Politik | Bayern-Wahl
Grünes Oktoberfest
Foto: upi
Die Bilder sagen mehr als tausend Worte.
Als an diesem Sonntagnachmittag kurz nach 18 Uhr die erste Hochrechnung über den Bildschirm flimmert, hält die Kamera zeitgleich die Reaktionen in den Münchner Wahlkampfzentralen fest.
Der Blick in die Gesichter der Wahlkampfhelfer und Politiker bei der CSU und SPD zeigt Entsetzen, Verzweiflung und Panik. Bei den Grünen liegt man sich in der Armen. Die „Freien Wähler“ atmen auf. Die AfD zeigt wie immer verbal die Muskeln und bei der FDP weiß man nicht so recht ob man lachen oder weinen soll. Am Ende wird es für die Liberalen ein Happy End geben.
Der indiskrete Kamerablick auf die Emotionen der Parteianhänger ist das klarste Abbild der Bayern-Wahl 2018.
Die Berliner Regierungsparteien CSU und SPD rutschen in eine bis dahin noch nie dagewesene Pleite. Die Grünen fahren das beste Wahlergebnis ein, das sie jemals in Bayern hatten und werden zur zweiten politischen Kraft im Freistaat. Die AfD gewinnt am meisten Prozentpunkte und schafft aus dem Stand den Sprung in den Landtag. Die FDP kehrt ins bayrische Parlament zurück und die „Freien Wähler“ werden über Nacht zur Regierungspartei.
Das Ergebnis
Am Montag um 5 Uhr früh ist das vorläufige amtliche Endergebnis da. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,4 Prozent und war damit deutlich höher als 5 Jahre zuvor (63,6 Prozent).
Die CSU schafft mit einem Minus von 10,5 Prozentpunkten nur noch 37,2 Prozent - ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950. Die SPD halbierte mit Verlusten von 10,9 Punkten ihr Ergebnis von 2013 und landete bei 9,7 Prozent. Das ist das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten bei einer Landtagswahl.
Zweitstärkste Kraft wurden die Grünen mit 17,5 Prozent - mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu 2013. Es folgten die Freien Wähler mit 11,6 Prozent (plus 2,6 Prozentpunkte), dahinter die AfD mit 10,2 Prozent. Die FDP schaffte den Einzug ins Maximilianeum nach einer langen Zitterpartie am frühen Morgen mit 5,1 Prozent (plus 1,8). Die Linke scheiterte mit 3,2 Prozent (plus 1,1).
Die Sitzverteilung im neuen bayrischen Landtag sieht damit so aus: CSU 85 Sitze, SPD 22 Sitze, Grüne 38 Sitze, Freie Wähler 27 Sitze, AfD 22 Sitze und FDP 11 Sitze.
Die Großen
Man merkte es bereits am Sonntagabend: Die CSU tut sich schwer mit ihrer neuen Rolle in der bayrischen Politik. Ähnlich wie die SVP hat die Söder-Seehofer-Partei seit Kriegsende die absolute Mehrheit gehalten. Damit ist es jetzt aber vorbei. Mit 37,2 Prozent wird man diesmal einen Koalitionspartner brauchen.
Noch am Wahlabend beginnen die Schuldzuweisungen. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder und Horst Seehofer stehen im Fokus der Kritik. Der Wahlkampf mit dem einzigen Thema „Asylpolitik“ und der strategische Ruck nach Rechts um der AfD das Wasser abzugraben, erwiesen sich als Bumerang.
Noch deutlicher sitzt die Watschen bei den Sozialdemokraten. „Die SPD gibt es in Bayern nicht mehr“, ist der drastische Kommentar der politischen Beobachter rund um München. Die Sozialdemokraten in Bayern stürzen ins Bodenlose und die politische Karriere der Spitzenkandidatin Natascha Kohnen dürfte vorbei sein.
Die Kleinen
Es sind die vermeintlich kleinen Parteien, die als Sieger dieser Wahlen hervorgehen. Die Grünen feiern bis spät in der Nacht in der Muffathalle ihre Wahlparty. Es wird ein verspätetes grünes Oktoberfest. Die Ökopartei hat nicht nur zum ersten Mal in Bayern ein zweistelliges Ergebnis geschafft, sondern sie ist auch zur zweitstärksten Kraft in Bayern aufgestiegen.
Die AfD hatte ihr Wahlziel von 15 Prozent zwar deutlich verfehlt, doch aus dem Stand ein zweistelliges Ergebnis zu schaffen, zeigt wie viel Platz rechts von der CSU in Bayern noch ist. Vor der AfD haben sich noch die „Freien Wähler“ positioniert. Die Bewegung, die vor 10 Jahren aus der CSU hervorgegangen ist und vor allem bei Gemeindewahlen inzwischen zu einer politischen Fixgröße geworden ist, dürfte damit endgültig zur bayrischen Regierungspartei aufgestiegen sein.
Die AfD hatte ihr Wahlziel von 15 Prozent zwar deutlich verfehlt, doch aus dem Stand ein zweistelliges Ergebnis zu schaffen, zeigt wie viel Platz rechts von der CSU in Bayern noch ist. Vor der AfD haben sich noch die „Freien Wähler“ positioniert. Die Bewegung, die vor 10 Jahren aus der CSU hervorgegangen ist und vor allem bei Gemeindewahlen inzwischen zu einer politischen Fixgröße geworden ist, dürfte damit endgültig zur bayrischen Regierungspartei aufgestiegen sein.
Die FPD musste bis 5 Uhr früh zittern, ob sie den Wiedereinzug in den Landtag schafft oder nicht. Ihr Ergebnis lag genau an der 5-Prozent-Marke. Am Ende klappte es mit 5,1 Prozent.
Die bürgerliche Koalition
„Wir werden mit allen demokratischen Kräften – mit Ausnahme der AfD – Gespräche führen“, gab Horst Seehofer bereits am Sonntagabend die Richtung vor. Dabei ist längst klar, was im Freistaat in den nächsten Wochen passieren wird. „Wir bevorzugen eine bürgerliche Koalition“, sagt Markus Söder. Der bayrische Ministerpräsident benutzte unmittelbar nach Urnenschluss die CSU-kritischen Aussagen von Grünen-Chef Robert Haveck um dem eigentlichen Wahlsieger die Tür zuzuschlagen.
Dabei gibt es rein mathematisch nur drei Möglichkeiten für eine Koalition im bayrischen Landtag. Der Landtag wird voraussichtlich aus 205 Mandataren bestehen. Demnach braucht es 103 Sitze für eine Mehrheit.
Eine schwarz-grüne Koalition käme dabei auf 123 Sitze. Eine Koalition aus CSU und „Freie Wähler“ bringt es auf 112 Mandate. Rein rechnerisch wäre auch ein Regierungsbündnis zwischen CSU und SPD möglich. Man käme dabei gemeinsam auf 107 Sitzen.
Eine schwarz-grüne Koalition käme dabei auf 123 Sitze. Eine Koalition aus CSU und „Freie Wähler“ bringt es auf 112 Mandate. Rein rechnerisch wäre auch ein Regierungsbündnis zwischen CSU und SPD möglich. Man käme dabei gemeinsam auf 107 Sitzen.
Schon am Wahlabend wird aber klar, dass der Wunschspartner vom Söder, Seehofer & Co die „Freien Wähler“ sind. Demnach dürften diese beiden Parteien in den nächsten Jahren in der bayrischen Regierungskanzlei sitzen.
Südtiroler Reaktionen
Dass die bayrische Landtagswahlen dazu genutzt werden, Stimmung auch im Südtiroler Landtagswahlkampf zu machen, war seit langem klar. Genauso sind dann auch die Reaktionen der Südtiroler Parteien. Vor allem die Oppositionsparteien sehen das Debakel der CSU als gutes Omen für die Wahlen am kommenden Sonntag.
„Der Absturz der CSU und der steile Aufstieg der Grünen zeigt einige Trends auf, die auch für Südtirol sehr interessant sein könnten“, freuen sich die Südtiroler Grünen. „Für uns ist das sensationelle Ergebnis der bayrischen KollegInnen Freude und Ansporn zugleicht. Optimistische und humanitäre grüne Politik führt ganz offensichtlich zum Erfolg. Es braucht in Zeiten wie diesen nicht Ausflüchte und Herumlavieren in den schwierigen Fragen der Zeit, sondern klare Kante, Profil und Wertebewusstsein“, so Brigitte Foppa, Tobe Planer, Riccardo Dello Sbarba, Hanspeter Staffler, Laura Polonioli, Chiara Rabini, Markus Frei, Corinna Lorenzi und Stefan Perini in einer Aussendung.
Auch für den Freiheitlichen Generalsekretär Florian von Ach ist das „Ende der CSU-Alleinregierung Vorbild für Südtirol“. In der blauen Aussendung wird auch klar für wenn das Herz der Südtiroler Freiheitlichen schlägt: „Zum Anderen ist es sehr erfreulich, dass Parteien wie die Freien Wähler und die AfD gestärkt wurden, die in der Einwanderungsfrage ähnliche Positionen wie wir Freiheitliche vertreten. Beides kann Vorbildfunktion für Südtirol entfalten“.
Auch Sven Knoll von der Südtiroler Freiheit wertet den „Ausgang der Landtagswahlen in Bayern als wichtiges Signal an die Wähler, dass schlechte Politik abgewählt werden kann, nicht nur in Bayern, sondern auch in Süd-Tirol.“ In selbe Horn bläst auch der Parteiobmann- Stellvertreter der BürgerUnion Dietmar Zwerger: „Die Zeit der absoluten Mehrheit ist vorbei“.
Auffallend ist, dass sich eine Partei bisher nicht zur Wort gemeldet hat: Die SVP.
Bitte anmelden um zu kommentieren
Das stimmt. Doch es gibt
Das stimmt. Doch es gibt auch einen anderen Faktor, der auch erklärt, warum nicht mehr Wähler von der CSU zur AfD abgewandert sind, sondern zu den Grünen. Die CSU hatte immer eine liberale Ader. Die Wähler die sie deswegen gewählt haben, fühlten sich vor dem Kopf gestoßen als Söder mit seiner Kreuz-Aktion glaubte Feld gegenüber der AfD gut zu machen. Diese Wähler erkennen, aer auch dass die AfD im besten Fall nur noch teilweise liberale Züge vorweißt, die Grünen aber sich langsam als liberale Bürgerpartei mit ein bisschen Grünzeug als Garnierung drumherum positionieren. So konnten die Grünen auch als "Altpartei" ihre Stimmen geradezu verdoppeln.