Politik | Jubiläum

Südtirol, Land der Herzen

Österreichs Parlamentarier sprechen über Südtirol: Wie sie das Land sehen, wohin es mit ihm gehen soll – und auf welches Versprechen man zählen darf.
Südtirol
Foto: Salto.bz

Die österreichischen Parlamentarier müssen sich in den letzten beiden Sitzungstagen vor der Sommerpause mit nicht weniger als 50 Gesetzesbeschlüssen befassen. Dennoch ließen sie es sich nicht nehmen, zu Beginn des Sitzungsmarathons über eine Stunde lang zu einer “Herzensangelegenheit” zu sprechen. Auf Initiative der ÖVP-Fraktion wurde am heutigen Mittwoch eine Aktuelle Stunde zum 25-Jahr-Jubiläum der Streitbeilegung zwischen Österreich und Italien abgehalten.
Neben lobenden, aber auch mahnenden Worten flogen Südtirol dabei die sprichwörtlichen Herzen zu. Und das parteiübergreifend.

Was wir alles sind...

Alle 14 Nationalratsabgeordneten, die sich in der Sache zu Wort meldeten, ließen keine Zweifel offen: “Herzensangelegenheit”, “Herzensanliegen”, “Herzenssache” – all das ist Südtirol, seine Autonomie und deren Schutz für die österreichische Politik. Aber auch ein “Vorzeigemodell”, “Vorzeigebeispiel” und “Role Model” für die friedliche Lösung aktueller Konflikte um Minderheitenfragen. Weitere Eigenschaften, die die Parlamentarier Südtirol zuschreiben: starkes Wirtschafsland mit sehr gutem Schulsystem und funktionierendem öffentlichen Verkehr, beliebtes Urlaubsziel mit hervorragender Küche, reich an Natur- und Kulturlandschaft sowie Traditionen.

Dass sich das kleine Land inmitten der Alpen nach einer bewegten Geschichte, mit vielen dunklen Seiten und spannungsgeladenen Abschnitten, zu einer Wohlstandsregion entwickeln konnte, sei neben großen österreichischen Politikern – immer wieder brandete Applaus für den jüngst verstorbenen Ex-Außenminister Alois Mock auf – und einem “kompromissbereiten Partner Italien” nicht zuletzt “starken und zukunftsorientierten Landeshauptmännern” zu verdanken, die “Garanten für die Weiterentwicklung der Autonomie” seien, so die Worte von Hermann Krist (SPÖ). Einer dieser Landeshauptmänner lauschte den Wortmeldungen der Abgeordneten aufmerksam von der Zuschauertribüne aus. Luis Durnwalder war, wie mehrere Landtagsabgeordnete (von Süd-Tiroler Freiheit, Freiheitlichen, Bürgerunion und SVP) und Elmar Thaler als Schützenbundvertreter, nach Wien gereist, um der Aktuellen Stunde beizuwohnen. Landeshauptmann Arno Kompatscher, den unter anderem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fälschlicherweise auf der Tribüne begrüßte, war in Bozen geblieben.

Und wohin es mit uns gehen soll...

Die gemeinsame Vergangenheit, das Ringen um eine Lösung in der Südtirolfrage, die Autonomie und die Schutzmachtfunktion Österreichs wurde von den Abgeordneten ebenso zum Thema gemacht wie die Europaregion, der Brenner (“darf nie wieder eine Grenze sein, sondern letztendlich nur ein Bergpass innerhalb Tirols”, Andreas Schieder, SPÖ) und die zukünftige Entwicklung der Autonomie.
Dabei haben die verschiedenen Parteien durchaus unterschiedliche Vorstellungen, in welche Richtung es mit Südtirol gehen soll. Für eine “dynamische Weiterentwicklung” für “so viel Autonomie wie möglich” und einen “Ausbau der Europaregion” plädiert der Südtirolsprecher der ÖVP, Hermann Gahr. Zum “Wachsam bleiben”, weil die “Autonomie ständig verteidigt werden muss”, rät SPÖ-Fraktionsvorsitzender Andreas Schieder. Von der “Tiroler Landeseinheit” träumt dagegen die FPÖ mit Strache und ihrem Südtirol-Sprecher Werner Neubauer. Dass “Unabhängigkeitsfantasien in die Sackgasse” führen, davon ist hingegen Karin Doppelbauer von den Neos überzeugt. Ihre größte Hoffnung: “Dass sich alle Tiroler, egal auf welcher Seite des Brenners, als Bürger einer Europäischen Republik sehen und wiederfinden.” Der Blick auf Europa – und auf das “europäisierte Südtirol” – ist auch den Grünen für die Zukunft wichtig. Georg Willi sieht allerdings noch “viel auf dem Weg zur Verständigung zwischen den Sprachgruppen zu tun” – ewiggestriges Denken sei dabei “Gift”, vielmehr brauche es “Toleranz und Offenheit füreinander”. Für Christoph Hagen vom Team Stronach bleibt die Doppelstaatsbürgerschaft ein Anliegen. Ebenso wie für die FPÖ, die sich wiederum gemeinsam mit der ÖVP für die Begnadigung der “noch im Exil lebenden Südtiroler Freiheitskämpfer” (Gahr) ausspricht.

“Südtirol zeigt, dass man alles zugleich haben kann: eine Heimat Tirol, ein Vaterland Österreich, die Staatsbürgerschaft Italiens und eine europäische Identität.”
(Andreas Schieder, SPÖ)

Wenn auch aus den unterschiedlichsten Beweggründen und Interessen – ein Versprechen geben alle 14 Parlamentarier den Südtirolern: Ihr werdet auch in Zukunft auf Österreich zählen können, wir werden euch nicht vergessen. “Österreich war, ist und wird immer an der Seite Südtirols bleiben”, sagte Sebastian Kurz in Richtung Luis Durnwalder, “Südtirol kann sich auf uns verlassen”, Hermann Gahr. “Südtirol ist eine Verantwortung”, verkündete Heinz-Christian Strache, dem Werner Neubauer hinzufügte: “Es lebe Südtirol, es lebe ein Tirol, von Kufstein bis Salurn.” “Im Falle des Falles werden wir Südtirol zur Seite stehen”, versprach Hermann Krist. Matthias Strolz von den Neos meinte, ebenfalls an Durnwalder gewandt: “Ihr tut’s uns gut!” Und der fraktionslose Rupert Doppler (Ex-FPÖ): “So manches Land kann sich eine Scheibe von Südtirol abschneiden.” Wohltuende Worte aus Wien.