, hat der Staat aufgrund dieser Abschüsse Anrecht auf einen Schadensersatz in Höhe von 1,136 Millionen Euro.

In einer gemeinsamen Aussendung äußerten der Südtiroler Bauernbund (SBB), der Südtiroler Jagdverband, der Verband der Eigenjagdreviere und der Landesfischereiverband ihren Unmut über das Urteil des Kassationsgerichtshofes. Das Urteil sei realitätsfremd und nicht nachvollziehbar, denn die Abschussdekrete hätten nicht Schäden verursacht, sondern große Schäden verhindert.

 

„Schäden verhindert, nicht verursacht“

 

„Durch die Abschüsse z. B. einiger Murmeltiere wurden Schäden an der Berglandwirtschaft verhindert. Denn in einigen Gegenden richten Murmeltiere erhebliche Schäden an, die sogar die Berglandwirtschaft und die Alpung der Nutztiere in Frage stellen. Die Nagetiere graben Löcher und Gänge, Kühe und Kälber können sich verletzen, wenn diese Hohlräume nahe an der Oberfläche liegen und einbrechen, sobald ein Rind drauftritt“, ärgert sich Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler. Auch sei durch das Umgraben der Wiesen das Mähen nicht mehr möglich, da die Maschinen und Geräte kaputtgingen, heißt es seitens des Bauernbundes.

 

Am Ökosystem selbst seien durch die Entnahmen keine Schäden entstanden, da die Populationen zahlenmäßig nicht zurückgegangen seien. „Wir haben in Südtirol beispielsweise mehr Murmeltiere, Steinwild oder Kormorane als noch vor 15 oder 20 Jahren. Diese Arten müssen weiterhin reguliert werden“, sagt Landesjägermeister Günther Rabensteiner.

Interessant sei zudem, so die Verbandsvertreter, dass mit zusätzlichen Gutachten der staatlichen Umweltbehörde ISPRA heute mehr Murmeltiere zum Abschuss freigegeben würden, als noch damals mit den Abschussdekreten des Landeshauptmannes, die nun zu einer Verurteilung geführt haben.

 

„Angriff auf Autonomie“

 

Ein weiterer von den Verbänden ins Feld geführte Kritikpunkt: die Abschüsse seien im Rahmen des bestehenden Landesjagdgesetzes genehmigt worden und Südtirol habe bei der Jagd die primäre Zuständigkeit. Das Urteil sei gar ein Angriff auf die Südtiroler Autonomie. Durnwalder und Erhard hätten lediglich die Zuständigkeiten Südtirols wahrgenommen und mit diesem Urteil sollten wohl die Grenzen der Autonomie aufgezeigt werden, so die Vermutung der Verbände.

„Durnwalder und Erhard haben versucht, unsere autonomen Bestimmungen in Sachen Jagd gegenüber dem Zentralstaat zu schützen. Die im Urteil festgelegte Schadensbemessung erachte ich als zutiefst willkürlich und unangemessen“, sagt der Präsident des Verbandes der Eigenjagdreviere Martin Ganner. Auch für den Präsident des Landesfischereiverbandes, Markus Heiss, ist die Bemessung des Schadens anhand des Wertes von Tierpräparaten „absurd“. 

Insbesondere dem ehemaligen Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, Heinrich Erhard, will man nun zur Seite stehen, unter anderem mit einem Spendenkonto. „Erhard stand ein Leben lang im Landesdienst und muss nun sein Erspartes und noch einiges mehr aufwenden, um einen Schaden zu begleichen, den es nicht gibt – und das wegen eines Dekretes, das im Einklang mit dem entsprechenden Landesgesetz stand und im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit unterzeichnet wurde“, betont SBB-Landesobmann Leo Tiefenthaler.

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Sebastian Felderer Fr., 18.06.2021 - 15:41

Darf ich fragen, warum man in dieser Angelegenheit abgewartet hat, bis der Kassationsgerichtshof das Urteil bestätigt? Wäre der Angriff auf die Autonomie nicht schon vorher klar gewesen, wenn man Tierschützer als Feigenblatt dafür benützt, um Jagd und Fischerei in Südtirol in Frage zu stellen? Hat sich damals der Bauernbund noch keine Gedanken gemacht, auch nicht die Politik? Wir sind schon ein komisches Land geworden, in welchem die Leithammel vor lauter Schlauheit die eigene Herde in den Abgrund führen. Das Jagdwesen in Südtirol wird sich schon ausweisen können gegen Behauptungen, die evident politisch unterwandert sind. Gerade in Italien, einem Land, wo die meisten Jagdunfälle passieren und alles gejagt wird, was irgendwie essbar ist. Wie oft habe ich mich geärgert über Abschussgenehmigungen an Italiener für verschiedene Vogelarten in unseren Obstwiesen im Spätherbst, nur um eine Marende finanzieren zu können. Wenn nachweislich ein Nutzen und kein Schaden entstanden ist durch die getätigten Abschüsse, warum wehrt man sich erst, wenn die horrende Schadensersatzforderung gestellt wird. Ich kann nur sagen, da ist wieder einmal der Schuss nach hinten losgegangen, weil die Bauernschläue zu spät kam.

Fr., 18.06.2021 - 15:41 Permalink
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Johannes A. Fr., 18.06.2021 - 15:42

Die Verbände und Unternehmen sollten eine Spendenkampagne starten. Ich bin sicher, dass zahlreiche Bürger und Unternehmen bereit wären, etwas zu spenden, um dieses ungerechte Urteil ad absurdum zu führen.

Eine Million Euro wird man kaum schaffen aber ich denke, dass man locker auf 500.000 Euro kommt.

Fr., 18.06.2021 - 15:42 Permalink