Gesellschaft | one last time

Keine Zeit für Stillstand

Wir wussten immer, wofür wir arbeiten. Nach sieben Jahren ist es für mich Zeit, Neues zu wagen. Ich blicke mit Stolz zurück.
Lisa Maria Gasser
Foto: ost west club est ovest

Ein Satz der vergangenen sieben Jahren ist mir besonders in Erinnerung geblieben. “Ich durfte zuschauen, wie eine Journalistin geboren wurde.” Das hat meine Kollegin Susanne Pitro bei ihrem Abschied von salto.bz zu mir gesagt. Jetzt ist es an mir, mich zu verabschieden.

Als ich am 1. Jänner 2020 die Chefredaktion von salto.bz übernommen habe, wusste ich, worauf ich mich einließ. Im Juli 2014 hatte ich meinen ersten Artikel für salto geschrieben. Als Sommerpraktikantin. Die folgenden Jahre waren intensiv, bisweilen verrückt und aufreibend. Es war ein ständiges Ringen, um diesem Medium einen Fixplatz in Südtirol zu sichern, ohne die Werte zu verraten, die am Anfang standen und die in diesem Land rar gesät sind: selbstverständliche Zweisprachigkeit, journalistische Unabhängigkeit, breite Partizipation. Dass diese Mission erfolgreich war, ist einem eingespielten Team zu verdanken, stets bereit, mehr zu geben, als erwartet wurde. Zum Jahreswechsel 2019/2020 standen wir auf festen Füßen – auch wenn immer wieder versucht wurde, uns den Boden unter denselben wegzuziehen.

 

Eine Struktur mit klarer Aufgabenteilung und Zuständigkeiten hatte salto nicht, als ich 2014 dazustieß. Es wurde mir sehr rasch die Gelegenheit geboten, Verantwortung zu übernehmen. Das war nicht immer leicht, machte es aber zugleich möglich, zu gestalten, auszuprobieren, zu riskieren. C’è una persona senza la quale non sarei arrivata fino ad assumere il ruolo di direttrice a gennaio 2020. Sarah Franzosini. Abbiamo fatto tutta la strada insieme. Fin dal primo giorno. È impossibile spiegare con parole quanto significhi per me aver avuto accanto una persona della quale mi potevo fidare ciecamente. Ma Sarah lo sa.

Im Frühsommer 2021 ist Sarah zurück in ihre Heimatstadt gekehrt, nach Rom. Ihr Blick von außen auf das Land und die Leute hier war immer wohltuend. Zugleich wurde es ihr selbst nicht immer leicht gemacht, als “Auswärtige”. Ich bin Sarah dankbar, genauso wie Christoph Franceschini, für ihren Rat, ihre Unterstützung und Schelten, wenn die Selbstzweifel wieder einmal zu sehr an mir nagten.

 

Nach außen ließen wir nie erkennen, wie es hinter den Kulissen von salto.bz bisweilen aussah – hektische Telefonate, wenn die Seite mal wieder streikte; Arbeiten bis in die Morgenstunden, um das eine Interview, die eine Geschichte fertig zu schreiben, weil untertags Zeit und Ruhe fehlten; hitzige Diskussionen in der Redaktion und mit dem Herausgeber, etwa zur Frage, wie die Community gemanaged werden soll –, weil wir am Ende alle an einem Strang zogen. Überzeugung, Kampfeslust, Standhaftigkeit, Teamgeist, eine gehörige Portion Idealismus und Adrenalin waren die Zutaten, die salto immer weiter nach vorne gebracht haben. Das hat gezehrt. Aber es hat sich ausgezahlt. Im ersten Pandemie-Jahr – meinem ersten Jahr als Chefredakteurin – konnten wir die Seitenaufrufe und User-Zahlen verdoppeln. Und die Technik hat dem Ansturm Stand gehalten.

Wir wussten immer, woran, wofür wir arbeiten: eine offene, kritische, aber faire, vielfältige Welt – im Kleinen und im Großen. Unvoreingenommen und unbeeindruckt von eventuellen Einflussnahmen oder Konsequenzen, wegen denen allzu viele Kollegen den einen oder anderen Artikel schreiben oder eben nicht schreiben.

Dieses kleine, aber umso emsigere Team zusammenzuhalten, für alle eine Anlaufstelle zu sein, Ruhe und Struktur in den Arbeitsalltag zu bringen, waren einige meiner Ziele als Chefredakteurin. Und wenn heute eine Redaktion mit fünf Vollzeit-Journalisten, einer eigenen Kultur- und Musik-Abteilung, einem Dutzend Kolumnisten und noch einmal so vielen freien Mitarbeitern hinter salto steht, dann kann mich das nur stolz machen. Ich habe vieles geschafft – darunter einiges, das ich nicht für möglich gehalten hätte. Jetzt ist es Zeit für etwas Neues. Ich kehre der Redaktion den Rücken, mache mich auf die Suche nach einer neuen Aufgabe. Dem Projekt salto.bz und den Menschen dahinter werde ich hingegen stets verbunden bleiben.

 

Ein Danke möchte ich allen sagen, die mich in den vergangenen sieben Jahren auf meinem Weg begleitet haben, auch wenn es oft nur ein Stück war. Jede Begegnung, jedes Gespräch, jeder Konflikt hat mich weiter gebracht. salto hat mir Vertrauen und Freiheit geboten, die ich zu schätzen und im Sinne des Projekts zu nutzen wusste. Die Basis für Neues ist da.

Es braucht salto.bz, es braucht Menschen wie die vielen, denen ich in den sieben Jahren in der Redaktion, im Backoffice, bei Klausuren und Genossenschaftsversammlungen, in der salto-Community und im “realen” Leben begegnet bin – und jene, die jetzt mit viel Erfahrung und neuer Motivation an salto.bz weiterbauen. Ohne sie wäre Südtirol um einiges ärmer.