Wechsel wider Willen?
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Viele ließ sie überrascht, fassungslos, manch einen erzürnt zurück. Seit vergangenem Wochenende stehen die Jugendlichen im Schlerngebiet vor verschlossenen Türen: Die Jugendräume haben dicht gemacht.
Wer versucht, die Hintergründe in Erfahrung zu bringen, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Vorerst.
Es ist eine Geschichte, in der es um eine Grundsatzfrage geht, über Vertrauen in junge Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren.
In der Klemme
Mit nur einem Satz informieren die Jugendarbeiter am Samstag (28. April) die Öffentlichkeit: “Leider müssen ALLE Jugendtreffs bis auf Weiteres geschlossen bleiben, da wir nicht mehr über die Räumlichkeiten verfügen.”
Die Nachricht wird auf Facebook gepostet und auf den Anschlagtafeln der Jugendräume angebracht. “Wir werden uns etwas einfallen lassen!”, versprechen die Jugendarbeiter ihren Schützlingen.
Vier Jugendtreffs gibt es am Hochplateau: den Allesclub in Kastelruth, die WG in Seis am Schlern, die Insel in Völs am Schlern und das Helium in Völser Aicha. Geführt werden alle vier Einrichtungen vom Jugend- und Kulturverein Allesclub. Dieser gehört dem Dachverband für Offene Jugendarbeit in Südtirol n.e.t.z. an. Wie über 45 weitere Vereine auch.
“Der zentrale Gedanke der Offenen Jugendarbeit ist für alle offen zu sein, egal welcher Werthaltung, politischen Strömung oder Religion man angehört. Grundlegend sind dabei Werte wie Respekt und Toleranz.” Nach diesem Grundsatz läuft auch die Jugendarbeit im Schlerngebiet ab. Seit Anfang der 2000er Jahre. Finanziert wird sie je zur Hälfte vom Land Südtirol und den Gemeinden Kastelruth und Völs. Mit den öffentlichen Geldern werden unter anderem die drei Jugendarbeiter bezahlt, die derzeit hauptamtlich in den vier Jugendtreffs beschäftigt sind.
Dem Trägerverein Allesclub selbst steht ein neunköpfiger ehrenamtlicher Vorstand vor. Die Ausschussmitglieder stammen aus den beiden Gemeinden Kastelruth und Völs. Über die Hintergründe, warum die vier Jugendräume scheinbar von heute auf morgen geschlossen wurden, will man beim Verein auf Nachfrage von salto.bz nicht sprechen. Man bittet um Verständnis.
In den sozialen Netzwerken wird indes hartnäckig nachgehakt. Viel mehr als folgende Erklärung dringt jedoch nicht nach außen: “Der Vertrag, der die Räume an den Allesclub übertragen hat, ist nun abgelaufen. Wir werden weiterhin versuchen in Verhandlung zu treten, um die offene Jugendarbeit wie gehabt fortführen zu können.”
In neue Hände?
Tatsache ist, dass Ende April die neunjährige Konvention zwischen Gemeinden und dem Verein Allesclub zur Führung der Jugendräume ausgelaufen ist. Und bislang nicht verlängert wurde. “Dass die Räumlichkeiten nun geschlossen wurden, ist einzig dem Umstand geschuldet, dass nicht klar ist, welche rechtliche Verantwortung der Jugendverein hat, wenn er die Räume trotz ausgelaufener Konvention offen hält”, erklärt Klaus Nothdurfter. Aber auch der Amtsdirektor des Amtes für Jugendarbeit will nichts Näheres über die Situation am Schlerngebiet verraten. Dabei ist er bestens im Bilde. Genauso Karin Husnelder, Geschäftsführerin des n.e.t.z. Wie Nothdurfter verweist auch sie auf ein Treffen am heutigen Mittwoch Abend. “Vorher sagen wir nichts”, heißt es von Nothdurfter, Husnelder und dem Verein Allesclub unisono.
Am Hochplateau selbst ist es kein Geheimnis mehr: Der Gemeindeausschuss von Kastelruth will die Führung der Jugendräume an den Jugenddienst Bozen Land übergeben. Das würde das Ende der Offenen Jugendarbeit durch den Jugendverein Allesclub bedeuten.
Vor allem die Jugendreferentin und der Bürgermeister sprechen sich für den Führungswechsel aus. Das brachten sie auch auf einer Fraktionssitzung der lokalen SVP im April zum Ausdruck. “Kritikpunkte des Bürgermeisters und der Jugendreferentin waren unter anderem die fehlende Kommunikation mit der Mittelschule und der Gemeindeverwaltung sowie nicht gut eingeteilte Öffnungszeiten”, heißt es in einer Parteimitteilung in der aktuellen Ausgabe der Kastelruther Gemeindezeitung.
In die Verlängerung?
Auf den ersten Blick keine Probleme, die nicht überwindbar scheinen. Zumal der Verein Allesclub seit vielen Jahren erfolgreich Jugendarbeit aufgebaut hat und betreibt – ehrenamtlich, wie man auch in der SVP anerkennt. Dort sind längst nicht alle der 16 Gemeinderäte der Meinung des Gemeindeausschusses.
Und auch im Netz hat sich inzwischen Widerstand formiert. Es sind nicht nur die Jungen, die gegen die Absicht aufbegehren, die Jugendarbeit in andere Hände zu übergeben. Sondern vor allem Eltern – mit einer virtuellen Protestaktion: “Wir, Verantwortliche und Erwachsene des Hochplateaus machen uns stark für die Kids und fordern die Verantwortlichen der Gemeinde auf, zu handeln und die Konzession zu verlängern!!!”
Weder Bürgermeister noch Jugendreferentin der Gemeinde Kastelruth hat salto.bz am Montag erreicht. In der Nachbargemeinde Völs ist die Jugendreferentin vor wenigen Wochen zurückgetreten. Ihr Nachfolger, Gregor Kompatscher (SVP), bremst: “Noch ist nicht definitiv entschieden, ob die Konvention mit dem Verein verlängert oder die Führung der Jugendtreffs an den Jugenddienst übergeben wird.”
In einem Gespräch zwischen Gemeinden und Verein soll heute Abend eine Lösung gefunden werden. Die ist allein schon im Sinne der Jugendlichen im Schlerngebiet, die inzwischen vor verschlossenen Türen stehen, dringend notwendig. Als Vermittler treten die Vertreter der Offenen Jugendarbeit, das Amt für Jugendarbeit und Landesrat Philipp Achammer höchstpersönlich auf.
Dabei wird sich offenbaren, ob den jungen Menschen, die sich seit Langem ehrenamtlich für eine funktionierende, eigenständige Jugendarbeit im Schlerngebiet einsetzen, erneut das Vertrauen ausgesprochen wird.