Noch ein Sommer ohne Taten
Der Sommer 2016 sollte anders werden. „Verkehrsfreier Sommer am Sellajoch“ hieß es bereits im Frühjahr 2015. „Endlich sind wir einen Schritt weiter“, freute sich Landesrat Florian Mussner damals über ein gemeinsames Pilotprojekt mit dem Trentino, das eine zeitweise Sperrung der vier vielbefahrenen Pässe rund um den Sellastock vorsah. Als dann im vergangenen Februar den beiden Provinzen dank eines regionalen Vorstoßes auch noch vom römischen Ministerrat grünes Licht für verkehrsbeschränkende Maßnahmen aus Gründen des Umweltschutzes gegeben wurde, schien es kein Halten mehr zu geben. „Endlich haben wir als Land Südtirol die Möglichkeit, den Verkehr auf unseren Straßen einzuschränken, um unsere einmalige Landschaft zu schützen und die Umwelt intakt zu erhalten”, erklärte ein eigens nach Rom gereister Landeshauptmann Arno Kompatscher – und nahm dabei insbesondere auf eine Entlastung der Passstraßen Bezug.
Endlich, weil die Diskussion über die Auswirkungen des Verkehrs auf den Dolomitenpässen bereits eine mindestens 20-jährige Geschichte hat. Bereits Mitte der Neunziger Jahre erschien die erste Studie zum Thema; die jüngste Arbeit nach einer Reihe weiterer Erhebungen wurde im vergangenen November von der Eurac präsentiert: “Die Dolomitenpässe. Analyse des Verkehrs und seiner Auswirkungen und Vorschläge für Managementmaßnahmen“ lautet der Titel. Auftraggeber war nicht ohne Grund die Stiftung Dolomiten UNESCO. Immerhin hat die Anerkennung der Dolomiten als UNESCO-Weltnaturerbe den Druck auf die angrenzenden Provinzen erhöht, gegen die Blechlawinen und die Lärmbelästigung aktiv zu werden, die alljährlich vor allem zwischen Juni und August invasiv werden. Dann sind laut Eurac-Studie auf jedem der untersuchten vier Pässe nie unter 1500 Fahrzeuge am Tag unterwegs; die Spitzen in der Hochsaison reichen bis zu 5500 Autos, Busse und Motorräder. Jährlich zirkulieren in dem sensiblen Gebiet rund 1,2 Millionen Fahrzeuge. Bereits Michl Laimer hatte sich als Umweltlandesrat 2011 dafür stark gemacht, den Bergen durch eine zweitweise Sperrung der Passstraßen „die Ruhe zurückzugeben“. Sein Nachfolger Elmar Pichler-Rolle, als Landesrat auch Präsident der Stiftung Dolomiten Unesco, wirkte besonders entschlossen, eine Verkehrsregelung für die Dolomitenpässe durchzuziehen, "die eines Welterbegebiets würdig ist".
ZulVerkehrströme auf den Dolomiten-Pässen - gemessen in einer Studie der Eurac.
Und doch werden sich allen Ankündigungen zum Trotz auch im Sommer 2016 Busse, Autos und Motorräder ohne jegliche Einschränkungen oder Mehrausgaben die gewundenen Panoramastraßen hinauf- und hinunterwälzen. Wieder nichts mit dem Pilotprojekt am Sellajoch, ein weiterer Sommer ohne zeitweise autofreie Pässe für Radfahrer oder Perspektive auf lärmfreie Wanderungen. „Dass heuer noch was passiert, ist ausgeschlossen“, bestätigt Mobilitäts-Landesrat Florian Mussner. „Es hat sich alles zu sehr in die Länge gezogen.“ Immerhin sind die zu treffenden Maßnahmen nun gemeinsam mit dem Trentino abzustimmen; beteiligt sind neben der jeweiligen Landespolitik auch die Bürgermeister aller betroffenen Gemeinden. Im August wird es laut Mussner ein nächstes Treffen geben, von dem er sich mehr Konkretheit erwartet. Denn bislang ist laut dem Mobilitätslandesrat immer noch offen, ob man auf eine stundenweise Sperrung oder eine Maut setzen will. Eine Frage, die auch dazu beiträgt, das bis heute keine Taten in der Passdiskussion gesetzt werden. „Ob Maut oder Sperrung – wichtig ist, dass das Verkehrsaufkommen auf den Pässen gesenkt wird“, sagt der bekannte Meteorologe Luca Mercalli, der erst vergangenes Wochenende im Rahmen des Maratona dles Dolomites mit lokalen Verantwortlichen über die Zukunft der Dolomiten diskutierte. Im Vordergrund jeder Maßnahme steht laut Mercalli ihr pädagogischer Effekt: Wer die Umwelt oder Güter der Allgemeinheit stärker belastet oder intensiver nutzt, zahlt mehr. Das Prinzip, das auch hinter der in Italien stets verhinderten CO2-Steuer steht, könnte über Pilotprojekte in den Dolomitenpässen endlich auch hierzulande Fuß fassen, erklärte der Meterologe in der Mittwoch-Ausgabe des Alto Adige.
Maut oder Sperrung?
So pragmatisch wird das auch unter alle jenen, die seit Jahren Maßnahmen gegen den Verkehr fordern, keineswegs immer gesehen. Michil Costa beispielsweise bezeichnete eine Maut in der Vergangenheit als „eine blöde Idee“. In der jüngsten Diskussion um den Stilfserjoch-Nationalpark argumentierten Umweltschützer einmal mehr, dass das Verkehrsaufkommen mit einer Maut keineswegs reduziert werde. Ein Beispiel dafür? Die Drei-Zinnen-Straße, wo der Zustrom trotz einer Maut von 25 Euro weiter zu- statt abgenommen habe. Mehr Einigkeit herrscht dagegen unter den Gegnern einer Verkehrsberuhigung, die im Komitee für den Schutz der Dolomitenpässe eine gemeinsame Stimme gefunden haben. 79 Betriebe mit insgesamt 200 Beschäftigten haben sich laut ihrem Sprecher Osvaldo Finazzer darin vor neun Jahren zusammengeschlossen, um ihr Eigentum und ihre Arbeitsplätze zu verteidigen. Für sie ist der Verkehr schließlich kein Problem, sondern ein Umsatzgarant. „Wissen Sie, was das Geheimnis hinter dem Erfolg der Dolomiten ist? Die Freiheit“, sagt Finazzer. Symbol dafür sei der Dolomiti-Superski-Pass, der die Touristen daran gewöhnt hat, frei und ohne Einschränkungen zwischen den einzelnen Tälern zu zirkulieren. „Die Menschen, die aus den Städten zu uns gekommen, müssen sich das ganze Jahr mit Verboten und Regeln herumschlagen. Hier, in ihren Ferien, sollen sie endlich frei sein, und selbst wählen können, wann und mit welchem Verkehrsmittel sie sich bewegen möchten“, meint der Hotelier vom Prodoijoch. Werde diese Freiheit eingeschränkt, sterben die Pässe, prophezeien er und seine Mitstreiter. „Wir haben in unsere Aktivitäten investiert, wir müssen Schulden abzahlen, man kann uns nicht einfach unsere Erwerbsgrundlage wegnehmen“, so Finazzer. „Wenn Florian Mussner unsere Häuser kauft, kann er machen was er will“, sagt er. „Doch solange wir die Häuser haben und unsere Kredite abzahlen müssen, soll er machen was wir sagen.“
E-Mobility als Alternative
Auch ob solcher Aussagen ist Florian Mussner wohl ein erklärter Maut-Befürworter. „Man muss den Menschen schon die Möglichkeit bieten, die Schönheit der Dolomiten zu erleben“, sagt der Mobilitätslandesrat. Deshalb setzt er sich gemeinsam mit Umweltlandesrat Richard Theiner für ein stark ausgebautes Angebot an alternativen Fortbewegungsmitteln auf den Dolomitenstraßen aus: ob Busse, die mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden, E-Cars oder andere emissions- und lärmfreie Fahrzeuge. „Wer dieses Angebot dagegen nicht nutzt, muss eine Maut zahlen“, erklärt der Landesrat.
Osvaldo Finazzer kann auch solchen Optionen nichts abgewinnen. Vor allem für die vielen Busreisen und Paschalangebote, von denen die Restaurants auf den Pässen leben, sind alternative Fortbewegungsmittel keine Lösung, sagt er. Doch nutzen die japanischen Reisegruppen, die bereits im Jänner ein Mittagessen in seinem Restaurant reserviert haben, noch die Seilbahn auf dem Pass, wenn sie mit einer Maut zusätzlich zur Kasse gebeten werden? Lassen die englischen Touristen, die von Gardasee aus ihre Ein-Tages-Dolomitentouren machen, die Sella-Pässe nicht überhaupt aus, wenn nur diese „attackiert“ werden, wie es die Gegner der Verkehrsberuhigung empfinden. Die Dolomiten umfassen schließlich weit mehr Pässe, führt Vinazzer ins Spiel. „Doch bestraft werden sollen nur wir – für ein Weltnaturerbe, das nicht unsere Pässe umfasst sondern einige Berge, auf denen es nicht einmal Tier gibt. Und im Namen einer Unesco, von der wir bislang keinen Nutzen gehabt haben“, sagt der Sprecher des Komitees für den Schutz der Dolomitenpässe. „Natürlich gibt es Widerstand, doch es muss etwas gemacht werden und unter Federführung von Landesrat Theiner wird dies auch sicher gelingen“, sagt dagegen Landesrat Florian Mussner. Kann er garantieren, dass die politischen Versprechen zumindest 2017 eingelöst werden. „Der Wille dazu ist sicher vorhanden“, antwortet Mussner. Doch das war er auch schon lange vor dem wieder nicht verkehrsfreien Sommer 2016.
Wann kommen sie endlich unter
Wann kommen sie endlich unter die Wahlräder, all diese unfähigen Politiker von Kompatscher bis Mussner? Sind nicht einmal im Stande, die Pässe in der Saison tagsüber von 10-16 Uhr zu sperren. Und bilden sich ein, ein ganzen Land führen zu können. Aber ja, wer außerhalb seiner Anschauung nichts hören, nichts sehen und nichts riechen will, merkt auch nicht, wie laut es auch wochentags schon um den Sellastock schallt. Na dann, weiter Vollgas durch die Unesco-geschütze Bergwelt!
Versuchen Sie mal in Gröden
Versuchen Sie mal in Gröden und im Gadertal für ihre Idee zu werben. Besorgen Sie sich aber ein schnelles Rückzugsgefährt, denn die bekanntlich
bei der Brieftasche etwas empfindlichen Grödner und Badioten sehen gewisse
Einschränkungen gar nicht gern.