Wirtschaft | Medien

Gekaufte Berichterstattung

Das römische Wirtschaftsministerium zahlt für die Corona-Berichterstattung der Radios lukrative Beiträge. Auch Südtirols Sender sahnen dabei ordentlich ab. Update:
radio.jpg
Foto: upi
Es ist einer der wenigen Wirtschaftszweige, dem die Pandemie Zuwächse beschert. Der Medienbereich. Für manche erweist sich Corona dabei durchaus als Goldgrube.
Dazu scheint man auch bereit zu sein, jede journalistische Grundregel über Bord zu werden. Deontologische Bedenken über gekaufte Berichterstattung zählen in Zeiten einer Pandemie nicht mehr. Im Gegenteil: Der Staat belohnt die Gleichschaltung der Berichterstattung.
Das zeigt ein Blick auf ein Dekret, das das Wirtschaftsministerium zur Unterstützung der italienischen Radios und Fernsehsender erlassen hat. Am 20. Oktober 2020 hat der Minister für die wirtschaftliche Entwicklung Stefano Patuanelli ein Dekret unterzeichnet mit dem 50 Millionen Euro dafür zu Verfügung gestellt werden.
 
 
Aus dem Dekret geht klar und deutlich hervor, dass die Radiosender für die Verbreitung der Informationen zur Corona-Pandemie lukrative Beiträge erhalten. Es geht dabei aber keineswegs um gekennzeichnete institutionelle Werbung – davon ist weder im Dekret noch im erklärenden Rundschreiben des Generaldirektors im Wirtschaftsministerium die Rede – sondern um die Berichterstattung im journalistischen Bereich. So heißt es im Gesetzesdekret:
 
„Le emittenti radiotelevisive locali beneficiarie si impegnano a trasmettere all'interno dei propri spazi informativi i messaggi di comunicazione istituzionale relativi all'emergenza sanitaria che saranno resi disponibili tramite la piattaforma messa a disposizione dal Ministero dello sviluppo economico.“
 
Es wurden zudem genau Kategorien festgelegt, wie vieler solcher Meldungen ein Sender täglich verbreitet.
Jetzt hat das Wirtschaftsministerium die Beiträge veröffentlicht, die die Radios erhalten haben. Es ist ein Füllhorn, das auch über Südtirols Sender ausgeschüttet wurde. So haben allein die zu Athesia-Gruppe gehörenden Sender „Südtirol1“, „Radio Tirol“ und „Radio Dolomiti“ über 200.000 Euro bekommen. Aber auch alle anderen Südtiroler Radios wurden ordentlich bedient.
Die Hörerinnen und Hörer dürfen aber davon ausgehen, dass die Nachrichten von Journalistinnen und Journalisten gemacht werden, die unabhängig sind. Doch das gilt in Zeiten einer Pandemie anscheinend nicht mehr.
 
Lesen sie hier alle Dokumente des Wirtschaftsministeriums.
 

Berichtigung 

Südtirols Radiomacher legen Wert auf eine Berichtigung. Demnach handelt es sich bei den Spots des Ministeriums weder um journalistische Beiträge noch um Werbung. Sondern um Belangsendungen des Minsterratspräsidium. Nachdem im Gesetz nicht genau definiert ist, was man unter "propri spazi informativi " versteht, haben Radiomacher nachgefragt. Hier die Frage und Antwort des Ministeriums.
 
Cosa si intende per “propri spazi informativi”?
Per “propri spazi informativi” si intende l’intero palinsesto e, quindi, l’intera programmazione delle emittenti sia radiofoniche che televisive locali.
 
Für Südtirol wurden dazu auf eigene Kosten deutschsprachige Spots produziert und gesendet. Hier ein Beispiel
 
presidenza_del_consiglio_dei_ministri_-_immuni_app_dezember_2020_-_20s.mp3,