Gesellschaft | Durnwalder zum 80.

Alpen, Donau, Athesia

Morgen erscheint Markus Perwangers Durnwalder-Buch bei Athesia. Lesen Sie schon heute die Rezension des Historikers und Politikers Hans Heiss auf Salto.bz.
Durnwalder, Luis
Foto: Othmar Seehauser
Knapp zwei Wochen vor dem 80. Geburtstag des Jubilars haben die Durnwalder-Festspiele offiziell begonnen. Mit ersten Rückblicken und einem Buch-Porträt aus dem Haus Athesia, das Markus Perwanger, Koordinator von RAI-Südtirol gestaltet hat. Bereits dies ist bemerkenswert: Der wichtigste Vertreter des öffentlichen Rundfunks in Südtirol veröffentlicht beim größten privaten Medienkonzern der Region, der der RAI mit notorischer Verachtung begegnet, ein Porträt des vordem mächtigsten Mannes Südtirols. Säße ich in der RAI-Redaktion, wäre ich wenig amused. Denn hier handelt es sich um keine Variation der bekannten Perwanger-Sendung, diesmal halt mit dem launigen Titel „Alpen, Donau, Athesia“, sondern um einen demonstrativen Schulterschluss.
 
 
Der wichtigste Vertreter des öffentlichen Rundfunks in Südtirol veröffentlicht beim größten privaten Medienkonzern der Region, der der RAI mit notorischer Verachtung begegnet, ein Porträt des vordem mächtigsten Mannes Südtirols. Säße ich in der RAI-Redaktion, wäre ich wenig amused.
 

Die Durnwalder Festspiele

 
Das Buch bietet unter dem Titel „Momente meines Lebens“ ein eingängiges Leitmotiv. Es zeigt viele, oft überraschende Momentaufnahmen aus der Vita des Jubilars, setzt vor allem aber eine Botschaft ab: Auch das Leben des lange Mächtigsten im Lande, dessen Sonne ewig zu leuchten schien, ist nur eine Momentaufnahme, ein Wimpernschlag in der Geschichte des Landes. Besonders markant auf dem Cover des Buches, das den Patriarchen scharf ausleuchtet: Zwar mit gewohnt bohrendem Blick, aber mit den Furchen des Alters über geöffnetem Hemdkragen, wie ein alter Baum vor dem letzten Sturm. Der Vergleich mit den ähnlich gestalteten Covern der Durnwalder-Biografien von Robert Asam (2001) und Peter Plaikner (2011) zeigt den Altersfortschritt.
 
 
Perwanger lässt die sakrale und staatsmännische Aura von King Luis aufleuchten, wenn er ihn im Kreis von Papst, Bischöfen und Dalai Lama zeigt, gleichsam als Gesalbten,
 
In Kurzkapiteln erinnert Perwanger an Etappen und Symbole vergangener Durnwalder-Macht: An den Aufstieg aus bergbäuerlicher Familie, an das beneidete Vorbild Magnago und dessen Skepsis gegenüber dem Nachfolger, der jedoch nicht zu stoppen war. Dann ihre Annäherung nach dem Abgang Magnagos, ganz im Gegensatz zur frostigen Kälte zwischen Durnwalder und Kompatscher. Anschließend präsentiert „Momente“ die Symbole der Macht: Den Terminkalender, wie Sprechstunde und Felsenkeller ein zentrales Herrschaftsinstrument, vor allem aber Ausdruck der Nähe zu Volk und Großkopfeten, einer Nähe, die Durnwalder nie ermüdete. Sie wirkte als ein Lebenselixier, wenn er in zahllosen Auftritten, Begegnungen und Kartern Ströme von Informationen, Stimmungen und Zuneigung aufsog, als Basis für den Zugewinn von Macht und Vorzugsstimmen.
Perwanger lässt die sakrale und staatsmännische Aura von King Luis aufleuchten, wenn er ihn im Kreis von Papst, Bischöfen und Dalai Lama zeigt, gleichsam als Gesalbten, dann unter seinesgleichen auf internationalem Parkett, ob in Rom, mit Helmut Kohl oder „bei Angela“, bis hin zum späten Kreisky, dem Durnwalder Dank und Trost für seinen Südtirol-Einsatz spendet.
 

Vom Altern der Macht

 
Auffallend hingegen, dass das Buch die Erfolge Durnwalders in den Anhang verbannt, es gibt im Text selbst keine Bildergalerie der „Großen Taten“, ob Bauten, Infrastrukturen, Übernahme von Kompetenzen, erst recht keine politische Bewertung, stattdessen die persönliche Parabel von Aufstieg, langem Höhenflug und schmerzlichem Adieu. Dafür wird die Medienaffinität Durnwalders gewürdigt, ebenso der chronische Clinch mit Athesia, der mit diesem Buch definitiv beigelegt erscheint. Als tief gestört hingegen deutet „Momente“ das Nicht-Verhältnis zum Nachfolger, dessen Ausgrenzung den Alten schwer gekränkt und zu manch bitterem Kommentar, auch zum Nachtreten veranlasst hat.
Rehabilitiert wird Michl Laimer, dessen massive Verfehlungen und Rechtsbrüche im Verlauf des SEL-Skandals von seinem Chef (wie auch vom Autor) als lässliche Sünden abgetan werden. Auch die Sonderfonds-Affäre fällt unter diese Rubrik, da Durnwalders gestaltungsfrohe Fondsgebarung als verzeihlicher Übergriff eines Großen abgebucht wird.
 
 
 
„Momente“ weckt Anteilnahme für sein schwieriges Familienleben, die gescheiterte Ehe mit Gerda Furlan, den tragischen Tod der Tochter, schließlich das späte Glück mit Angelika Pircher. Es ist ein menschlich geläuterter Durnwalder, den uns Perwanger vorführt: Der alte Landesvater, von Kindern umringt, vor Greta auf der Schaukel wippend, aber auch engagiert in Sachen Entwicklungshilfe, an der Perwanger die nächtlichen Flohattacken hervorhebt. Konflikte und Machtkämpfe hingegen spart „Momente“ ebenso aus wie die oft brutale Härte, womit der Landeshauptmann Gegner kalt stellte, und verklärt ihn zum meist gütigen, mitunter etwas ruppigen Landesluis. So zeichnet Perwanger ein geglättetes Durnwalder-Konterfei, das aber dem harmoniebedürftigen, die Sonne der Mächtigen suchenden Naturell des Autors bestens entspricht.
 
 
Als tief gestört hingegen deutet „Momente“ das Nicht-Verhältnis zum Nachfolger, dessen Ausgrenzung den Alten schwer gekränkt und zu manch bitterem Kommentar, auch zum Nachtreten veranlasst hat.
 
„Momente“ erhebt Durnwalder zum Monument seiner selbst, der praktischen Politik enthoben, verehrt, aber zunehmend wirkungsarm. Der Weihrauch verbirgt die Entmachtung. Das Büchlein ist eine Geschichte der Macht, ihres Gewinns und Verlusts, unterlegt von der Maxime: „Jeder Landeshauptmann muss gehen, doch Athesia bleibt bestehen.“ Vielsagend im Buch das Bild einer Landesversammlung, in der neben Durnwalder auch Elmar Pichler-Rolle und Michl Ebner die Resolutions-Tafel mit der Nr. 1 nach oben recken. Dahinter die stille Lektion: Alle müssen verschwinden, denn im Lande gibt es doch nur die eine Nummer Eins.
 

Fotos: Othmar Seehauser