Im Iran dauern die Proteste an. Nach Angaben von Behörden seien bereits über 1200 Menschen festgenommen worden, dutzende wurden getötet. Der Tod von Mahsa Amini treibt Menschen aus der ganzen Welt auf die Straße. Die 22-Jährige war von der iranischen Sittenpolizei verhaftet, weil sie ihren Hijab nicht richtig getragen hatte. Kurz darauf starb sie. Auslöser sei Polizeigewalt gewesen. In Solidarität mit Mahsa und den iranischen Frauen werden auf der ganzen Welt Proteste organisiert. Auch in Bozen findet heute ab 14 Uhr auf dem Mazziniplatz eine Solidaritätskundgebung statt. Sabri Najafi, eine in Südtirol lebende Iranerin, im Interview:
Salto.bz: Frau Najafi sie leben schon lange hier in Südtirol, wann sind sie nach Italien gekommen?
Sabri Najafi: Vor langer Zeit. Ich bin noch eine von der anderen Revolution. Leider bin ich bin von der Utopie der Freiheit getäuscht worden. Ich war frei und hatte alles. Die Amerikaner wollten den Schah nicht, sie wollten einen Regimewechsel. Ich war auch in dieser Zeit auf den Straßen. Als Khomeini an die Macht kam hat er nach 15 Tagen, die Pflicht zum Tragen eines Kopftuches, für Frauen die in den Ministerien gearbeitet haben, eingeführt. Wir waren wie alle zu dieser Zeit, wie Europäerinnen. Am achten März 1979 bin ich protestieren gegangen und heute protestiere ich immer noch. 1980 bin ich dann nach Italien gekommen, zuerst war in in Florenz und dann bin ich hierher gezogen, weil ich einen Südtiroler geheiratet habe.
Proteste gab es in den letzten Jahren immer wieder. Was ist dieses Mal anders?
Mit dem Tod von Mahsa ist der Iran aufgewacht. Mahsa hatte noch einen zweiten Namen, Jina. Jina heißt übersetzt Leben. Die Menschen schreien: Frau-Leben-Freiheit. Das wurde der Slogan dieser Proteste im ganzen Iran. Überall gehen die Menschen auf die Straße. Sie protestieren friedlich und werden einfach von dem Regime umgebracht. Es protestieren viele junge Leute, 71 von ihnen wurden bereits getötet. Es gibt nichts mehr was die jungen Iraner:innen jetzt zurückhält. Die Iraner:innen werden diesen Kampf gewinnen.
Die Menschen schreien: Frau-Leben-Freiheit.
Glauben Sie, dass sich dieses Mal etwas ändern wird? Das die Proteste etwas bewirken?
Ja, ich bin positiv gestimmt. Ich hoffe, dass dieses Regime gestürzt wird und dass es einen Wechsel in der Politik geben wird. Die islamische Republik hat den Frauen nichts gutes gebracht. Die Frauen werden das Kopftuch abnehmen und nie wieder aufsetzten. Bei der Beerdigung von Mahsa haben die Frauen den Hijab abgenommen. Man sieht wie viele Frauen auf die Straße gehen und tanzen. Das Schöne ist, dass Männer gemeinsam mit den Frauen demonstrieren. Für uns ist es normal ohne Kopftuch zu leben. Schon im Zeitraum, als der Schah regierte, aber auch danach. Das Regime kann in der Vergangenheit leben, die iranischen Frauen nicht. Sie werden niemals zustimmen, dass Frauen das Kopftuch abnehmen können. Das würde Gleichstellung heißen und das ist unter diesem Regime unmöglich.
Warum ist es so wichtig, dass auch wir hier die Iranerinnen unterstützen?
Das iranische Regime hat das Internet abgeschaltet. Aber die Menschen dort können durch einen Filter trotzdem darauf zugreifen. Sie posten Fotos und Videos in den Sozialen Medien. Wir leben im Zeitalter des Internets, das Regime kann den Iran nicht abkoppeln vom Rest der Welt. Durch diese Proteste schaut die Welt auf uns. Es ist wichtig, dass wir und auch Politiker, Prominente und Sportler den Iran unterstützen und uns äußern. Das tut den Iraner:innen, die im Land für ihre Rechte auf die Straßen gehen, gut und gibt ihnen Mut. Es ist sehr schwer demonstrieren zu gehen, wenn du weißt du könntest nicht lebend zurückkommen. Aber die Menschen dort wissen, dass es für eine bessere Zukunft für ihre Kinder ist. Sie sagen, dass sie nichts verlieren können, weil sie nichts haben. Sie haben keine Hoffnung, sie wollen nicht auf diese Art und Weise leben. Die Hilfe der Welt, von Europa und Amerika, die Sanktionen gegen den Iran, die Aufrufe an das Regime die Gewalt zu stoppen, das alles ist sehr wichtig. Der Iran hat sein Gesicht verloren, schon lange. Iranische Feministen haben vor einigen Tagen Feministinnen auf der ganzen Welt aufgerufen am ersten Oktober auf die Straße zu gehen und für Mahsa und die iranischen Frauen zu demonstrieren. In über 80 Städten wird es Kundgebungen geben, auch in Bozen.
Möchten Sie abschließend noch etwas sagen?
Ja. Die Menschen dürfen den Iran nicht vergessen. Es ist wichtig, dass man die italienische Regierung dazu auffordert, mit dem Iran alle Handels-und Wirtschaftsbeziehungen zu unterbrechen. Die Regierung soll das Regime dazu anhalten, die Gewalt und die Tötung friedlicher Demonstrant:innen zu stoppen. Der Iran ist so ein wunderschönes Land. Noch schöner als die Landschaft ist allerdings die Bevölkerung. Die Iraner:innen haben ein großes Herz, sie sind gastfreundlich und herzlich. Jeder der in den Iran fährt, verliebt sich in das Land. Ich möchte, dass die Leser:innen dieses Interviews mit Organisationen und Politiker:innen sprechen und die iranische Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten unterstützten. Schließt euch uns an.
Wäre sehr gerne zur Demo
Wäre sehr gerne zur Demo gekommen, bin leider erkrankt.