Umwelt | Welschnofen

Gläserner Dorn im Auge

Ein 18 Meter hoher Glasturm, der am Fuße des Rosengarten entstehen soll, erhitzt die Gemüter. Eine breite Front läuft Sturm gegen “Laurins Kristall”.
Laurins Kristall
Foto: Werner Tscholl

Der Termin steht. Am Montag um 19.30 Uhr findet in Welschnofen die nächste Gemeinderatssitzung statt. Ausdrücklich lädt die Gemeinde die Bürger dieses Mal dazu ein. Denn im Rahmen der Sitzung wird ein Projekt vorgestellt, das schon im Vorfeld die Wogen hochgehen lässt: die neue Bergstation König Laurin. Was sich harmlos anhört, sorgt bereits für Zurufe von außen. Denn das Projekt sieht einen 18 Meter hohen Glasturm vor – direkt am Fuße des Rosengartens.

 

Ein Architekt entwirft weg

Er hat bereits Schloss Sigmundskron umgestylt, das markante Passmuseum am Timmelsjoch entworfen. In Mailand hat er ein Bürohaus für Mondadori gezeichnet, in Tramin das erweiterte Gebäude der dortigen Kellerei in die Landschaft gesetzt. Nun will Werner Tscholl seine Spuren unterm Rosengarten hinterlassen. Am Montag wird der gebürtige Latscher Architekt im Gemeinderat von Welschnofen zu Gast sein, um die neu geplante Bergstation des König Laurin Liftes zu präsentieren.

 

Der bestehende Sessellift, der direkt zur Kölner Hütte am Fuße des Rosengartens führt, soll abgebrochen und durch eine 10er-Kabinenbahn samt neuer Mittelstation ersetzt werden. Auf gut 2.300 Metern Meereshöhe ist die neue Bergstation geplant. “Touch the Dolomites” heißt das Projekt von Werner Tscholl – “berühre die Dolomiten”. In diesem Sinne sollen Bergstation und der angrenzende Gastronomiebereich künftig unter die Erde verlegt und um ein Besucherzentrum werden, wie auch aus den Renderings hervorgeht, die Tscholl in Welschnofen vorstellen wird. “Frei nach dem Motto ‘weniger ist mehr’ werden beide Gebäude unterirdisch angelegt und naturnah gebaut. Dadurch wird die Kölner Hütte wieder architektonisch und landschaftlich aufgewertet”, erklärt der Architekt.

 

Des Königs Kristall

Doch ganz verlassen wird die 1899 erbaute Schutzhütte, die sich im Besitz des CAI Verona befindet, nicht stehenbleiben. Als einziger sichtbarer Teil der neuen Bergstation wird ein durchsichtiges Glashaus errichtet. Ein dreistöckiges, transparentes Gebäude mit 360-Grad-Panoramablick auf die Dolomiten – in der Form eines Kristalls. Stolze 18 Meter hoch, wird der Glasturm unübersehbar unterm Rosengarten thronen, getauft nach dem sagenumwobenen Zwergenkönig: “Laurins Kristall”.

 

Insgesamt werden für den Um- bzw. Neubau der Bergstation mit Investitionen von rund 20 Millionen Euro gerechnet.

“Ziel ist es nicht, mehr Besucher zum Rosengarten zu bringen”, schickt Florian Eisath, Liftbetreiber der Liftgesellschaft Latemar Karersee GmbH voraus, “sondern die Besucherqualität zu erhöhen und es jedem barrierefrei zu ermöglichen, den Felsen des Rosengartens zu berühren und zu erleben”.

Dass sie auf dieses Erlebnis gut und gerne verzichten können, das steht bereits heute für gar einige fest. Bereits vor der öffentlichen Präsentation im Welschnofner Rathaus ist eine Reihe an öffentlichen Stellungnahmen eingelangt.

 

Nur um Besucher anzulocken?

Als erste machen die Heimatpfleger mobil. Mitte der vergangenen Woche erscheint ein Post auf der Facebookseite des Heimatpflegeverbandes Südtirol. Darin wird das Projekt als “Größenwahn” abgestempelt.

Nun ziehen AVS, CAI und der Dachverband für Natur- und Umweltschutz nach. Der Tenor der Kritik ist derselbe: Die Dolomiten brauchen – und vertragen keinen Glasturm.
“Der Rosengarten wird durch den Glaskristall zur Kulisse degradiert und fördert die Distanz zur Natur anstatt das Verständnis für die Einzigartigkeit der Dolomiten zu fördern”, meldet AVS-Präsident Georg Simeoni große Bedenken an. Wie CAI-Präsident Claudio Sartori vermutet auch Simeoni – entgegen der Beteuerungen des Liftbetreibers –, dass “Laurins Kristall” vor allem dazu dienen soll, eine zusätzliche Attraktion für das Skigebiet Karersee/Carezza zu schaffen und dadurch die neue Kabinenbahn auszulasten.

 

“Wir sind überzeugt, dass durch den Glasturm noch mehr Leute in das schon jetzt stark besuchte Gebiet um Karersee und Karerpass gezogen werden und die Verkehrsbelastung für das Dorf Welschnofen weiter steigt”, schreiben Simeoni und Sartori in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Hinzu komme, dass der Kristall sehr exponiert und weitum sichtbar wäre. “Eine Reflexion der Glasfassaden und eine dadurch noch stärkere Wahrnehmung als künstliche Landmarke im Hochgebirge ist zu befürchten. Es besteht eine hohe Kollisionsgefahr an den Glasfassaden für Vogelarten, darunter geschützte Arten wie Alpenschneehuhn, Birkhuhn und Wanderfalken”, befürchten AVS und CAI.

 

Ein Titel und sein Erbe

Gegen die qualitative Aufwertung des Skigebiets durch eine neue, verbesserte Aufstiegsanlage habe man im Grunde nichts, heißt es von den beiden Alpenvereinen. Nicht einverstanden sei man aber mit der geplanten Bauausführung und Förderleistung. “Allein für die neue Bergstation müsste circa 6.700 Kubikmeter Gesteinsmaterial – das entspricht etwa dem Aushub von zehn Einfamilienhäusern – im sensiblen alpinen Gelände auf 2.300 Metern bewegt werden. Mit der neuen Kabinenbahn könnten in 13 Minuten Fahrtzeit circa 1.400 Personen pro Stunde mehr zur Kölner Hütte befördert werden – mehr als doppelt so viele wie bisher”, rechnet CAI-Präsident Sartori vor. Doch: “Gerade im Nahbereich zu den Schutzgebieten muss mit der alpinen Natur und Landschaft rücksichtsvoll umgegangen werden.” Denn nur wenige Meter hinter der Kölner Hütte und dem geplanten Glasturm liegt der Naturpark Schlern-Rosengarten, zugleich auch Natura-2000-Gebiet und Dolomiten Unesco Welterbe.

 

Zehn Jahre nach der Verleihung des Titels “Weltnaturerbe” ist “Laurins Kristall” für den Dachverband für Natur- und Umweltschutz allein der “letzte Ausdruck der Inszenierung der Dolomiten”, die seit 2009 unaufhaltsam voranschreite. “Dazu gehören neue Themenwege und Panoramaterrassen aus Beton ebenso wie der übertriebene Ausbau von Parkplätzen, Info-Points, Aufstiegsanlagen und all den weiteren Infrastrukturen, um noch schneller, noch effizienter noch mehr Personen in und durch das Weltnaturerbe-Gebiet zu schleusen”, heißt es vom Dachverband ernüchtert. Anlässlich zehn Jahre UNESCO-Welterbe Dolomiten warnen die Umweltschützer: “Der Weg zur Verleihung des Titels ist lang, dessen Aberkennung hingegen kann auch ganz schnell gehen.”

Im Falle der Neugestaltung der Bergstation König Laurin bringen AVS und CAI indes ganz konkrete Forderungen vor: “größtmögliche Zurückhaltung bei den technischen Eingriffen am Rosengarten” und prüfen, ob “eine alternative Ausführung des Besucherzentrums in Talnähe oder eine Integration in die Kölner Hütte” möglich wäre.

Spätestens Montag Abend wird feststehen, wie “Laurins Kristall” in der betroffenen Gemeinde ankommt – und ob der Widerstand von außen auch in Welschnofen Widerhall findet.

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Louis de Funès Fr., 22.02.2019 - 12:00

Einen 360-Grad Panoramablick auf die Dolomiten kann man auch ohne Glashaus haben. Man würde zum Blick auf die Berge auch noch Wind und Wetter spüren, also ein vollständiges Erlebnis unserer Bergwelt.

Fr., 22.02.2019 - 12:00 Permalink
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Michael Kerschbaumer Fr., 22.02.2019 - 15:09

“Ziel ist es nicht, mehr Besucher zum Rosengarten zu bringen, sondern die Besucherqualität zu erhöhen”, so der Liftbetreiber. Könnte jemand bitte so freundlich sein und mir das erklären, was der Herr mit "Besucherqualität" meint? Etwa dass "bessere" Besucher da rauffahren? die vielleicht wohlhabender sind? oder was meint er? Abgesehen davon, dass eine neue, schnellere und größere Liftanlage sowieso mehr Besucher raufbringen wird, tsss...

Fr., 22.02.2019 - 15:09 Permalink
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Lorenz Brugger Mi., 27.02.2019 - 11:32

Das ist immer die Krux mit Architektur-Konzepten, die einem derart starken Ort wie den Rosengarten was Neues schaffen wollen und dabei die Umgebung nicht beeinflussen wollen: Man kann das nicht anders bewerkstelligen, als massive Erdbewegungen in Kauf zu nehmen und das konterkariert die ursprüngliche Idee, nur minimal einzugreifen und dem Ort mit Demut und Respekt zu begegnen.

Man kann nun sagen, dass da oben eh schon alles verschandelt wurde... ja, das kann man so sehen und deswegen ist das Projekt auch irgendwie (leider nur irgendwie und mit ganz viel good will) nachvollziehbar und man argumentiert auch darüber, dass man versuchen will ein einheitliches Ensemble zu bilden. Das sehe ich noch nicht, zumal der Entwurf und diese Bilder nicht mal ansatzweise zeigen, was da wirklich entstehen soll ... ein paar Löcher in der Erde und ein "Glaskristall" ohne jegliche Aussagen über tragende Konstruktionen, die ja wesentlich zum endgültigen Erscheinungsbild beitragen werden, bilden etwas ab, was so nie gebaut wird. Ich finde, allein deswegen ist das ganze viel zu früh an die Öffentlichkeit gelangt und jetzt ist es halt auch ziemlich angreifbar. Da hätte man sich auch einfach hinstellen und behaupten können, man will im Zuge der neuen Seilbahn einen gläsernen Besucherturm mit Aussichtsplattform und alles andere unter die Erde legen. Hätte vielleicht niemanden interessiert erst mal.

Am Ende ist es schlicht viel zu früh, um tatsächlich darüber urteilen zu können, man kann da nur grundsätzlich dagegen oder dafür sein, mit der neuen Seilbahn auch ein neues Besucherzentrum am Rosengarten zu bauen und das ist nachvollziehbar, wenn auch fragwürdig. Das Ganze steht und fällt mit einem außergewöhnlich gut austariertem, sehr feinfühligem Konzept, das dem Ort tatsächlich gerecht wird. Eine Herkules-Aufgabe an dieser Stelle.

Mi., 27.02.2019 - 11:32 Permalink