Gesellschaft | Medien
„Ein erstaunlicher Kulturverfall“
Foto: ORF
Salto.bz: Herr Gallmetzer, Vizekanzler Heinz Christian Strache greift auf Facebook den ZIB -2-Moderator und ORF-Anchorman Armin Wolf frontal an. Der FPÖ-Politiker bezichtigt den bekanntesten österreichischen Journalisten und den ORF offen der Lüge. Ist das noch tragbar?
Lorenz Gallmetzer: Nein. Zu allererst ist das ein erstaunlicher Kulturverfall. Wir sind in Österreich von der Boulevardpresse und von etlichen Politikern einiges gewohnt. Dass man aber als Vizekanzler hergeht und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen Starmoderator Armin Wolf persönlich attackiert - mit Methoden, die eher zur bierstubenfeuchten Burschenschafterbude gehören - ist eines Regierungsmitgliedes nicht würdig.
Zeigt Strache hier sein wahres Gesicht?
HC Strache hat in letzter Zeit versucht, sich sehr staatsmännisch zu geben. Sowohl im Wahlkampf als auch bei der Regierungsbildung. Aber offensichtlich ist es bei den Rechten so, dass sie irgendwann nicht mehr anders können. Es braucht nur einen Anlass. Die Karikatur, die Wortwahl und die Pinocchio-Nase greifen genau den Hauptkampfbegriff auf, der in der letzten Zeit im deutschsprachigen Raum von Pegida und AfD verwendet wurde: Lügenpresse. Es wird gesagt, dass Armin Wolf und der ORF lügen...
Das ist nationalsozialistische Rhetorik?
Das ist eine historisch schwer belastete Rhetorik, die aber einem generellen Phänomen entspricht, das seinen Höhepunkt in Donald Trump gefunden hat. Trump bezichtigt tägliche alle Medien außer Fox-News, Propaganda zu machen und Fake-News zu verbreiten. Also erfundene, gefälschte und erlogene Nachrichten zu verbreiten. Ich halte das für eine sehr bedenkliche und gefährliche Entwicklung in der politischen Auseinandersetzung. Hier werden Medien, die in einer Demokratie eine wichtige und zentrale Kontroll- und Informationsfunktion haben, immer dann, wenn sie etwas Unangenehmes aufdecken, einfach der Lüge bezichtigt.
Dass das ein Vizekanzler in Österreich tut, hat aber eine neue Qualität.
Der ORF als wichtigste Säule des Journalismus und der Information in Österreich hat immer mit der Einflussnahme der politischen Parteien und der Regierenden zu kämpfen gehabt. Ich war ja einer der Mitorganisatoren der Initiative „SOS ORF“, die innerhalb kürzester Zeit 80.000 Unterschriften gegen die politische Vereinnahmung des ORF durch die ÖVP sammeln konnte. In so plumper Form wie einer Attacke auf Facebook hat es das aber noch nie geben.
Diese unqualifizierte Attacke auf Armin Wolf ist vor diesem Hintergrund ein unfreiwilliger Ausrutscher, eine Art Rülpser, der dem Strache herausgerutscht ist. Wie ein Furz, den man nicht kontrollieren kann.
Strache verteidigt sich jetzt damit, dass es Satire sei?
Er rechtfertigt sich jetzt so. Er habe schon vorher „Achtung Satire“ über das Bild geschrieben. Das ist doch absurd. Eine echte Satire braucht doch keinen Hinweis. Wie gesagt, das ist ein enormer Verfall der politischen Kultur und des Anstandes im Umgang mit öffentlich-rechtlichen Medien, den es in dieser Form in Österreich noch nie gegeben hat.
Schießt die FPÖ bewusst auf Armin Wolf?
Ja. Es ist ein ganz schwerer persönlicher Angriff auf ihn. Armin Wolf ist der Star der Information im ORF, mit Journalistenpreisen in In- und Ausland überhäuft, und er ist bei allen politischen Parteien gleichermaßen beliebt wie unbeliebt. Das liegt daran, dass er in den vergangenen 30 Jahren gezeigt hat, dass er bei all seinen Gästen akribisch recherchiert und hartnäckigst nachfragt. Ganz gleich, wer vor ihm sitzt. Er wird jeden kritisch hinterfragen. Aber immer mit Fakten und respektvoll. Deshalb ist diese persönliche Attacke nichts als ein Versuch, ihn einzuschüchtern und abzuschießen.
Armin Wolf hat eine Strafanzeige gegen Hans Christian Strache eingereicht. Die richtige Reaktion?
Ich finde das absolut richtig. Er wird beste Chancen haben, gerichtlich eine Entschuldigung von Strache zu erzwingen. Armin Wolf musste persönlich reagieren. Seit längerem hat man nicht nur vonseiten der FPÖ, sondern auch von Teilen der ÖVP versucht, ihn für seinen harten Interviewstil zu brandmarken. Indem man gesagt hat, seine Interviews seien Verhöre und er sei nicht respektvoll genug. Tatsache ist, dass der ORF allein aus Eigeninteresse vom Generaldirektor abwärts hinter ihm stehen muss. Der Redakteursrat und der Betriebsrat haben ja sofort reagiert. Auch die öffentliche Meinung und die demokratische Presse stehen weitgehend hinter Wolf. Er wird meiner Meinung nach auch jedes Verfahren gewinnen.
Hier werden Medien, die in einer Demokratie eine wichtige und zentrale Kontroll- und Informationsrolle haben, immer dann, wenn sie etwas Unangenehmes aufdecken, einfach der Lüge bezichtigt.
Anlass der Polemik war ein Bericht des Landesstudios Tirol zur FPÖ?
Dort ist ein Fehler passiert, der im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht passieren darf. Das war eine Eigentor für den ORF. Der Chefredakteur und die Redakteurin haben sich aber entschuldigt und das ganze am nächsten Tag richtiggestellt. Hier wollte sicher niemand der FPÖ mit Absicht schaden. Das aber zum Anlass zu nehmen, um den ORF sturmreif zu schießen, halte ich für mehr als nur zynisch.
Ist das der Start eines politischen Großangriffs auf den ORF von rechts?
Seit Jahren versucht die ÖVP, den ORF zu zerschlagen, indem man Teile des ORF privatisiert. Jetzt hat die FPÖ die Forderung gestellt, dass der sehr erfolgreiche Jugendsender FM4 privatisiert werden soll. Es gibt hier ganz klar politische Destabilisierungsversuche. Man will den ORF schwächen. Zudem liegt ein Papier auf dem Tisch, mit dem man die ORF-Führungsstruktur ändern will. Der Generaldirektor soll durch ein Dreierkollegium ersetzt werden. Parallel dazu wird die Forderung der Abschaffung der Zwangsgebühren erhoben. Das wäre der Tod des ORF. Weil die Werbezeiten gesetzlich beschränkt sind, kann der ORF allein von Werbung nicht leben. Es gibt also den Versuch, den ORF zu schwächen und ihn politisch in den Griff zu bekommen. Diese unqualifizierte Attacke auf Armin Wolf ist vor diesem Hintergrund ein unfreiwilliger Ausrutscher, eine Art Rülpser, der dem Strache herausgerutscht ist. Wie ein Furz, den man nicht kontrollieren kann.
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Es gibt zahlreiche Beweise
Es gibt zahlreiche Beweise für Nachrichtenfälschungen des ORF. Es ist sogar ein Buch erschienen (Mit dem Untertitel: "Wir zeigen ihnen das, was der ORF ihnen nicht gezeigt hat"). Da wird mit Beweisfotos dokumentiert, mit welchen Methoden der ORF Nachrichten fälscht. Es muss ja nicht gleich gelogen werden. Man lässt einfach weg, was nicht ins Konzept passt. Andere Medien arbeiten mit ähnlichen Methoden, aber beim ORF ist es besonders auffällig.
Antwort auf Es gibt zahlreiche Beweise von Hartmuth Staffler
Darf ich Sie bezüglich des
Darf ich Sie bezüglich des von Ihnen erwähnten Buches um nähere Angaben bzw. eine Bezugsmöglichkeit bitten, google findet zu dem von Ihnen genannten Untertitel keinen Treffer.
Antwort auf Es gibt zahlreiche Beweise von Hartmuth Staffler
@Staffler: Sie haben entweder
@Staffler: Sie haben entweder das Interview nicht gelesen, oder dessen Inhalt nicht verstanden. Es geht nicht darum, ob man die Berichterstattung des ORF kritisieren kann, sondern um das Wie. Wenn ein Strache hergeht und ein Bild von Wolf mit Pinocchio postet, mag das für Sie in Ordnung gehen, ist aber eines Vizekanzlers unwürdig.
Hätten unsere Nachbarn einen unlustigen Satiriker als Vizekanzler gewollt, hätten sie wohl Düringer gewählt.
@Eppstadler, Herr Staffler tut sich schwer das zu belegen, was er behauptet. Er schuldet mir immer noch den "Beweis" der ihm angeblich vorliegt, wie italienische Diplomaten ihre österreichischen Kollegen mündlich und unter 4 Augen bedroht hätten.