Economy | Landwirtschaft

„Null ist mir zu wenig!“

Liebe Bauern und Bäuerinnen, liebe Knechte und Knechtinnen, jeder schätzt den Wert der Berglandwirtschaft, nur zahlen will keiner dafür. So das Fazit der ZSB-Versammlung.
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Foto: Salto.bz
Während zur Bauernversammlung in Völlan, die ganz im Zeichen der Milchauszahlungspreise stand, rund 500 Bauern kamen und die Mehrheit der Sennerei-Verantwortlichen mit Abwesenheit glänzte, war es dieses Mal beinahe umgekehrt: Am vergangenen Samstag (4. März) haben sich nur etwa rund 250 Bauern auf den Weg nach Feldthurns gemacht, Verbands-Vertreter und Politiker verschiedener Fraktionen sah man jedoch viele.
Thema der Veranstaltung, die wiederum vom Arbeitskreis Zukunft Südtiroler Bergmilch (ZSB) organisiert wurde, war Tourismus und Landwirtschaft. Die Vertreter aus Politik, Tourismus und Landwirtschaft waren sich durchaus einig darüber, dass sich beide Bereiche gegenseitig brauchen bzw. der Tourismus die Landwirtschaft sogar noch mehr braucht, da die Gäste nur wegen der schönen und gepflegten Kulturlandschaft nach Südtirol kommen. Die Aussage „wir hätten keinen Tourismus, wenn es keinen Bauern gäbe“ wurde dabei gleich mehrmals wiederholt.
 
 
An der Podiumsdiskussion nahmen Professor Matthias Gauly von der freien Universität Bozen, der österreichische Bio-Bergbauer Hannes Royer, Annemarie Kaser, Geschäftsführerin des Sennereiverbandes, Joachim Reinalter, Obmann der Mila Bergmilch, Stephan Wenger, Abteilungs-Direktor Agrar im IDM, Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler und Siegfried Rinner, Direktor des Südtiroler Bauernbundes teil. HGV-Präsident Manfred Pinzger und der Landtagsabgeordnete und HGV-Bezirksobmann des Eisacktales, Helmut Tauber, ließen sich entschuldigen, was nicht unkommentiert blieb. So musste Manfred Volgger, HGV-Obmann des Wipptales, seinen Mann stehen und die Meinung des mächtigen Verbandes vor den Bauern rechtfertigen.
 
 
Die zentrale Forderung nach einer Erhöhung des Milchauszahlungspreises ist offenbar vom Tisch.
 
 
„Uns fehlen grob gerechnet an die 80 Millionen Euro, um in der Milchwirtschaft Vollkosten deckend arbeiten zu können“, so der Moderator des ZSB zur derzeitigen Situation. Er erklärte weiters, dass, wenn es der Milchpreise nicht hergebe, die finanziellen Mittel auf anderem Weg beschafft werden müssten, um die Milchwirtschaft zu erhalten. Somit ist wohl eine zentrale Forderung des ZSB, nämlich die Erhöhung des Milchauszahlungspreises auf 80 Cent für konventionelle Milch und  1,10 Euro für Bio-Milch offenbar vom Tisch. Bliebe dann noch der sogenannte „Grüne Euro“ aus der Ortstaxe, was vom HGV-Vertreter vehement abgelehnt wurde. Man schätze die Leistungen der Bauern und müsse ihnen auch dankbar sein, so Volgger, aber der Tourismus leiste in dieser Hinsicht bereits sehr viel und greife bei verschiedenen Gelegenheiten gerne auf Südtiroler Produkte zurück. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung? Absolutes Nein, so Volgger. Man sei in die Entscheidung nicht einbezogen worden und die Sanktionen lehne man sowieso ab.
 
 
 
 
Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler nahm den Bauern gleich noch eine weitere Illusion: So gebe es nirgends in der Landwirtschaft eine Vollkostendeckung. „Es ist von der EU so gewollt, dass die Landwirtschaft mittels Subventionen querfinanziert wird, um die Preise der Grundnahrungsmittel niedrig zu halten“, so Schuler. Den Lebensmittelpreis direkt aus Steuereinnahmen zu stützen, sei rechtlich nicht möglich, weshalb die Verwendung von finanziellen Mitteln aus der Ortstaxe, eine Steuer, welche die Gemeinde einhebt, nicht verwendet werden können, um den Milchauszahlungspreis anzuheben. Unterstützung sei nur auf indirektem Wege möglich. So habe man entscheiden, berichtete Schuler, dass die Einnahmen aus der Ortstaxe im Tourismussektor bleiben sollen, dafür aber eine wesentlich höhere Unterstützung – fünf Millionen Euro zusätzlich – seitens des Landes für das Agrar-Marketing erfolgen soll. Ein höherer Milchpreis soll somit über ein besseres Marketing erzielt werden. Auch eine neu aufzubauende Dachmarke Südtirol soll dabei helfen, die landwirtschaftlichen Produkte besser zu vermarkten.
 
 
Das wird aber keine zehn Jahre dauern können, weil heute die Hütte brennt.
 
 
Um einen höheren Stundenlohn in der Berglandwirtschaft zu erzielen, gebe es vier Möglichkeiten, erklärte Professor Gauly: Der Bauer könne selbst die Investition in seinem Betrieb effizienter einsetzen und optimieren, die Genossenschaften müssten ihre Aufgabe erfüllen und zusehen, dass der Milchauszahlungspreis über den heutigen Stand hinausgeht, „das wird aber keine zehn Jahre dauern können, weil heute die Hütte brennt“, und drittens müsse man sich überlegen, wie die Förderungen effizienter in der Berglandwirtschaft eingesetzt werden können. Zu guter letzt sei es der Tourismus, der am meisten von der Berglandwirtschaft profitiere. „Wer macht in 20 Jahren den Almabtrieb für die Touristen? Sollen dann Lamas durch die Dörfer laufen? Was kann der Tourismus leisten, außer schöne Worte?“, so Gauly, der betonte, dass einerseits die Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel eingeführt werden müsse und zweitens der Tourismus nicht nur einen grünen Euro für die Berglandwirtschaft beisteuern müsse, sondern weit mehr.
Bei all den Stellungnahmen erhielt die Brandrede von Alberich Hofer, Landesvertreter der Bergbauern, wohl am meisten Zustimmung. „Seit Jahren haben wir gebettelt und Konzepte zum Thema Grünen Euro geliefert, mit denen die Berglandwirtschaft unterstützt werden könnte. Wenn die Berglandwirtschaft heute so in Not ist, warum hilft man dann nicht?“, fragte Hofer und betonte, dass man bereits zufrieden gewesen wäre, wenn jene 9 % der Ortstaxe, die von den UaB-Betrieben beigesteuert werden, wieder in die Landwirtschaft zurückfließen würden. „Null ist mir zu wenig!“, so der Bergbauernvertreter, der mit seiner Enttäuschung nicht hinterm Berg hielt.

 

Und schon wieder schiebt Schuler der EU den " schwarzen Peter" zu.Hoffentlich überlegen sich vor allem die "KLEINBAUERN"sehr gut, wo sie bei den heurigen Landtagswahlen ihr " Kreuzchen" machen.!

Mon, 03/06/2023 - 08:26 Permalink

Man will Regionalität und Nachhaltigkeit - und dann sind ein „Milchauszahlungspreises (von) 80 Cent für konventionelle Milch und 1,10 Euro für Bio-Milch“ zu viel?
Das zeigt doch die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaft...

Mon, 03/06/2023 - 08:40 Permalink

Könnte es eine Idee sein, dass grosse landwirtschaftliche Betriebe mit Obstbau oder luxeriösem Urlaub auf dem Bauernhof sich solidarisch mit der Berglandwirtschaft zeigen?

Mon, 03/06/2023 - 09:21 Permalink

Den Vorschlag vom Schuler, der IDM 5 Mio. € "für die Erfindung einer Dachmarke für Agrarprodukte zu geben," würde die IDM sicher recht aufwendig theatralisch inszenieren und den "Roten Hahn abmurgsen."
Allerhand Michgeld steckt bei den Sennereien, aber aber auch bei den Bauern in Bauten und technischen Anlagen, die "zu oft nicht über die Abschreibe-Zeit hinaus genutzt werden."
Bei der BERGMILCH "frisst" Umsatz-Bremse GASTROFRESH im Gastronomie-Bereich und die SÜDTIROLMILCH in der die Erträge der eigenen Geschäfte mit den Endverbraucherpreisen verschwinden, um allerlei weitere schlampige Milchgeld-fressende Töchter zu alimentieren.

Tue, 03/07/2023 - 06:32 Permalink

Die Überlebensfähigkeit der Berglandwirtschaft muß m.E. von zwei Säulen getragen werden :
- von der öffentlichen Hand, für die Landschaftspflege
und
- von den Konsumenten von Lebensmitteln für deren höhere Qualität und Reinheit.

Tue, 03/07/2023 - 10:09 Permalink