Gesellschaft | Landwirtschaft

Scheinheilige Apfelbauern

Ein Südtiroler Erntehelfer klagt an: Schwarzanstellungen, Niedriglöhne und ein Support- und Informationsnetzwerk, um Strafen zu umgehen.
Mele
Foto: upi

Die folgenden Zeilen wurden von einem Südtiroler Erntehelfer verfasst. Nachdem er sich seinen Lebensunterhalt jahrelang unter anderem durchs “Klauben” verdiente, äußert sich der Autor nun, da er eine andere Anstellung gefunden hat, zu den Zuständen in einigen Südtiroler Apfelgütern. Der Autor ist der Redaktion bekannt, möchte jedoch anonym bleiben:

 

Ich habe lange Zeit in der Landwirtschaft gearbeitet und möchte kurz ein paar Zeilen schreiben. Vorab: Nicht alle Bauern sind gleich und es gibt auch ihre, die alles korrekt machen.

Was mich aber erstaunt ist, dass man auch im Jahr 2021 vielerorts noch diskutieren muss, um regulär angestellt zu werden. Ich musste oft betteln, um angestellt zu werden und das “Schwarzklauben” zu vermeiden. Meist wurde ich auch dann noch nur teilweise angemeldet; vier Stunden regulär und vier Stunden schwarz zum Beispiel.

Jeder Mensch hat ein Recht darauf, regulär arbeiten zu dürfen.

Auch viele ausländische Erntehelfer bleiben unregistriert. Sie arbeiten ohne Aufenthaltsbewilligung und ohne Anmeldung in Südtirol. Ihre Autos werden versteckt, um Kontrollen zu umgehen. Werden behördliche Kontrollen durchgeführt, verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Ein Bauer ruft den nächsten an und die nicht angemeldeten “Klauber” verschwinden für einige Stunden im Keller.

Einige Apfelbauern klauben nur mit Studenten, Stundenlohn neun Euro, schwarz.

Dass Südtiroler für dieses Geld nicht klauben wollen, ist klar.

Dazu kommt: Der Südtiroler Bauernbund kennt die Situation. Und vertuscht das Ganze. Es handelt sich um ein offenes Geheimnis. Wird ein Bauer bei einer Kontrolle erwischt, unterstützt der Bauernbund die Bauern, um eine mildere Strafe zu erreichen.

Die Missstände beziehen sich aber nicht nur auf die Schwarzanstellungen. Einige halten in einem Hinterzimmer Spritzmittel von früher versteckt, die heute nicht mehr zugelassen sind. Andere setzen Bäume, die auf einer gespritzten Wiese wachsen, in die Biowiese. Und verkaufen die dort wachsenden Äpfel nach kürzester Zeit als “Bioprodukt”.

 

Salto.bz hat den Südtiroler Bauernbund um eine Stellungnahme gebeten. Der Pressesprecher des SBB, Michael Deltedesco, bezweifelt, dass Schwarzarbeit in den Landwirtschaftlichen Betrieben aufgrund der scharfen Kontrollen und hohen Strafen weit verbreitet sei, verwies Salto.bz jedoch an den Präsidenten des Bauernbundes Leo Tiefenthaler. Dieser konnte bis zur Veröffentlichung des Artikels jedoch nicht erreicht werden.