Wenn eine Bahn nicht reicht
Ein Paradebeispiel für Kirchturmpolitik liefert immer wieder die Gemeinde Kastelruth. Am vergangenen Donnerstag hat der Gemeinderat über einen “ergänzenden Eingriff” in den Fachplan für Aufstiegsanlagen und Skipisten der Liftgesellschaft Marinzen GmbH abgestimmt. Durch diesen soll das Kastelruther Skigebiet Marinzen mit jenem der Seiser Alm zusammengeschlossen und durch eine neue Umlaufbahn direkt verbunden werden. Einige der Gemeinderäte müssen sich im Vorfeld der Abstimmung wohl gedacht haben: “Nicht schon wieder!”
Lang gehegter Traum
Dass sich die Kastelruther Dorfbewohner schon seit einiger Zeit eine direkte Anbindung an die Seiser Alm wünschen, ist kein Geheimnis. Obwohl nur einige Kilometer entfernt bereits zwei Umlaufbahnen stehen, die direkt auf die größte Hochalm Europas führen: eine in Seis am Schlern, das zur Gemeinde Kastelruth gehört, und eine in St. Ulrich in Gröden. Doch ist das anscheinend nicht genug, die Kastelruther fordern seit Jahren schon ihre eigene Bahn. Vor allem die Wirtschafts- und Tourismustreibenden des Hauptortes wünschen sich eine Direktverbindung auf die Seiser Alm. Bisher müssen Feriengäste im Hotelbus oder im Shuttlebus, der in der Hauptsaison im 15-Minuten-Takt verkehrt, in das drei Kilometer entfernte Seis gebracht werden. Von dort dann Aufstieg mit der Seis-Seiser-Alm-Bahn. Ein Dorn im Auge der Kastelruther. Hat man doch im Dorf mit Marinzen ein eigenes kleines, aber feines Skigebiet. Doch dort, wo bereits die Skiasse Denise Karbon und Peter Fill Skifahren lernten, steht seit einigen Jahren alles still. Schneemangel, sinkende Wirtschaftlichkeit und Konkurrenz durch große Skikarusselle hatten das Skigebiet immer unattraktiver gemacht und schließlich war der Winterbetrieb vollkommen eingestellt worden.
Dieses Bild gehört der Vergangenheit an: Nacht-Skilaufen am Marinzen.
Foto: skigebiete-test.de
Liftgesellschaft, die Wirtschafts- und Tourismuslobby sowie Kastelruther Gemeindepolitiker drängten aber weiterhin auf eine Wiedereröffnung, mit ensprechender Verlängerung des Marinzen-Lifts. Entsprechend häufig hat sich auch der Kastelruther Gemeinderat in den vergangenen Jahren mit einer möglichen Lifttrasse zwischen Marinzen und Seiser Alm beschäftigen müssen, zuletzt im Jänner 2014. Doch war aus den Träumen der Kastelruther Liftgesellschaft – und jenen der Tourismsustreibenden – nie etwas geworden: Das Land hatte stets den Riegel vorgeschoben. Für viele schien das Thema somit schon erledigt. Doch hat die vor Kurzem erfolgte Überarbeitung des Fachplans für Aufstiegsanlagen und Skipisten durch die Landesregierung eine erneute Abstimmung über die direkte Verbindung der beiden Skigebiete ermöglicht. Sogleich wurde dem Kastelruther Gemeinderat ein neuer Antrag der Marinzen GmbH zur Behandlung vorgelegt.
30 Millionen Euro an Investitionen sind für das Vorhaben veranschlagt. 15 Millionen für den Bau der Aufstiegsanlage, 2 weitere für die Abfahrt von der Seiser Alm ins Dorf Kastelruth. 2,1 Millionen Euro kommen für die Beschneiungsanlagen und 3,1 Millionen für die Errichtung eines Speicherbeckens dazu.
Opposition und Seiser dagegen
Knapp war das Ergebnis dann am vergangenen Donnerstag: Mit 10 Ja, 7 Nein und einer Enthaltung wurde der Antrag angenommen. Kritik wurde vor allem vonseiten der oppositionellen Freien Liste und den Seiser SVP-Vertretern geäußert – Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit des Vorhabens wurden infrage gestellt. Im Masterplan, der für das Projekt der Marinzen GmbH ausgearbeitet wurde, fehlt eine genaue Untersuchung der Umweltauswirkungen, doch ist man sich darin auch sicher, dass das Vorhaben “umweltschonend und ohne langfristige negativen Auswirkungen” realisiert werden könne. Außerdem soll der Verkehr zwischen den Dörfern Seis und Kastelruth abnehmen und nicht zuletzt das Überleben des Skigebiet Marinzen gesichert werden. Darüber hinaus wäre eine direkter Anschluss an die Seiser Alm Balsam auf der angekratzten Seele der Kastelruther.
“Die Ortschaften Seis, St. Ulrich und Kompatsch verfügen alle über einen direkten Anschluss an das Skigebiet Seiser Alm. Lediglich die Örtlichkeit Kastelruth hat derzeit keinen Anschluss, hat aber ein kleines örtliches Skigebiet, welches zurzeit jedoch nicht betrieben wird. Um sowohl den Betrieben in Kastelruth die Konkurrenzfähigkeit mit den umliegenden Betrieben, als auch ein Überleben des kleinen Skigebiets zu gewährleisten, ist ein Anschluss an die Seiser Alm nötig.” So steht es im Masterplan.
Bürgermeister und jener, der es werden will: Zwei Dörfer, zwei Meinungen
Doch was sagt der Bürgermeister einer Gemeinde, die seit Ewigkeiten zweigespalten scheint und wo die Kastelruther und Seiser Bevölkerung mit Neid und Argwohn beobachtet, was im Nachbarort veranstaltet, genehmigt und nicht zuletzt gebaut wird. “Der Zusammenschluss ist für die wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes von großer Bedeutung”, beteuert Andreas Colli gegenüber der Tageszeitung Dolomiten. Der amtierende Bürgermeister scheint geläutert. Begonnen hatte er seine politische Karriere nämlich bei der oppositionellen Freien Liste und sich anfangs vehement gegen Umweltverschmutzung und Verbauung eingesetzt. Inzwischen ist er in die SVP eingetreten und hat gegen Ende seiner Amtszeit vor allem mit seinem Kampf gegen Umweltschutzmaßnahmen von sich reden machen. Colli hat sich etwa für eine Aufweichung der Fahrtenregelung auf der Seiser Alm stark gemacht und sich vehement geweigert, den Gemeinderat mit einem Antrag auf Abänderung der Naturparkgrenzen zu befassen, die eine Eingliederung des Lang- und Plattkofels in die UNESCO-Zone erwirkt hätte. Auch er hat am vergangenen Donnerstag bei der Gemeinderatsitzung für den Antrag der Marinzen GmbH gestimmt.
Stefan Perathoner war bei der Sitzung nicht anwesend. Der Seiser SVP-Ortsobmann wird bei den Gemeinderatswahlen im Mai Andreas Colli als Bürgermeisterkandidat der SVP Seis herausfordern. Er ist froh, dass die Diskussion um die Marinzen-Anbindung an die Seiser Alm vom Wahlkampf herausgenommen worden ist. “Für die Gemeinde ist das Thema jetzt wohl endgültig vom Tisch. Der Gemeinderat hat sich x-Mal mit der Liftverbindung beschäftigt und soll nicht mehr damit befasst werden”, berichtet Perathoner. Es schaut also so aus, als wäre es der letzte Anlauf gewesen, um den Kastelruthern ihren Traum von einer eigenen Anbindung an das Ski- und Wandergebiet Seiser Alm zu verwirklichen.
Der Ball liegt nun beim Land. Zunächst muss sich die Landeskommission, abschließend auch die Landesregierung mit dem Antrag befassen. Die Seiser SVP rechnet dem Vorhaben keine großen Chancen ein, angenommen zu werden. Das Land hatte bereits 2010 das Ausbauvorhaben der Marinzen GmbH abgeschmettert. Und das, obwohl im selben Jahr eine Haushaltsumfrage der SVP-Ortsgruppe Kastelruth ergab, dass sich fast 70 Prozent der an der Fragebogenaktion beteiligten Bevölkerung, den Erhalt der Dorflifte und mittelfristig einen Zusammenschluss mit der Seiser Alm beziehungsweise der Umlaufbahn Seis-Seiser Alm wünschten. Befragt worden waren etwa 1.000 Haushalte der Gemeinde Kastelruth. Ausgenommen waren jedoch Seis und seine Fraktionen. Kirchturmpolitik par excellence.
Irgendwie schon verständlich
Irgendwie schon verständlich wenn die Kastelruther auch ein Stück vom Kuchen haben wollen.
Antwort auf Irgendwie schon verständlich von Mensch Ärgerdi…
Ein Stück vom Kuchen... wie
Ein Stück vom Kuchen... wie lustig :-) Dieser Kuchen IST Kastelruth, nicht zu fassen, und wir haben's verk*t. Es ist noch nicht lange her, da war die Seiser Alm im allgemeinen Bewusstsein ein Teil von Kastelruth, jetzt ist's umgekehrt, und keiner hat's gemerkt... Ja, das haben wir GRÜNDLICH vermasselt. Aber das sollten wir halt einfach anerkennen, statt herzugehen, und herumplärren, wir wollen jetzt aber auch (Muster: Feuerwehrhalle. Oder laaaange Feuerwehrleiter. Du kennst?!), was alle anderen schon haben... Wie kindisch ist das denn?! Und wie "wirtschaftlich" (Sie als Kenner...)? Sich als letzte in einem Markt positionieren zu wollen der a) ge- bis übersättigt ist und b) sowieso stagniert bis rückläufig ist mit c) einem Nicht-Produkt, das alle anderen schon haben, und besser dazu? Kuchen? Der Korrektheit und Vollständigkeit halber muss aber gesagt werden, dass in Sachen Seilbahn Seis-Seiser Alm auch nicht alles ganz koscher abgelaufen ist und vielleicht immer noch nicht ganz koscher läuft - aber jetzt ist sie halt da, und läuft, und läuft gut. Dort war man schneller als hier, Punkt. Wir hätten andere Möglichkeiten gehabt und haben sie nach wie vor, uns zu positionieren und zu profilieren und hätten's nicht wirklich nötig, als letzte die "Brosn" zusammen zu klauben, die von den anderen übrig bleiben. Aber da kleben zwei Skibretter vor unseren Augen, und versperren uns den Blick auf den Horizont...
Antwort auf Ein Stück vom Kuchen... wie von Sylvia Rier
Und was wären denn die
Und was wären denn die anderen Möglichkeiten? Diese immer-gegen-alles-Haltung ist eigentlich nur langweilig.
Kastelruth will mehr vom
Kastelruth will mehr vom Kuchen, denn es steht leider nur an 2. Stelle was die Nächtigungen im Winterhalbjahr 2013/14 angeht. 633.007 Nächtigungen sind einfach zu wenig, bedenkt man, dass das nicht weit entfernte Wolkenstein doch auf 91.000 Nächtigungen mehr kam. Armes Kastelruth, das ist eine wirkliche Schande, die man nicht einfach so hinnehmen darf! Da muss unbedingt ein neuer Lift her, dann schafft es das arme Dorf vielleicht doch noch auf den 1. Platz, wer weiß?
Antwort auf Kastelruth will mehr vom von Astrid Amico
Nah, Astrid, das würde ich
Nah, Astrid, das würde ich jetzt so nicht stehen lassen wollen: Die Zahlen, die du nennst, beziehen sich wohl (denke ich?!) auf die GEMEINDE Kastelruth, also inklusive dessen, was Menschärgeredichnicht "Kuchen" nennt?! Ist ja übrigens witzig, dass jener "Kuchen" - der ganze! Kuchen - seine Abgaben nach Kastelruth entrichtet (ob wir womöglich an der Quelle sitzen, und sie nur nicht zu schöpfen verstehen ;-) ?). Auch darf m. E. nicht unterschlagen werden, dass man in Seis seinerzeit diese Bahn unbedingt wollte, weil's mit dem Tourismus nicht (mehr) so richtig rund lief, und man sich von der Bahn eine Belebung erhoffte (die allerdings nicht eingetreten ist, habe ich mir erst kürzlich - wieder - bestätigen lassen. "Belebt" wurden nachweislich a) die Seiser Alm - die hätte beruhigt werden sollen-, b) Völs und c) die Verkehrsüberlastung in Seis...). Doch davon abgesehen ist es, glaube ich, schon sinnvoll und auch legitim, dass Bestehendes (also hier im Sinne der Betriebe) bestmöglich arbeiten können will - eine Bahn (diese! Bahn, unter den heutigen und gegebenen Voraussetzungen) wird in dieser Hinsicht allerdings nichts verbessern, eher verschlimmern. Dass übrigens für eine so kurzsichtige "Vision" eine ganzer, vollkommen schöner und vollkommen unberührter Berg so radikal zerschlachtet werden soll, mit allen mittelbaren und unmittelbaren Folgen, finde ich persönlich eine grobe Verantwortungslosigkeit.
Antwort auf Nah, Astrid, das würde ich von Sylvia Rier
Ich bin mit Silvia Rier einer
Ich bin mit Silvia Rier einer Meinung?!?? O.o
...dass ich das noch erleben durfte. ;-)
Fakt ist, Silvia, dass
Fakt ist, Silvia, dass Kastelruth die Gemeinde mit den zweit meisten winterlichen (oder sogar ganzjährlichen?) Nächtigungen landesweit ist und das ist wahrlich nicht wenig. Inwiefern nun die Nächtigungen zwischen den einzelnen Fraktionen aufgeteilt sind, konnte ich nicht einsehen, was ich aber schon finde, ist dass Kastelruth aufhören sollte das arme Opfer zu spielen, nur weil es keine eigene Bahn hat. Genug ist genug und Gier kennt bekanntlich keine Grenzen...
Antwort auf Fakt ist, Silvia, dass von Astrid Amico
Nah, Moment Astrid, Fakt ist
Nah, Moment Astrid, Fakt ist etwas anderes :-) Diese Bahn soll ja ganz gezielt die Betriebe von Kastelruth DORF beleben - da ist es nicht hilfreich, mit den Nächtigungen von Kastelruth GEMEINDE zu "argumentieren". Fakt ist aber auch, dass Kastelruth (Dorf) immer noch und trotz der Tatsache, dass die Bahn in Seis steht, mehr Nächtigungen "produziert" (und auch das durchschnittlich höhere Preisniveau hat) als Seis - insofern hast du Recht und kann natürlich keine Rede sein von "Opfer". Wann "genug genug ist" und wo "Gier" anfängt, darüber möchte ich mir hier kein Urteil anmaßen. Wie gesagt, ich glaube, das Problem liegt woanders, und hat jedenfalls mehrere Ursachen - eine neue (die dritte! Zubringer-)Seilbahn zur Seiser Alm wird daran nichts ändern. Das ist, wie wenn sich ein Überarbeiteter und kurz vor dem Zusammenbruch stehender ein paar Pillen einwirft, um noch ein paar Nächte durchhalten zu können - das kann er vielleicht sogar schaffen, allerdings mit der Folge, dass nach diesen paar durchgearbeiteten Nächten GAR nichts mehr geht - also schon kurzfristig gesehen. An mittel- und langfristig mag ich gar nicht denken.