Politik | SVP-Arbeitnehmer
„Ein unverbindliches Wischiwaschi“
Foto: salto
Salto.bz: Herr Gufler, es ist immer dasselbe Spiel. Ein Jahr vor den Landtagswahlen wird in der SVP pünktlich eine politische Leiche wiederbelebt: Die SVP-Arbeitnehmer?
Christoph Gufler: Ja, so kann man es sehen.
Wie sehen Sie es als ehemaliger Vorsitzender der SVP-Arbeitnehmer?
Die Arbeitnehmer haben in der Südtiroler Politik immer schon einen schwierigen Stand gehabt. Das hat auch mit der Geschichte dieses Landes zu tun. Nach dem Inkrafttreten des zweiten Autonomiestatutes haben sich aber in den 1970er Jahren einige Gestaltungsmöglichkeiten geboten. In dieser Phase habe profilierte und sehr aktive Vertreter der Arbeitnehmer wesentlich am Auf- und Ausbau der Südtiroler Autonomie mitgearbeitet. Es wurden große Erfolge erzielt und die Vertreter haben auch eine entsprechende Sichtbarkeit gehabt.
Sie reden von einer glorreichen Vergangenheit, die 30 Jahre zurückliegt.
Sicher. Dann kam in ganz Europa diese Phase des Neoliberalismus, die natürlich auch in Südtirol ihren Niederschlag gefunden hat. In diesem Sog haben die SVP-Arbeitnehmer die Möglichkeiten ihre politischen Positionen innerhalb der Partei durchzusetzen zunehmend verloren. Es ist zwar gelungen, die Mandatsvertretung einigermaßen zu sichern. Der Spielraum war aber nicht mehr wie vorher.
Das Bewusstsein sich politisch klar zu positionieren und damit auch Farbe zu bekennen, das hat sicher abgenommen.
Der historische Sinn der SVP-Arbeitnehmer war es, das Aufkommen einer Sozialdemokratischen Partei in Südtirol zu verhindern. Was immerhin bis heute gelungen ist.
Jein. Denn es hat zweitweise eine Sozialistische Partei gegeben. Ich war erst kürzlich in Göflan am Grab von Hans Dietl. Und es hat mich beeindruckt, dass auf seinem Grabstein „Gründer der Sozialdemokratischen Partei Südtirols“ steht. Wenn man bedenkt, Dietl war Bauernbundobmann und SVP-Parlamentarier. Sicher kann man es aber so sehen, wie sie sagen. Wenn es die Arbeitnehmer nicht gegeben hätte, dann hätten sich die sozialen Probleme zugespitzt und es hätte vielleicht ein anderes parteipolitisches Spektrum in Südtirol gegeben. Aber das sind Spekulationen.
Gut kommen wir zur harten Realität: Gibt es die SVP-Arbeitnehmer überhaupt noch?
Wir befinden uns in einer Zeit in der alle politischen Profile unschärfer geworden sind. Es gibt nicht mehr den klassischen Arbeiter und auch die Arbeitnehmer-Identität hat deutlich abgenommen. Das Bewusstsein sich politisch klar zu positionieren und damit auch Farbe zu bekennen, das hat sicher abgenommen. Heute ist das so ein unverbindliches Wischiwaschi. Alle sind plötzlich sozial in ihren Wahlankündigungen.
Die Arbeitnehmervertreter in der SVP erinnern sich meisten nur bei den Wahlen an ihre politische Herkunft. Im Landtag sind sie dann 5 Jahre lang ein dienender Teil der Mehrheit.
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von politischen Mandatsträgern. Solche, deren einziges Ziel es ist ein Mandat zu erringen und damit ist für sie die Sache gelaufen. Oder solche, die ein Mandat anstreben, um danach etwas zu tun. Diese Einteilung gilt für mich auf allen Ebenen der Politik. Auch bei den Arbeitnehmern. Umso wichtiger wäre es, dass wir Leute hätten, die nicht nur ein Mandat bekleiden, sondern die aus dem Mandat auch was machen. Das heißt aber: Anecken und nicht nur ein feiner Mensch sein.
Sind die Arbeitnehmer politisch nicht ein Auslaufmodell?
Nein, ganz im Gegenteil. Mir scheint nicht, dass es in Südtirol in der nächsten Zeit eine andere, politische Kraft geben wird, die diese Anliegen so vertreten kann. Die SVP als Sammelpartei hat aber noch großen Nachholbedarf. Dabei wäre es in ihrem ureigensten Interesse diese große Wählerschicht, die zurzeit extrem verunsichert ist, an sich zu binden. Das ist ein großes Potential, um das natürlich auch andere Parteien buhlen, indem sie diese Themen auch aufgreifen. Es geht nicht nur mehr um die Heimat oder gegen die Ausländern, sondern plötzlich spielen die Oppositionsparteien auch das Thema „Soziale Gerechtigkeit“. Hier muss die SVP aufpassen, dass ihr nicht die Wähler davonrennen.
Sie waren Vorsitzender der SVP-Arbeitnehmer. Was ist falsch gelaufen?
Ich wurde 2009 zum Vorsitzenden gewählt. Damals waren die Arbeitnehmer an einem Tiefpunkt. Wir hatten bei den Landtagswahlen ein äußerst schlechtes Ergebnis eingefahren und der Vorsitzende hat seinen Rücktritt eingereicht. Man hat mich dann gebeten, dieses Amt zu übernehmen. Ich habe mich nicht beworben, denn ich war als Bürgermeister von Lana voll ausgelastet. Als Vorsitzender habe ich mich dann bemüht, den Laden wieder flott zu machen. Ich habe dann fünf Jahre lang wirklich hart dafür gearbeitet. Wie haben sieben neue Sozialausschüsse aufgebaut, neue Ortsausschüsse gegründet, wir haben Gebietstreffen veranstalten und wir hatten monatliche Treffen mit den Sozialpartnern. Es ist versucht worden, einiges auf den Weg zu bringen. So gab es etwa zu den wichtigsten politischen Themen ständige Arbeitsgruppen. Wir haben große Aufbauarbeit geleistet.
Umso wichtiger wäre es, dass wir Leute hätten, die nicht nur ein Mandat bekleiden, sondern die aus dem Mandat auch was machen. Das heißt aber: Anecken und nicht nur ein feiner Mensch sein.
Heute ist von all dem aber nichts mehr zu sehen?
Das weiß ich nicht. Ich verfolge die Tätigkeiten nicht mehr, weil das Ganze für mich ein abgeschlossenes Kapitel ist. Tatsache ist, dass die Situation jetzt vor den Landtagswahlen sicher schwierig ist.
Schwierig oder katastrophal?
Das ist eine Frage der Wortwahl. Ich hoffe nicht, dass es katastrophal endet. Das werden wir am Wahlausgang sehen. Bei den letzten Landtagswahlen ist es den Arbeitnehmern gelungen ein Mandat dazu zu gewinnen, obwohl die SVP im Landtag einen Sitz verloren hat. Ob das diesmal auch der Fall ist, bezweifle ich stark.
Es fehlen die kantigen Führungspersönlichkeiten?
Führungspersönlichkeiten zu finden, die kantig sind und gleichzeitig von der Bevölkerung wahrgenommen werden, ist nicht so einfach. Solche Figuren kristallisieren sich aber nur dann heraus, wenn man täglich arbeitet und sich nicht erst ein Jahr vor den Landtagswahlen wieder darauf besinnt. Wenn man sich nicht getraut auch unbequeme Themen anzusprechen, dann wir man nicht weit kommen. Ohne etwas nachhaltig zu fordern, wird man auch keine großen Zugeständnisse bekommen.
Wenn man sich nicht getraut auch unbequeme Themen anzusprechen, dann wir man nicht weit kommen.
Christoph Gufler steht dafür nicht mehr zur Verfügung?
Nein. Dieses Kapitel ist für mich abgeschlossen. Natürlich sorge auch ich mich immer wieder. Und ich rege mich auf, wie gewisse Dinge laufen oder nicht laufen. Aber meine aktive Zeit ist vorbei. Er werde ganz sicher nicht mehr ein Amt bekleiden.
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